Kein ’braves’ Kloster – Serie: Audienz beim Papst im Gourmet-Tempel (Teil 1/2)

Strom ist ein Tabu

Unscheinbar wirkt der Klinkerbau in der Tauchaer Lindner-Straße 28 – etwa in einer halben Autostunde vom Leipziger Zentrum erreichbar. Fackeln vor der denkmalgeschützten Art Déco-Villa setzen in der einbrechenden Dämmerung ein Zeichen.

Im spärlich erleuchteten Vorraum der Gaststube wird der „Freund“, wie die Gastgeber ihre Gäste gern bezeichnen, mit Kunst konfrontiert. Fixiert auf Leinwand fiedelt ein nahezu lebensgroßer Musiker des Leipziger Gewandhauses vom Maler mit Pastellfarbe und Lithokreide in der so genannten Schabetechnik auf Leinwand fest gehalten. Eine Anlehnung von Dürers Händen lenkt den Blick auf die andere Wand. Die Tür zur Gaststube öffnet sich und Rüdiger, so stellt er sich vor, füllt sie mit seiner Größe aus. „Herzlich willkommen. Ihr seid pünktlich um 18 Uhr.“ Kerzen spenden in der Gaststube gedämpftes Licht. „Elektrische Lampen sind in unserer historischen Klostergaststätte verbannt. Damit keiner in Versuchung kommt habe ich sicherheits-halber die elektrischen Leitungen beim Umbau herausgenommen.“ Auf der Stirnseite des Raumes flackern Flammen im Kamin. Frisch aufgelegte Holzscheite knistern und knacken. Entspannung liegt im Raum und harmonisiert das Gemüt.

Maximal 40 Plätze gibt’s entweder im klösterlichen Gastraum oder im Sommer im Kloster-Garten. Der Gast entscheidet dann, wenn es vielleicht am späten Abend kühler wird, ob er draußen oder drinnen sitzen möchte”¦ „Denn der Gast ist Freund und soll sich wie bei Freunden wohl fühlen.“, betonen Rüdiger und Claudia.

Papst Benedikt XVI. nahezu lebensgroß

Ein leichter Blick nach hinten über die Schulter – oh Schreck. Da steht doch noch jemand im niedrigen Schankraum. Kein Jemand: Papst Benedikt XVI. nahezu wahrhaftig steht ganz in Weiß vor einem bordeauxfarbenen Grund und nahezu in voller Größe hinter dem eintretenden Gast. Das Bild ist etwa 2 m hoch und 90 cm breit und verlangt geradezu Aufmerksamkeit: Der Blick des Papstes schweift ins Leere. Arme und Hände sind weit geöffnet. Hinter ihm blickt Petrus auf ihn – als ein  Zitat und ein gespiegeltes Bild des berühmten Malers Peter Paul Rubens. Rüdiger ist nicht nur ’Klostervorsteher’, sondern hat eigentlich Kunst an den Hochschulen in Berlin, Halle an der berühmten Giebichenstein und in Leipzig studiert. Der Mittfünfziger hat promoviert und war Meisterschüler. Rüdigers bevorzugt realisierte Motive sind eigentlich Ballett, Musiker und Porträts. Nun diese für manchen ’unheilige’ Papstdarstellung. Ein kritisches Bild zum Papst steht in der Kloster Schankstube – wahrhaftig ist es ein Bild zum Nachdenken. „Das Bild ist noch unfertig. Dieser Papst mit den geöffneten Armen wird letztendlich mit Fischen jonglieren. Vor einem Jahr im März 2010 hatte ich die Eingebung mich als Protestant mit dem Papsttum auseinanderzusetzen. Ich habe zuvor viel Literatur über den Vatikan und Papst studiert.“

Eine weitere Papstvariante wird in der nahen evangelischen Dorfkirche in Panitzsch bei Leipzig bereits ausgestellt. Der Pfarrer dieser schlichten Kirche stellt gern Bilder aus. ’Dann sind die Wände nicht so leer.’, meint er. Übrigens, ein Tipp für Kunst-interessierte immer mal in dieser alten Dorfkirche bei Leipzig mit viel Geschichte vorbei zu schauen. An zwei weiteren Papstporträts arbeite ich. Insgesamt vier Päpste werden gespiegelt entstehen. Das kommt in der Kunstgeschichte eher selten vor. Ich stelle fest – es wird seit der Veröffentlichung heftig über diese Darstellung diskutiert.“

Kein ’braves’ Kloster

Das Klosterschankhaus in Taucha ist also kein ’braves Kloster’. Kunst – sanft, aber kritisch – sowie Kochkunst werden verbunden. Der Gast kommt sehr schnell ins Plaudern mit Rüdiger und Claudia. Zeit – wie zu Zeiten mittelalterlicher Klosterkultur – sollte der Gast deshalb unbedingt mitbringen. Er erfährt dann viel, wenn er will, nicht nur über Kunst. Geschichten gehören zu den Speisen. Rüdiger und Claudia sammeln seit vielen Jahren und permanent alte, einschlägige Rezepte und Geschichten dazu.

Vor dem Reichen der kunstvoll gefertigten Speisekarten wird im Kloster Schankhaus das Menü oder ein Einzelgericht im wahrsten Sinne des Wortes vom promovierten Maler und Claudia, der Poetin, zelebriert. Dazu werden Geschichte, Episoden und Lyrik vorgetragen. Viel Wissenswertes wird in unterhaltsamer Form und individuell von Familie Bartels vermittelt. Dazu gehört – wenn der Gast nachfragt – auch manch kleines Küchengeheimnis.

Ein kurzer Exkurs zu den Vornamen ’Rüdiger’ und ’Claudia’ ist angebracht: Wenn der Gast es möchte, so wird wie im Kloster stilecht geduzt. Es muss aber nicht sein.

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Information:

Restaurant Klosterschankhaus Leipzig;  Lindner Straße 28; 04425 Taucha;

Tel. 034298-13373;

www.klosterschankhaus.de

Öffnungszeiten: Montag bis Samstag von 18 bis 24 Uhr

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