„Jewels“ – Musik sehen und Tanz hören

Balanchine: Jewels. © Foto: by Carlos Quezada
Endlich hat das berühmte, zeitlos moderne Ballett "Juwels" auch in Berlin Station gemacht auf seiner langen Tour du Monde nach seiner Uraufführung in New York 1967. Intendant Nacho Duato hat dieses "Schmuckstück" nach Berlin geholt – es ist Hybrid zwischen Avantgarde und klassischem Tütü-Ballett.

Das legendäre Motto des gefeierten Choreographen George Balanchine (verst. 1983) lautete: "Musik sehen und Tanz hören!" Der gebürtige – nach N.Y. emigrierte – Georgianer, der Marius Petitpas als seinen geistigen Vater bezeichnete, zelebriert in diesem Dreiteiler ohne Erzählung eine Hommage an Gabriel Fauré, Igor Strawinsky und Tschaikowsky.

Die Idee, mit Edelsteinen besetzte Kostüme zu verwenden, entstand durch seine Begegnung mit dem Juwelier Claude Arpels. Die drei Teile des Balletts sind "Emeralds" (Smaragde), "Rubies" (Rubine) und Diamonds. Der spanische Hofcouturier Lorenzo Caprile hat den Kostümen einen gewissen spanischen Touch verliehen.

Leere Bühnen zeichnen den Stil Balanchines aus – bei den drei Edelsteinthemen sind diese jeweils mit grünen, roten oder blauen Samtvorhängen ausgestattet. Bei "Rubies" wird das feurige Sujet Strawinskis mit abstrakten roten Linien im Hintergrund an die Wand gemalt betont. Bei Diamonds hängen stilisierte Riesendiamanten an der Decke.

Die romantische Musik Fauré’s in "Emeralds" wird vom Ballett atemberaubend getanzt. In halblangen Ballettkleidern mit dunkelgrünem Samtwams über und über mit glitzernden Strasssteinen besetzt tanzen die TänzerInnen "Paléas et Mélisande" und "Shylock" mit diesem für Balanchine typischen "en dehors" Stil – bis zum äußersten Extrem, dynamische, präzise und zugleich kraftvolle Bewegungen, die die Hüfte miteinbeziehen. 

In "Rubies" kommt dieser Stil zu Strawinskys feurigem "Capricio für Klavier und Orchester" noch stärker zum Tragen. In kurzen, roten Glitzer-Tütüs mit weißen Strumpfhosen kommen die langgliedrigen schmalen Tänzerinnen zur Geltung. Insbesondere Publikumsliebling Primaballerina Jana Salenko clownesk und mit strahlendem, ansteckendem Lächeln hebt ständig die Beine in einem bislang noch nie gesehenen Ausmaß in die Höhe – das Ganze in federleicht! Zugleich ist die Inszenierung mit einem clownesken Augenzwinkern versehen und hat eine leichte Anmutung an Varieté. Der Esprit bringt das Publikum zum Lachen. Bei allen Stücken ist viel Zwischenapplaus zu verzeichnen und wird mit frenetischem Schlussapplaus gekürt.

"Diamonds" ist die Krönung des Ganzen. Nach einem ergreifenden Pas de Deux und weiten, gewagten Sprüngen der Männer ist dann das gesamte Corps de Ballett  auf der Bühme vertreten in weißen Glitzerkostümen. Bezaubernd wie alles die Beine und Arme "en dehors" nach oben heben. Wie in einem Rausch fegt ein einziges Tütü-Wogen wie eine Welle über die Bühne. Sie verköpert das Meer von Geigen der  zu Herzen gehenden Sinfonie Nr. 3 D Dur op 29 Tschaikowskies. Die Musik Tschaikowskies ist fabelhaft und ergreifend umgesetzt: Musik sehen und Tanz hören. Dies ist auch der bravouröse Verdienst des Orchesters der Deutschen Oper Berlins unter der Leitung von Robert Reimer. Dieser Ballettabend ist Genuss in Reinform: ergreifend und bezaubernd! Dem Indentant Nacho Duato ist mit diesem Griff in dieSchmuckschatulle der renommierten Stücke ein Geniestreich gelungen!

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