Knapper Potsdamer Auswärtssieg – Überraschende Schlussoffensive von Hoffenheim ließ Turbine wackeln

© Framba, Heidelberg

Entscheidende Spiele

Das Stadion wurde  benannt nach dem SAP-Gründer Dietmar Hopp, dem Mäzen des Klubs, der das Stadion privat finanzierte und dem Verein schenkte. Mit dem Aufstieg der Frauen in die 1. und 2. Bundesliga wurde der historische Platz das spielerische Zuhause von Hoffenheims Amazonen. Gegen Tabellenführer Turbine Potsdam absolvierten die 1899-Frauen ihr zweites Saisonheimspiel. Unter den Augen des FIFA Exekutiv-Mitglieds Dr. Theo Zwanziger steigerte sich der Aufsteiger in der Schlussoffensive der letzten zwanzig Minuten zu einem gefährlichen Gegner für die Brandenburger Favoritinnen, die sich mit immerhin acht internationalen als auch deutschen A-Nationalspielerinnen präsentierten. Unter den Zuschauern ebenso Frauenfußball Legende Birgit Prinz, die als Psychologin im Nachwuchsleistungszentrum der TSG 1899 Hoffenheim die mentale Stärke der Vereinstalente des Gesamtvereins fördert. Sie hatte noch letztes Jahr mittels Spielberechtigung entscheidende Spiele der Frauen zum Aufstieg in die 1. Bundesliga mitgestaltet. Die ehemalige FIFA Weltfußballerin Prinz beendete im Sommer nach dem Hoffenheimer Aufstiegsspiel gegen den 1. FC Köln ihre Karriere endgültig.

Nur Distanzschüsse

© Framba, HeidelbergDie Turbinen begannen druckvoll mit dem ersten Warnschuss der Schottin Lisa Evans in der ersten Minute. Dem Favorit gehörte die Anfangsphase, im Anschluss an die dritte Potsdamer Ecke hatte Pauline Bremer die Führung auf dem Fuß, ihre Direktabnahme strich nur knapp über die Latte. Hoffenheim versteckte sich aber keineswegs und beschäftigte die Gäste-Defensive immer wieder. Susanne Hartel verpasste eine scharfe Hereingabe der Ex-Frankfurterin Silvana Chojnowski, Theresa Betz` Distanzschuss flog übers Tor. Cheftrainer Jürgen Ehrmann hatte sein Team im Vergleich zur Partie vor drei Tagen in Leverkusen auf drei Positionen umgestellt. Die  bewährten Kräfte mit Stephanie Breitner, Susanne Hartel und Fabienne Dongus standen gegen die Gäste aus Brandenburg diesmal in der Startelf. Durch reines Kombinationsspiel kamen die Brandenburgerinnen nur selten zu Torchancen, meist waren es Distanzschüsse, die aber ohne Wirkung blieben. Bei Potsdam fehlte die verletzte Europameisterin Jennifer Cramer, die US-Amerikanerin Alexandra Singer stand in der Erstformation, anstelle von Stefanie Draws.

Standardsituation

Hoffenheim spielte mit, aber ohne das es Potsdam gefährlich werden konnte. Als in der 18. Minute Torfrau und Neuzugang Alisa Vetterlein, letzte Saison noch Gewinnerin des Triple mit dem VfL Wolfsburg, den Schuss der Ex-Bayern Spielerin Julia Simic gerade noch zur Ecke über die Latte lenken konnte, ging der Ball nach anschließenden Eckball von Nastasa Andonova doch ins Netz. In der Mitte stimmte die Zuordnung nicht, die 1,82 m große Kopfballspezialistin Johanna Elsig stieg am höchsten und köpfte aus dieser Standardsituation das 0:1 für Turbine Potsdam (19.).  Deren Cheftrainer Bernd Schröder hatte mit einer zusätzlichen Dreierkette vor der eigentlichen Abwehr-Dreierkette die Spielhälfte seiner Frauen ziemlich dicht gemacht. Hoffenheims Aktionen wurden in der Regel Ende des Mittelkreises gestoppt. Das anfänglich hohe Tempo der Turbinen brachte Hoffenheim unter Druck, es dauerte bis die Hoffenheimer Frauen sich an das schnelle Tempo gewöhnt hatten. Klare Torchancen erspielte sich Potsdam trotz Überlegenheit nicht.

Fehlende Durchschlagskraft

© Framba, HeidelbergDie erste Chance für die TSG Hoffenheim war ein Fernschuss von Stephanie Breitner, die den freien Raum nutzte und aus 20 Meter abzog direkt in die Arme von Turbine Keeperin Ann-Katrin Berger, die keine Mühe hatte zu parieren. Die TSG fand immer besser ins Spiel, brachte sich aber durch gegnerische Standardsituationen selber ins Hintertreffen. In der 27. Minute gab es einen Eckball durch Natasa Andonova, am kurzen Pfosten stand Pauline Bremer, die ungedeckt und ohne Mühe zum 0:2 einschob. Das Ergebnis fiel zur Halbzeitpause deutlicher aus als der Spielverlauf war. Hoffenheim spielte mit, Potsdam blieb tonangebend und offenbarte in der Defensive die eine oder andere Schwäche. Nach der Pause begann es wieder mit einem Distanzschuss von Genoveva Anonma mit dem rechten Fuß von der linken Seite,  Torfrau Alisa Vetterlein hielt sicher. Die Partie wurde insgesamt schwächer, Torchancen gab es weder auf der einen noch auf der anderen Seite. Turbine Potsdam stand in der Defensive sicher, der TSG fehlte die Durchschlagskraft gegen eine aufmerksame und zweikampfstarke Gästeabwehr.

Kontrolliertes Spielgeschehen

© Uwe Grün, KraichgaufotoNach einer guten Stunde dominierte Turbine die Partie und kontrollierte das Spielgeschehen. Bei den Gastgeberinnen schwanden merklich die Kräfte, Potsdam nutzte das und erhöhte in der 70. Minute nach Vorbereitung von der linken Seite durch Lisa Evans auf 3:0. Die Torschützin Antonia Göransson – sie war für die verletzte Tabea Kemme eingewechselt worden (30.) – überwand die TSG-Keeperin Vetterlein mit einem flachen Rechtsschuss. Jetzt schaltete Potsdam den Turbine Turbo ab, wirkte unkonzentrierter. Eine Viertelstunde vor Schluss schien durch den klaren Vorsprung die Gegenwehr der 1899er Mannschaft gebrochen. Doch Potsdam wirkte zunehmend konfus. Plötzlich wie aus dem Nichts startete Leonie Pankratz vom Mittelkreis zu einem Sturmlauf in Richtung Potsdamer Strafraum, legte vor zu Susanne Hartel, die blitzschnell auf 1:3 verkürzte (76.). Kurz nach dem Anstoß erkämpfte Hoffenheim wiederum den Ball, mit dem Schwung des Tores im Rücken erwischte Susanne Hartel nochmals den Ball, zog aus der 16 Meter Distanz ab und traf sehr platziert zum 2:3 Anschlusstreffer (78.).

Nervosität

© Uwe Grün, KraichgaufotoDie fröhlichen Sprechchöre der mitgereisten Potsdam Fans wurden nun übertönt von den Bravo- und Anfeuerungsrufen der Hoffenheimer Anhänger. Zwei Treffer innerhalb kürzester Zeit – das war die Offenbarung für das nunmehr angestachelte heimische Publikum. Die euphorisierten Fans des Aufsteigers glaubten nun noch an ein Wunder – die Kraft der 1899-Frauen wuchs, die Spielerinnen drängten auf den Ausgleich. Die für Tamar Dongus eingewechselte Christine Schneider setzte einen Freistoß nur knapp neben das Tor. Potsdam wackelte, fiel aber nicht. In der 86. Minute sprintete Nastasa Andonova in Richtung Gäste Tor, drei 1899-Spielerinnen bremsten sie. Potsdam zitterte, ließ sich vom Aufsteiger in der eigenen Hälfte einkesseln. Dann zusätzliche Stellungsfehler bei der Turbine Abwehr, die Nervosität auf der Potsdamer Trainerbank steigerte sich. Das Traumata der Essener Pokalniederlage eröffnete der  aktiven Heimmannschaft ungeahnte mentale Möglichkeiten – nur der Schlusspfiff  beendete den Druck auf Turbine, befreite die führende Mannschaft aus der Umklammerung – drei Punkte für den Tabellenführer, null Punkte für einen Aufsteiger, der jegliche Ehrfurcht vor der gegnerischen Spitzenmannschaft verloren hatte sowie durch erhöhten Kampfgeist über sich hinauswuchs.

Stimmen zum Spiel

© Framba, HeidelbergMartina Moser – die erfahrene Schweizer Nationalspielerin: „Es war ein gutes Spiel von uns und wir konnten Potsdam ein bisschen ärgern. In der ersten Halbzeit mussten wir uns zunächst an das hohe Tempo gewöhnen und die Gegentore nach Eckbällen waren sehr ärgerlich und dürfen uns so nicht passieren. Ansonsten war es unsererseits eine engagierte Leistung und wir haben kämpferisch stark dagegen gehalten. Die zwei Tore tun uns gut. Auf dieser Leistung können und sollten wir aufbauen.“

Susanne Hartel – die  Spielerin des Tages: „Wir gehen heute mit einem guten Gefühl vom Platz. Es ist schön zu sehen, dass wir als Team auch gegen die Favoriten gut aussehen können. Dass wir uns nach dem 0:3 nochmal herangekämpft haben, zeigt die tolle Moral der Mannschaft. Auf diese Spiele können wir aufbauen. Das macht uns Mut und das nehmen wir gerne mit.“

Kristin Demann – die TSG – Leihspielerin von Turbine Potsdam: „Am Ende ist es schon bitter, dass wir verloren haben. Schade, dass wir die ersten beiden Gegentore nach Standards bekommen haben, das müssen wir verbessern. Es war aber wichtig für uns zu sehen, dass wir in der Lage sind, nach Rückständen zurückzukommen. Mit dieser Leistung glaube ich fest daran, dass wir noch ein paar Punkte sammeln werden.“

Cheftrainer Jürgen Ehrmann: „Wir hatten uns viel vorgenommen, wussten aber, was mit Potsdam auf uns zukommt. Wir haben ganz gut verteidigt, aber in den ersten 20 Minuten haben wir sehr viel Respekt gezeigt und nur wenig riskiert. Nach dem 0:3 haben wir weiter versucht und haben die Spannung mit den beiden Toren nochmal aufgebaut. Dann braucht man natürlich auch das Glück gegen einen solchen Gegner, noch eine Chance zu bekommen. Ich bin aber sehr stolz auf die Mannschaft. Sie hat bis zum Ende versucht, mitzuspielen und gekämpft und auch nach dem 0:3 nicht aufgesteckt. Das macht mich zufrieden, auch wenn wir keine Punkte holen konnten.“

Potsdams Cheftrainer Bernd Schröder: „Wir haben heute gegen einen Gegner gespielt, der fußballerisch schon sehr gut drauf ist. Zum Schluss wurde es nochmal eng, obwohl wir gedacht haben, wir sind mit 3:0 schon durch. Es war ein verdienter Sieg, aber wir haben gewackelt. Ich dachte auf der Bank schon noch, jetzt könnte noch etwas passieren. Zum Schluss haben wir uns aber noch aus der Situation gerettet. Ich möchte der TSG für ihren fairen Spielstil noch Respekt zollen.

Tabellenführung

© Framba, HeidelbergTurbine Potsdam musste am Ende den Vorsprung mit viel Aufwand verteidigen. Nach dem vierten Spieltag liegt Turbine mit zehn Zählern und einem Torverhältnis von 13:4 weiter an der Tabellenspitze. Sportlich rangiert die TSG 1899 Hoffenheim derzeit auf dem achten Tabellenplatz. Einem Sieg gegen Sindelfingen und einem Unentschieden in Leverkusen stehen Niederlagen gegen Duisburg und Potsdam gegenüber. Auch im DFB-Pokal ist Hoffenheim nach einer Niederlage gegen den Zweitligarivalen 1. FC Köln bereits ausgeschieden.

So spielten sie:

TSG 1899 Hoffenheim: 31-Alisa Vetterlein – 32-Tamara Dongus (8-Christine Schneider, 57.) 4-Kristin Demann, 21-Leonie Pankratz, – 20-Theresa Betz, 7-Martina Moser, 12-Stephanie Breitner (2-Lena Weiss, 57.), 33-Fabienne Dongus – 13-Mana Iwabuchi, 27-Silvana Chojnowski (5-Madita Giehl, 59.), 22-Susanne Hartel – Trainer: Jürgen Ehrmann

1.FFC Turbine Potsdam: 32-Ann-Katrin Berger – 4-Johanna Elsig, 21-Tabea Kemme (19-Antonia Göransson, 30.), 18-Alexandra Singer – 5-Maren Mjelde, 3-Lia Wälti (22-Stefanie Draws, 79.), 10-Julia Simic (14-Jennifer Zietz, 77.), 31-Pauline Bremer – 6-Genoveva Anonma, 25-Lisa Evans, 16-Natasa Andonova – Trainer: Bernd Schröder
Tore: 0:1 Elsig (19.), 0:2 Bremer (27.), 0:3 Göransson (70.), 1:3 Hartel (76.), 2:3 Hartel (78.)

Schiedsrichterin: Verena Kordula Schultz (Wolfsburg), Zuschauer: 1380

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