Geistreiche Lektüre – Das Kultmagazin „Spirit – Ein Lächeln im Sturm“ feiert sein 25-jähriges Jubiläum

„Spirit“ sind gleich zwei: zum einen ist „Spirit – Ein Lächeln im Sturm“, so der vollständige Titel. Das „Lächeln im Sturm“ beschäftigt sich seit 1984 mit Künstlern aller Metiers, von Film bis Musik, von Literatur bis Bühne, lebenden und verstorbenen. „Spirit“ ist ebenso Herausgeber, Autor, Journalist und führender Kopf des Magazins Marc Hairapetian. Sein Magazin „Spirit“ hat ein beeindruckendes Repertoire an künstlerischen Referenzen und wird nun 25 Jahre alt. Das ist an sich jung, aber auf dem inflationären Magazinmarkt ehrwürdig alt. Gemessen an den 41 Jahren des Herausgebers Marc Hairapetian ist es sogar sehr alt. Mit 16 Jahren rief der Journalist, Buchautor, gelegentlich Fernsehdarsteller, Publizist oder einfach „Spirit“ sein Magazin ins Leben. Der Name ist inspiriert von dem gleichnamigen Comiccharakter Will Eisners. Sogar ihm konnte der „Spirit“ Marc Hairapetian ein Interview entlocken – Will Eisner, nicht dessen Superhelden Denny Colt. Das zu Beginn als Printmedium erscheinende Magazin „Spirit – Ein Lächeln im Sturm“ des in Berlin lebenden Journalisten mit armenischen Wurzeln avancierte durch exklusive Interviews, Film- und Literaturreportagen zum Kultheft.

Franz Werfels Zitat, in der Kindheit und im Traum seien wir alle Dichter, steht über der Internetseite des „Spirit“ als Motto. „Leben heißt, sich mitteilen.“, sagte Werfel ebenfalls. Die Fähigkeit des „Spirit“ – sowohl des Magazins als auch dessen rastlosen Geistes Marc Hairapetian – geht über das Sich Selbst Mitteilen jedoch weit hinaus. Er ermöglicht internationalen Künstlern, aus sich herauszugehen und in den umfangreichen Interviews eine dem Publikum unbekannte Seite zu enthüllen. Die ausführlichen Gespräche erinnern mehr an eine Unterhaltung unter Bekannten, als an sterile Befragungen. Der chinesische Regisseur Wong Kar-Wei, Elia Kazan, Sir Peter Ustinov, Robert De Niro, Sally Potter, Billy Wilder, Gregory Peck, Hanna Schygulla, Hugh Grant – nein, jetzt reicht es! Wer noch mehr prominente Namen und die Persönlichkeiten dahinter entdecken will, soll selbst auf der Website schmökern. Es lohnt sich. Wie das Magazin ist sie in unaufdringlichem Schwarz-Weiß gehalten. Der Inhalt des „Spirit“ spricht für sich und benötigt keine grelle Aufmachung.

„Wenn ich die Auswahl hätte, eine Kritik zu schreiben oder ein Interview mit einer Person zu machen, würde ich zu 99,9 Prozent sagen: ich mache das Interview. Weil ich einfach den Menschen, der hinter dem Film steht, sprechen, besser kennen lernen und verstehen möchte.“, verrät Marc Hairapetian auf seiner Website. Blondie-Sängerin und Schauspielerin Debbie Harry lehnte Bild, Spex???? und Spiegel ab, um sich lieber vom „Spirit“ befragen zu lassen. Dem auf der diesjährigen Berlinale mit einer Retrospektive geehrten Filmkomponisten Maurice Jarre traf „Spirit“ wenige Tage vor der Preisverleihung. Maurice Jarres Tod kurze Zeit später machten dieses dritte Gespräch zum letzten zwischen Hairapetian und dem Komponisten. Jack Nicholson verriet gegenüber Hairapetian, dass er den österreichischen Schauspieler Oskar Werner verehrt. Darin sind er und der „Spirit“ gleichen Geistes. Demnächst wird Marc Hairapetians Oskar-Werner-Biografie „Genie zwischen Tag und Traum“ erscheinen.

Bei der Arbeit ist Marc Hairapetian mit ganzer Seele. Und das doppelt. Ein „Jekyll und Hyde“-Pendant ist der Autor nicht, auch wenn er die Kinofassung des Regisseurs Rouben Mamoulian (Armenier!) der Stevenson-Novelle lobt. Redaktionshund Hokis, dessen Name auf Armenisch „meine Seele“ bedeutet, begleitet den Journalisten fast überall hin. Im Vertrauen, beim Treffen mit dem Spirit war es Hokis, der zuerst mit einem leisen Wuff grüßte. Und dann kam man ins Gespräch über „Spirit – Ein Lächeln im Sturm“, durch dessen Website man sich mittlerweile geklickt hatte, und Filme, Künstler, Bücher”¦  und fragte sich, warum man dieses ungewöhnliche Magazin nicht schon vorher entdeckt hatte. Trotz der Fülle an Interessantem endete die „Spirit“-Lektüre mit einer Frage: Warum musste ein hochqualitatives Kunst- (um die Spannweite des Inhalts in Interviews, Rezensionen und Berichten in einem Wort zusammenzufassen) Magazin wie „Spirit – Ein Lächeln im Sturm“ aus dem Druck gehen? Vielleicht hängt es damit zusammen, dass von der Käuferschaft mehr auf die Hülle geachtet wird als auf den Inhalt, mehr auf reißerische Schlagzeilen als intelligente Anspielungen, mehr auf enthüllende Schnappschüsse als auf seriöse Gespräche. Ausgestorben ist die Klientel für besondere Interessengebiete in Kunst, Kultur und Gesellschaft jedoch nicht.

2003 erlebte der „Spirit“ eine Auferstehung als Onlinemedium. Für Verehrer des klassischen Schwarz-Weiß-Heftes ist das ein schwacher Trost. Aber ist nicht Denny Colt, DER Spirit, ein von den Toten zum Heldentum Auferstandener? „Während die letzte Bahn durch die schlafende Stadt rattert, jubelt die Unterwelt: Der Spirit ist tot!. Doch keine Bange: Sie werden sehen, dass selbst der Tod den Spirit nicht aufhalten kann.“ Also auf weitere 25 Jahre!

www.hairapetian.de
www.spirit-fanzine.de

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