Glosse zur Posse um die erste Sitzung der Satzungskommission – Serie: CTOUR oder Vom Ostpott zum Geisterschiff (Teil 3)

Sie erwarten an dieser Stelle meinen Artikel über den ersten der drei Ankläger der außerordentlichen CTOUR-Mitgliederversammlung vom 3. November 2011, die einem Geheim- und Schauprozeß glich. Doch auch diese kafkaeske Veranstaltung von und mit Sonnyboy Hans-Peter Gaul wird jeder besser verstehen, wenn er mehr von der Vorgeschichte, die ich – keine Frage – aus meiner Sicht erzähle, kennt.

Der Anfang vom Ende beginnt mit den letzten Sätzen aus dem CTOUR-Report Nr. 98. Dort lesen wir, daß der Vorstand von CTOUR sich am 8. Juni auf seiner turnusmäßigen Sitzung mit der Diskussion auf der internen Clubveranstaltung vom 31. März befasst hat. Aha. Über zwei Monate vergingen, bis sich der Vorstand mit den dringenden Problemen befaßte. Immerhin tat er das, doch Genaueres wissen wir nicht, denn ein Protokoll auch über diese Vorstandssitzung lässt sich nirgends finden oder bekommen. Die telefonisch eingeholten Aussagen von Vorstandsmitgliedern sind hingegen so widersprüchlich, dass wir am Ende würfeln könnten, welche die bessere, weil glaubhaftere Variante dessen, was der Vorstand angeblich diskutierte und beschloss, sein soll.

Immerhin dürfte klar sein, daß der Vorstand festlegte, „das Statut“, also die Satzung, zu überarbeiten. Und jetzt zitiere ich genüßlich: „Hierzu sind Anregungen und Vorschläge gefragt.“

Hört, hört. Der Vorstand legt in welcher Besetzung und mit welchem Abstimmungsergebnis auch immer fest, was wir Reformer seit Monaten immer wollten und seit Wochen taten, nämlich die Satzung überarbeiten. Zudem fragt er nach Anregungen und Vorschlägen. Volle neun Wochen nachdem das Diskussionspapier „Frischer Wind für CTOUR“ mit 23 Punkten voller Anregungen und Vorschlägen für eine neue Satzung dem größten Teil der rund 100 CTOUR-Mitglieder per Email zugestellt wurde, reagierte das System Gaul. Diese Reaktion ist so absurd, als würde ein frisch gebackener Vater beschließen, die Mutter seines Kindes geschwängert zu haben. Doch das ist Gaul und das ist nicht lustig.

Der Herr und sein Hof wollten nämlich weder frischen noch überhaupt Wind und taten so, als sei Flaute, als sei nichts geschehen. Sie ignorierten und sie verkündeten, „eine siebenköpfige Kommission“ zu bilden, „der neben Vorstandsmitgliedern auch aktive CTOURisten angehören“ sollten. Vollmundig wurde verlautbart, daß „überarbeitete Clubstatut ”¦ im Frühherbst allen Mitgliedern per Rundbrief zur Kenntnis“ geben zu wollen, daß „auf der Jahreshauptversammlung am 3. Dezember 2011 diskutiert und entschieden werden könne.

Papier ist geduldig und Gaul kann es auch sein, wenn nötig. Wieder dümpelte der Ostpott vor sich hin, rostete. Wieder geschah wochenlang augenscheinlich wenig. Dann mailte Helga Ernst-Grabow, von der ich bis dato noch nie etwas gehört und gesehen hatte und verkündete, „es übernommen zu haben, die Mitglieder der Satzungskommission einzuladen.“

Unter einem Gutsherrn ist es gang und gäbe, daß weder diskutiert noch gewählt sondern bestimmt und delegiert wird. Ohne eigenes Zutun war ich offensichtlich zum Mitglied der Satzungskommission geworden. Toll. Zeit und Ort des ersten Treffens standen fast fest, ich solle nicht mitberaten wann und wo wir uns konstituieren, ich solle mir einen der beiden Termine aussuchen.

Ich antwortete der Dame per Email mit den Worten, daß ich in Ägypten sei und nicht könne. Das sei aber nicht weiter schlimm, denn „als Du überlegtest, etwas zu übernehmen, haben wir etwas unternommen. Unsere größer werdende Reform-Gruppe, die "frischen Wind für CTOUR" wünscht, erarbeitete eine eigene, nunmehr fast fertige neue Satzung für unsere Mitgliederversammlung im Dezember und einen eigenen Vorschlag für die Tagesordnung.“

Dann stellte ich Fragen: „Welche Mitgliederversammlung hat Dich als Einladende zur Satzungskommission demokratisch gewählt? Dazu war ich offensichtlich nicht eingeladen. Was ich zudem wissen möchte sind die Kriterien, nach denen zur Satzungskommission eingeladen wird. Nach meinen Informationen wurden längst vor mir CTOUR-Mitglieder angefragt, die absagten. Jetzt fragst Du mich. Offensichtlich bin ich zweite Wahl. Wer möchte das schon sein, wenn es um so wichtige Themen geht?“

Zudem teilte ich mit, daß mir „das Verfahren ”¦ aus meiner Sicht nach Gutsherrenart … undemokratisch und moralisch verwerflich“ sei und daß „unser Satzungsvorschlag solche Willkür nicht mehr zulassen“ werde. Meine Antwort mailte ich übrigens an Dutzende CTOUR-Mitglieder, von denen ich mittlerweile Emailadressen gesammelt hatte, denn das, so sagte ich mir, ginge alle an.

Auch einer der üblichen Rundbriefe, die vom CTOUR-Vorstand durchs Weltnetzt gejagt werden, kam beim WELTEXPRESS an. Der Inhalt: „Die vom Vorstand vor der Sommerpause berufenen Mitglieder der Statuten-Kommission (Hela Ernst-Grabow, Bernd Siegmund, Fred Hafner, Stefan Pribnow, Hans-Gert Schubert, Rudolf Hempel und Michael Juhran) kommen im September zu ersten Beratungen zur Überarbeitung unseres Statuts in Vorbereitung auf die Jahreshauptversammlung am 3. Dezember zusammen. Ende Oktober soll ein Entwurf des überarbeiteten Status allen Mitgliedern übermittelt werden. Mitglieder können sich mit ihren Vorschlägen, Hinweisen und Anregungen in Sachen Statut jederzeit an Vertreter ihres Vertrauens aus der Statutenkommission wenden.“

Der letzte Satz fand Eingang in die Formulierung, weil sich Mitglieder darüber beschwerten, daß sie – wieder einmal – übergangen wurden. Aber immerhin reagierte der Vorstand mit diesem Hinweis.

Ich kehrte früher als gewollt aus Ägypten zurück (und auch darüber wird noch zu sprechen sein) und erschien nach mehrfacher Bitte – auch von Gaul – zur ersten Sitzung der Satzungskommission, obwohl ich wenig Lust verspürte, denn ich ahnte, bei dieser Besetzung gegen Wände aus Gummi anreden zu müssen.

Der Gutsherr, um den Zusatz „in eigener Sache“ geflissentlich zu unterdrückend, war selber im Berliner Hotel Abacus, um mich auf seine kumpelige Art und Worten über „das akademische Viertel“ cum tempore zu begrüßen und mich in den Sitzungssaal zu begleiten. Dort saß sie: Gauls graue Truppe. Die aufsässigen Alten, die alle arg auf die 80 zugehen, wollten über die Zukunft von CTOUR, also über die Zukunft meiner CTOUR-Generation der 60er Jahrgänge und einer Hand voll noch jüngerer Mitglieder aus den 70ern des vorigen Jahrhunderts, bestimmen. Lächerlich wirkte das nicht nur auf den ersten Blick.

Offensichtlich wartete Gauls graue Garde nur noch auf mein Erscheinen. Ich setzte mich neben Everybodies Darling, der sich neben Hans-Gert Schubert setze. Bernd Siegmund und Helga Ernst-Grabow saßen mir gegenüber.

Daß die beiden Betonköpfe Hempel und Schubert sich nicht entblödeten, die freundliche Fratze seniler Provenience fallenzulassen, um ihr stalinistisches Repertoir runterzulaiern, damit konnte niemand rechnen, sonst wäre zum Schau- und Possenspiel an dem sich der einige Minuten später eintrudelnde Klaus George, auf den offensichtlich niemand unbedingt warten wollte und der sich mir gegenübersetzte, Publikum gekommen.

Eine Viertelstunde brauchte Gaul, um die Runde zu zügeln, die schon mit den Hufen scharrte. Dieses Mal jedoch redete er nicht um den heißen Brei sondern sagte erstens, daß bis zur Mitgliederversammlung am 3. Dezember 2011 keine neuen Mitglieder aufgenommen werden, und zweitens, daß über diese „Sitzung der Satzungskommission“ Stillschweigen zu halten sei. Er wußte wie wir alle von zwei Aufnahmeanträgen zweier Frauen, die vor allem echte Journalistinnen sind. Und alle wußten, daß diese beiden Kolleginnen nicht nur zu den wenigen wahren Journalisten des CTOUR sondern auch zum Reformflügel gehören würden.

Brav wie bieder nickte der Hof. Ich widersprach. Mit den Worten der einem journalistischen Eid gleichkommt, nämlich daß ich nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht hätte, die interessierte Öffentlichkeit zu unterrichten, um allen anschließend zu versichern, daß ich gegen den diktatorischen Duktus protestieren und gegen die Ankündigung, keine Mitglieder aufnehmen zu wollen, Rechtsmittel einlegen werde, hauchte ich dem Oberkommando des Ostpotts Leben ein.

Kaum verklangen meine Widerworte, ließen sich die Kettenhunde von der Leine. Während der Gutsherr schweigend das Feld verließ, keiferten seine Getreuen. Speichel spritzte. Schubert gab wie einst beim FDJ-Organ junge Welt den Einpeitscher und faselte von „feindlicher Übernahme“. Er warf mir als Vertreter der langsam aber sicher größer in Zahl und gewichtiger in Persönlichkeiten wachsenden RefoOrm-Gruppe „Frischer Wind für CTOUR“ vor, nicht konstruktiv zu sein. So, so

Offenkundig hatte Gaul, der diese Satzungskommission zusammenstellte, den Bock zum Gärtner gemacht. Wollte er das so oder wußte er dies nicht besser? Wie auch immer, beide Basisbanalitäten sind weitere Fehler seiner ins die Jahre gekommenen Herrschaft, die er, das sei ihm geraten, würdig voranschreitend statt in elendigen Rückzucksgefechten verbissen begehen sollte. Doch offensichtlich ist auch ihm, dem Kind der „Roten Kapelle“ des DDR-Journalismus, nicht gegeben, was Honecker und anderen Hornochsen ebenfalls mißgönnt war: das Hören der Zeichen der Zeit.

Wenige im 100 Stimmen starken Club der Reisejournalisten, von dem die meisten zwar gerne reisen, wenn sie dürfen, doch nicht mehr journalistisch arbeiten können, würden Hans-Peter Gaul keinen guten Abgang wünschen. Doch wenn der Schönsprecher von der Schaubühne getragen werden will, dann wird er gestürzt werden müssen. Ansonsten wäre ein neuer Anfang nichts weiter als Wein in alten Schläuchen. Den sollte diese Sitzung der Satzungskommission offensichtlich umfüllen und damit kein Tropfen den bitteren Geschmack veredeln würde, heulte nun auch Klaus George mit den Wölfen. „Du sollst gehen, Du bist destruktiv“, geiferte er mir entgegen. Er schrie so laut er konnte. Ich brüllte nicht weniger laut zurück.

Parteisäuberungen zu für auch ihn offensichtlich seeligen DDR liefen zumeist stiller und dennoch schauerlicher ab. War er altersmilde oder was war los? Die stalinistische Betonfraktion hatte bald ihr Pulver verschossen, die Alten waren heiser und wollte sich ranmachen, die nicht weniger alte Satzung aufzuhübschen. Nach anfänglichem Klotzen kleckerten die Reaktionäre nun wie die kleinen Kinder antiautoritärer Postadoleszenten. Sie wollten die aktuelle Satzung Schritt für Schritt durchgehen. Ich wollte sie erst noch einmal lesen.

Das fand Hempel so lustig, daß er erneut zeigte, welch Geistes Kind er ist. Im Brustton eines NVA-Offiziers der zum Todesschuß einschwört warf er mir vor, die Satzung nicht zu kennen. Daraufhin bat ich diesen Teil der Truppe der Aufnahmekommission, doch allen Anwesenden Paragraph 7 vorzutragen und zu interpretieren.

Selbst eindringliches Insistieren auf eine Antwort lies den Rotzlöffel der Roten Garde mit Schamesröte schweigen. Erwischt. Niemand wußte, worüber er sprechen wollte. Weder er noch die anderen wußten wirklich, worüber sie diskutieren, was sie kritisieren wollten, um das Falsche zu verbessern.

Doch das war bekanntlich nicht deren Ziel. Das Ziel ist, dem 20 Jahre währenden System Gaul das Gnadenbrot zu geben. Nichts soll sich ändern.

Oder alles! Dies war meine Position und so sagte ich zu jedem Paragrafen Nein. Dafür legte ich eine bereits veraltete Fassung eines Gruppen-Antrages zur Tagesordnung für die kommende Mitgliederversammlung vor (1).

Veraltet? Richtig, denn weitere CTOUR-Mitglieder wünschen nicht mehr ein weiter so. Sie wollen Reformen, sie wollen frischen Wind für CTOUR. Einige der Reformer ergänzten den von mir in seiner Erstfassung formulierten Antrag und verbesserten ihn zur zu dem Zeitpunkt vierten Fassung.

Einen Tag nach der ersten Sitzung der Satzungskommission notierte ich: „Schluß mit den stalinistischen Stasimethoden  der bröckelnden Betonfraktion. Jugend voran! Für eine offene Gesellschaft, für einen offenen, freiheitlichen und freigeistigen Club der Reisejournalisten. Schluß mit den miesen Machenschaften der EX-NVA-, Ex-Stasi- und Ex-HVA-Offiziere. Schicken wir die Ex-Propaganda und -Agitationskader, die auf den Schleimspuren ihres Aftergangs zu den PR-Agenten fallen wie reife Früchte, nur um auf Kaffeefahrten Wärmedecken abzugreifen, in die Altherrenliga. Bei den Profis haben diese Poststalinisten nichts zu suchen. Schande über diese heuchelnden Hofberichterstatter!

Für kritischen Reise-Journalismus, für Offenheit, Wahrheit und Klarheit!

In den kommenden Tagen und Wochen bis zur Mitgliederversammlung am 3. Dezember 2011 sind wir alle, sind sämtliche CTOUR-Mitglieder und solche, die es werden wollen, aufgerufen, für demokratische Informations- und Entscheidungsprozesse zu kämpfen.

Wir werden unser Wissen und unsere Weisheit in die Waagschale legen, um die Entscheidung zwischen den Reformkräften und den Reaktionären zu gewinnen.“

Doch die Gegner richtiger Reformen legten endlich los und an, als würde Erich Mielke noch Herr in der Hauptstadt sein.

Anmerkungen:

(1)   WELTEXPRESS dokumentiert diese Fassung des Gruppenantrages zur Tagesordnung für die ordentliche CTOUR-Mitgliederversammlung am 03.12.2011.

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