Immer den Gelben Pfeilen folgen! – Radrundfahrt durch Venetien: herrliche Landschaft, freundliche Leute, große Lebensfreude

Malerisch begleitet wird die Reise auf dem Rad von den schneebedecken Vizentiner Alpen. © 2019, Foto/BU: Henno Heintz

Venedig, Venetien, Italien (Weltexpress). Die Richtung konnte nicht stimmen. Schon seit einiger Zeit hatten wir keine gelben Pfeile mehr gese­hen, die uns als hilfreiche Markierung am Rand der Strecke bisher zuverlässig den Weg gewiesen hat­ten. Nach längerer Fahrt entlang des vermeintlichen Flusses, der Brenta, tauchten einige Häuser auf. Ein kleiner Laden. Die junge Frau hinter dem Tresen lächelte uns hilfreich an. „Nein, so kommen Sie nicht nach Galziano Terme“, meinte sie. „Sie sind hier.“ Dabei deutete sie auf ihr Handy: Cavanella d‘Adige. Weit ab von unserer Tagesroute, auf der wir vom kleinen malerischen, an Venedig erinnern­den Städtchen Chioggia entlang der Brenta Galzignano Terme am Fuss der Euganeischen Hügel errei­chen wollten.

Ein Kanal in Chioggia, Venetien. © 2019, Foto/BU: Henno Heintz

Statt der Brenta war das Wasser, an dem wir entlang geradelt waren, der Canale di Valle, der dort in die Etsch, italienisch Adige, mündet. Da standen wir nun. Ziemlich ratlos, wenn uns die junge Frau nicht wei­tergeholfen und die Orte genannt hätte, über die wir zu unserem Radweg zu­rück finden würden. Der erste hieß Cavarzere, rund 15 Kilometern weiter nordwestlich. Leicht zu fin­den. Immer nur der Adige folgen. Das kleine Lokal „La Pizzeria“ mitten im Ort kam uns gerade recht, denn es fing an zu regnen. Im Inneren großes Gedränge, kaum ein freier Platz an der langen Bar und den vielen Tischen. Mittagszeit. Wir mischten uns unter die Frauen und Männer; uns locken die Calamari fritti, die sich viele schmecken ließen. Und dazu ein Glas Weißwein. Eine wunderbare, ermutigende Stärkung für die nächsten 15 Kilometer nach Pontelongo zu unserem Radweg.

Draußen nieselte es immer noch; doch wir ließen uns nicht entmutigen. An das Wetter hatten wir uns be­reits gewöhnt auf unserer Rundfahrt durch Venetien, zu der wir vor fünf Tagen in Vicenza gestartet waren. Auch daran, dass diese gelben Richtungspfeile nicht immer leicht zu finden waren und unser Tour-Book „Venice Lands“ nicht immer eine Hilfe war. Das hatten wir gleich nach dem Start gemerkt, als wir auf vorzüglichen Radwegen durch Vicenza nur mit Hilfe einer einhei­mischen Radfahrerin die Via Alfonso Lamarmora und somit den richtigen Weg aus der Stadt fanden. Ein­heimische Radfahrerin? „Ja, die Fahrräder sind heute in Italien fester Bestandteil zahlreicher Stadtbilder“, so das Staatliche Italienische Fremdenverkehrsamt Enit in München. „Die verkehrsberuhigten Altstadtzentren eignen sich bestens, um Besorgungen mit dem Fahrrad zu erledigen. Und in den letzten Jahren hat sich auch viel auf dem Gebiet des Radtourismus getan. Einige Destinationen haben speziell für Radtouristen Fahrradwege eingerichtet.“ Wie wir selbst feststellten, gibt es – wie in Vicenza – vielfach sichere Radwege, abgetrennt vom Autoverkehr, beispielhaft für viele deutsche Städte, die – wie München – immer noch versuchen, ein modernes Radwegenetz in Gang zu bringen.

Da radeln sie durch Venetien. © 2019, Foto/BU: Henno Heintz

Radfahren in Italien – auch Fahrten über Land sind mittlerweile ein großes Vergnügen. Das erlebten wir bereits auf unserer ersten Etappe von Vicenza ins rund 40 Kilometer entfernte Bassano del Grap­pa. Auf Wegen abseits des Verkehrs rollen wir durch grüne Agrarlandschaften, malerisch begleitet von den nicht weit entfernten schneebedecken Vizentiner Alpen, einer Gebirgsgruppe der Ostalpen. Wege abseits des Verkehrs? Ja – das hatte uns der Veranstalter Girolibero versprochen: „Die Reise verläuft auf befestigten Radwegen und verkehrsarmen Nebenstraßen“. Und vorbei an sehenswerten Städten, die – so weit Zeit bleibt – eine Stippvisite lohnen. Wie Marostica rund zehn Kilometer vor Bassano, berühmt für das über der Stadt thronende Castello Superiore mit langer Befestigungsmauer sowie für den schachbrettar­tigen Hauptplatz, auf dem – der Geschichte folgend – noch heute alle zwei Jah­re im Rahmen eines mittelalterlichen Spektakels Menschen in der damaligen Kleidung Lebendschach spielen.

Das Schachspiel mit lebenden Figuren von Marostica – Italien from frittomisto.eu on Vimeo.

Bassano del Grappa – für einen Abstecher auf die Piazza della Liberta in der sehenswerten Altstadt sollte man sich ebenso Zeit nehmen wie für die Ponte Vecchio, eine Holzbrücke über die Brenta, die Mitte des 16. Jahrhunderts nach Plänen von Andrea Palladio, dem berühmtesten norditalie­nischen Architekten der Renais­sance, gebaut wurde. Vielleicht führt der Weg an einer der zahlreich Grappa-Destillerien vorbei, die den Tresterbrand anbieten, der seit dem 18. Jahrhundert in Bassano immer weiter verfeinert wurde und die Stadt weltweit bekannt gemacht hat, auch wenn der Name der Stadt nicht vom Schnaps, sondern vom nahen Monte Grappa, einem Berg in den Do­lomiten-Ausläufern, herrührt.

Auf dem Weg aus der Grappa-Stadt folgt dem Programm zufolge die „einzige wirkliche Steigung“ der gesamten Rundfahrt. Nun ja – der etwa zwei Kilometer lange, bis zu acht Prozent steile Anstieg ins kleine Städtchen Asolo ist gewiss nicht jedermanns Sache, vor allem mit konventioneller Schaltung ohne Elektro-Unterstützung. Doch die Mühe lohnt sich – einer der schönsten Orte des Veneto mit herrlichen Palazzi und Bürgerhäusern aus dem Mittelalter, wie die Villa Pellizzari, erwartet die Rad­ler. Und einige gemütliche Cafeterias, wie das Caffè Commercio, das neben köstlichem Capuccino kleine Snacks anbietet. Von dort „führt Sie der abschüssige Teil des Weges in die Prosecco-Weinber­ge“. Der zieht sich eine Zeit lang am Fuß des im ersten Weltkrieg heiß umkämpften Il Montel­lo ent­lang, einer dicht bewaldeten, rund 370 m hohen Anhöhe, aus deren Bäumen – wie unser Reise­führer weiß – die Pfähle produziert wurden, auf denen viele Gebäude der Stadt Venedig stehen.

In der kleinen Gemeinde Maser – rund 25 Kilometer von unserem Tagesziel Treviso entfernt – begeg­nen wir dem Architekten Andrea Palladio erneut: Nahe des Radwegs präsentiert sich eines seiner Meisterwerke, die Villa Barbaro in einer gepflegten, weiten Gartenanlage. Und wenig später der Tempietto Barbaro, ein kleines von dem berühmten Renaissance-Architekten kurz vor seinem Tod er­richtetes religiöses Bauwerk. Aber – hat uns der Anblick dieses Prachtbaus so abgelenkt? Wir haben doch tatsächlich unseren Weg verloren. Bereits seit einiger Zeit vermissen wir unsere kleinen, gelben Wegbegleiter. Halt. Eine Rennradler-Gruppe schart sich um uns – wir sind auf der nördlichen und somit auf der falschen der Seite des Montello. Nicht weit weg von der Ortschaft Val­dobbiadine, bekannt für ihren vorzüglichen, mehrfach ausgezeichneten Prosecco, der dort aus der Glera-Rebe gewonnen wird, einer Rebsorte, die hauptsächlich im Nordosten Italiens wächst. So sehr eine Kostprobe lockt – die werden wir am Ende der Tour nachholen – wir müssen zurück nach Montebelluna – auch eine vor al­lem bei mo­debewußten Italienern geschätzte Stadt, gilt sie doch wegen ihrer Schuhproduktion und der vielen Schuhgeschäfte als „Schuh-Hauptstadt“ Venetiens. Nach einer erneuten, nicht geplanten Bergetappe über die Ausläu­fer des Montello stoßen wir auf einen schmalen, asphaltierten Weg. Was klebt an dem Lichtmast gegenüber? Ein kleiner gelber Pfeil! Nach rund 15 km Umweg sind wir wieder auf dem richtigen Weg, auf der Via Stradone del Bosco, einem friedlichen Radweg, der sich eine Zeit lang an einem schmalen Bach entlang zieht. Eine Pause drängt. Ein kleiner Imbiss würde gut tun. Aber ein Lokal – Fehlanzeige. In der Ferne eine Häuser­gruppe: Volpago del Monte. Die kleine Pizzeria – ge­schlossen. Doch geöffnet daneben die Pasticceria La Dolce­ria di Amalia di Ornella Francesco, die gerade von einer Schar junger Mädchen gestürmt wird wegen der köstlichen kleinen Kuchenstücke. Wir lassen uns ebenfalls verführen. Mit einer Tasse Cappucino – wunderbar. Und Treviso ist nicht mehr weit , die Stadt mit den vielen Kanälen, der Fontana delle Tette, einem Springbrunnen aus dem 16. Jahrhun­dert sowie dem sehenswerten Dom. Doch nach der Ankunft reicht die Zeit gerade noch, quasi um die Ecke vom Hotel, für die Pizerria Da Pasqualino.

Enge Flussschleifen überbrücken massive Holzstege. © 2019, Foto/BU: Henno Heintz

Das ist ein Nachteil dieser Tour. Für ausgiebige Besichtigungen bleibt kaum Zeit. Und Lokale entlang der Route sind rar. Das bekommen wir am nächsten Tag noch deutlicher zu spüren. Auf einem der schönsten Abschnitte der gesamten Rundfahrt, einem landschaftlich äußerst reizvollen Weg, der aus Treviso hinaus im Schatten vieler Bäume jeder Krümmung des Sile folgt, dem mit rund 95 km längsten Fluss Italiens. Zu enge Flussschleifen überbrücken massive Holzstege, auf denen das Rad nur geschoben werden darf. Wir sind im Parc Naturale Regionale del Fiume Sile. Dieser Naturpark, 1991 gegründet, wird gern als Grüne Lunge der Region bezeichnet. Man kann es kaum glauben, dass dieser liebliche Fluss früher einer der wichtigsten Wasserwege für den Warenaustausch zwischen Venedig und dem Festland war. Relikte dieser dafür benutzen Boote, die sogenannten Burci, kiellose Kähnen mit plat­tem Boden und zwei Masten, liegen heute auf dem „cimitero dei burci“, an dem der Radweg unmit­telbar vorbei führt. Streikende Arbeiter hatte sie dort vor rund 50 Jahren versenkt.

Ein ungewöhnlicher Anblick, der uns für kurze Zeit das Hungergefühl vergessen lässt, das wir seit ei­niger Zeit spüren. Wir müssen uns gedulden. Bis Musestre, wo sich der Wirt auf seine radelnden Gäste clever eingestellt hat mit verschiedenen, rasch zubereiteten Salatkombinationen. So sind wir bald wieder auf dem Rad und haben später genügend Zeit für Mestre, unserem Etappenziel.Welches Glück! Wer sagt, das sich ein Besuch dieser Stadt nicht lohnt? Wenn man auf der Viale Giuseppe Garibaldi in Richtung Innenstadt rollt, steht man mit einem Mal völlig un­erwartet auf einem weiten, herrlichen, autofreien Platz, die Piazza Erminio Ferreto, dem Zentrum der Stadt. Eingerahmt von alten Patrizier- und Geschäftshäusern verführt dieser besuchenswerte Platz dazu, länger zu verweilen, um vielleicht das historische Viertel mit der aus dem 17. Jahrhundert stammenden St.-Lo­renz-Kirche zu besichtigen, einen Rundblick vom Torre dell’Orologio zu genießen, in einem der vielen Cafes einen Cappucino zu trinken oder ein Eis „made in Italy“ zu schlecken. Unvergleichlich.

Ein Blick auf den Markusplatz in Venedig. © 2019, Foto/BU: Henno Heintz

Der aufregendste Tag folgt aber noch: Die Fahrt von Mestre auf der rund vier Kilometer langen 1933 von Mussolini eingeweihten Straßenbrücke „Ponte della Liberta“ nach Venedig. Auf einem breiten, vom Autoverkehr abgesicherten Radweg mit kleinen Nischen für Pausen, um etwas zu trinken, Fotos zu machen oder sich am Anblick der sich aus dem Dunst dieses Sonnenmorgens immer stärker abzeichnenden Gebäude zu erfreuen. Was für ein Gefühl, so dieser einmaligen Stadt langsam entgegenzuradeln! Wir fahren nicht hinein. Nein – wir steigen im Hafen Tronchetto auf die Fähre zum Lido, der Venedig vorgelagerten Insel. Die Fahrt dauert rund eine Stunde, doch was für eine Fahrt: Markusplatz, Dogenpalast, Riva degli Schiavoni, der berühmteste Kai der Lagunenstadt, und weitere touristische Highlight ziehen vorüber, ehe die Fähre am Lido ihre Gäste entlässt für weitere spannende Erlebnisse. Unseres ist die neun Kilometer lange Fahrt auf dieser langgestreckten Insel durch das liebliche Städtchen Malamocco bis zum südlichen Fähr­hafen, wo die zweite Fähre zur Insel Pellestrina wartet, eine rund zehn Kilometer lange, hauptsächlich von Fischern bewohnte Insel, von der die dritte Fähre in knapp fünf Minuten Chioggia erreicht, das wegen der vielen Kanäle an Venedig erinnert, aber bei weitem nicht diesem Massentourismus ausgesetzt ist.

„Sie dürfen nicht nach Cavarzere fahren,“ meint der Hotelmanager am nächsten Morgen, einem reg­nerischen Tag, als wir ihn nach dem richtigen Weg nach Galziano Terme fragen. Doch genau das ma­chen wir. Womit wir wieder am Anfang wären. Cavarzere, die Stadt, in die wir nicht hätten fahren dürfen – dieser Name wird uns im Gedächtnis bleiben. Ebenso Pontelongo, wo wir unseren Rad­weg wieder fanden, der uns durch das kleine, reizende Dörfchen Pontemanco nach Galziano Terme führte. Die Fahrt am letzten Tag der Rundfahrt zurück nach Vizenca ist ein reines Vergnügen. Auf autofreien Straßen, immer begleitet vom Fluß Bacchiglione, der uns das sichere Gefühl gibt, stets auf dem richtigen Weg zu sein, erreichen wir nach rund 330 Kilometern am frühen Nachmittag das Hotel, von dem wir vor sieben Tagen gestartet waren. Aber das ist noch nicht das Ende dieser Geschichte. Die endet erst an der Bar des Hotels nach der Kostprobe des besten Prosecco, natürlich aus Valdobbiadene, einem Prosecco, dessen „elegante Frische und ausgewoge­nes, feinfruchtiges Aroma“ eine Radtour abrundet, an die wir uns noch lange erinnern werden.

Reiseinformationen:

Wir buchten die Reise bei Donau Touristik GmbH, Lederergasse 4-12, A-4010 Linz/Donau, Tel.: +43 732-2080, Fax: +43 732 2080-8, E-Mail: office@donautouristik.com, www.donaureisen.at.

Die Ausarbeitung erfolgt über den italienischen Partner Girolibero, Girolibero Srl, Via Conforto da Costozza 7, I-36100 Vicenza, Freecall aus Deutschland: 08007238687, info@girolibero.de

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