Einige, vor allem die Embedded Sport-Journalisten wollen ein gutes Spiel gesehen haben, zu dem die Berliner zwei Drittel lang viel beigetragen haben sollen. Wenn ich auf LSD war, dann konnte ich Farben sehen, die waren für andere weit weniger ergreifend oder überhaupt nicht da.
Andere Berichterstatter, die sich weit weniger aus dem Fenster lehnen, sich nicht zu allem einladen lassen, Abstand halten zum zu verstehenden, zu erklärenden und zu kritisierenden Gegenstand, auch Distanz zum Duzen bevorzugen, und weit unabhängiger sind als Embedded Sport-Journalisten, wollen ein eher schlechtes, bisweilen mittelmäßiges Spiel mit durchaus starken Momenten gesehen haben. Manche Kollegen wollen keine leuchtenden NHL-Stars gesehen haben sondern verblichene. Die Nürnberger mit NHL-Erfahrungen seien über ihren Zenit hinaus und würden ihre Karriere auslaufen lassen, klagten sie. Das Spiel seien sie entsprechend langsam angegangen, hätten die Begegnung routiniert abgearbeitet und fürchterliche Fehler der Eisbären gnadenlos ausnutzten.
Viele Fehler seien vor allem bei den Berlinern zu beobachten gewesen. Gleich mehrere Böcke sollen geschossen worden sein. Die Patzer von Sven Ziegler, Henry Haase und Mark Olver, der immerhin zur 1:0-Führung für Berlin traf, seien nicht die einzigen gewesen.
Bei den Eisbären soll alles andere als eine Strategie des Gewinnens deutlich und individuelle Probleme erneut offensichtlich geworden sein. Die nötige Klasse und Konstanz würde dem Kader fehlen. Mehr Mit- als Vorläufer sollen am Freitagabend vor allem nutzlos rumgelaufen sein. Berliner Führungsspieler seien vermisst worden. Nürnberg sei effektiv gewesen, Berlin naiv.
War das wieder nur das Genörgel der Greisen auf den billigen Presseplätzen?
Keine Frage sondern Fakt: Für die Gäste aus Nürnberg erzielten Dany Heatley und David Steckel je ein Tor. Steven Reinprecht schoss sogar zwei Tore. Allesamt sind sie altgediente Spieler, die in der NHL viele Erfahrungen sammeln durften. Selbst bei nachlassender Schnelligkeit, Verzicht auf nutzloses Rum- und Mitlaufen und dadurch Laufenlassen des Gegners, also der Berliner, reichte augenscheinlich der Überblick und das übriggebliebene Maß an Schaffenskraft sowie die Leistung von Patrick Reimer, auch er traf ins Tor, sowie das Können von einigen seiner Kameraden wie Leonhard Pföderl, er traf ins verwaiste Berliner Tor, um diese Eisbären-Truppe ohne Verteidiger Frank Hördler und Angreifer André Rankel blass aussehen und baden gehen zu lassen. Und das nicht nur im letzten Drittel, sondern von Anfang an!
Petri Vehanen, der Finne im Tor der Berliner, hielt nicht nur einen Penalty (18.), sondern die Eisbären im ersten und zweiten Drittel durch gute Paraden im Spiel. Allein im ersten Drittel hätten die Gäste mehr als nur ein Tor erzielen können (müssen!), vor allem in den Spielminuten 1., 14. und 18. Viele Konter der Gäste waren gefährlich und zwar über 60 Minuten. Allerdings waren auch die Berliner, die vor allem im ersten und zweiten Drittel häufig Scheibenkontrolle ausübten, drauf und dran, Tore zu erzielen (nicht nur die gesamten ersten 20 Minuten über).
Mit dem Glück, das bekanntlich ein aparter Mix aus Können, Wollen und Dürfen ist, war für die Berliner spätestens nach dem 2:1 Schluss. Nach dem erneuten Ausgleich und vor allem nach dem Führungstor der Franken konnten, wollten und durften die Eisbären nicht mehr. Aus dem Drama wurde ein Desaster.
Im letzten Drittel wandelte sich die Tragödie von Ansprüchen und Wirklichkeiten unter den Scheinwerfern der hohen Halle an der Spree zur Farce. Beim Schauspiel blieb die Vorstellung bis zum bitteren Ende, aber ihr immer mehr Zuschauer fern.
Anschließend waren Wutausbrüche und Schmährufe zu hören. Schönreden auch. Schönschreiben war angesagt und ist zu lesen.
Wir beim Weltexpress sind keine Embedded Sport-Journalisten. Wir können das schreiben, was wir wollen. Das dürfen wir und dabei bleiben wir.
Bleibt es bei der erneuten Talfahrt der Eisbären oder folgt nach Pfui Hui? Sehen wir wieder tolles Theater in Berlin? Am Sonntagabend nach dem Heimspiel gegen Freezers aus Hamburg wissen wir mehr.