Paris, Frankreich (Weltexpress). Die Gelbwesten demonstrieren in Frankreich nun zum 22. Mal. Die zweite Schnapszahl ist geschafft. Und was sonst? In Paris gehen zwar die 22. Woche in Folge auch an diesem Sonnabend Demonstranten in gelben Westen auf die Straße, doch mehr als ein Hunderte, ein, zwei von mir aus auch dreitausend Demonstranten sind es nicht.
In ganz Frankreich kommen die Gelbwesten auf ein paar tausend Demonstranten. Nicht mehr, nicht weniger. Das ist und bleibt eine kleine Minderheit, die in und für die Medien ordentlich Bambule macht. Doch offensichtlich ist, dass der Protest, der im November 2018 begann, abflaut. Damals wurden Pläne von Macron publik, der die Spritpreise erhöhen wollte.
Im Laufe des Winters kam es Protesten in vielen und zu Ausschreitungen in mehreren französischen Städten. Doch im frühlingshaften Frankreich geht es den Gelbwesten wie der Grande Armée, die mit Napoleon nach Moskau zog und zurück. Nur wenige kehrten heim. Die Gelbwesten werden offensichtlich weniger, machen aber weiter.
Peitsche und Zuckerbrot
Der Schwung scheint raus und das wird nicht nur an Demonstrationsverboten und am Anti-Randalierer-Gesetz liegen, das Marcon Anfang des Jahres durchs Parlament peitschte. Zugleich nahm Macron mit seiner Partei La République en Marche den Kampf um die Hoheit der Stammtische auf. Er besuchte Bürgermeister, diskutierte und rief die Grand Débat genannten Großdebatte zur Lage der Nation aus.
Selbst wenn die Gelbwesten Frankreich verstehen und erklären könnten, wie wollen sie es verändern? Und wenn der Wunsch nach Veränderung groß genug sein sollte, wohin des Weges?
Am Ende bleiben den braven Bürgern in gelben Westen nur Wahlen, nicht Revolten. Zwar ist die Zahl derer, die am kapitalistischen System verzweifeln, groß, aber die Auswahl an Alternativen mit Sozialismus und Kommunismus klein.
Mehr denn je wird klar, dass in den Knochen derer, die im Winter auf den Beinen waren, ein tiefes Unbehagen steckt, das auf einem grundlegenden Misstrauen gegenüber der Bourgeoisie in den französischen Städten basiert. Die Erfahrungen, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden, spiegeln als Erfahrungserkenntnis zur wachsenden Wut der Abgehängten nicht in den Medien wider, die sie konsumieren, weil die sich in der Hand der Bourgeoisie als Staats- und Kapitalmedien und durchaus auch als Verbands- und Parteimedien befinden.
Weil das Informieren und Organisieren, und in den Parteien ist schon lange kein Platz mehr für die Verlierer der Fünften Republik, keine Lust macht, sondern Frust verursacht, kommt das Radikalisieren nicht als Kopfgeburt, sondern aus dem Bauch raus.
Aus diesem Grunde hielten sich viele Intellektuelle, die sich in der Regel links wähnten, von den Gelbwesten fern.
Macron und En Marche haben vor allem mit der Grand Débat den Gelbwesten den Wind aus den Segeln genommen. Die Moderaten und Mitläufer haben aufgegeben, die Hardcore-Demonstranten marschieren noch weiter, aber nicht das System ab. Am Ende nix gewesen außer Schnapszahl.