Eingebunden! – Zum Film „Corsage“ von Marie Kreutzer

Eine Szene aus dem Anti-Heimat-Sisi-Film "Corsage" mit Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth. Der eine zum Regieren, die andere zum Repräsentieren. © Alamode Film

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Plätschern ist zu hören. Majestät taucht in einer Badewanne in Wien im Dezember 1877. Waren es 40 Sekunden oder 71? Anschließend wird geschnürt und gemessen. Dann wird dünne Suppe gelöffelt und ein bekanntes deutsches Lied mit „Heil Franz Joseph, heil Elise“ gesungen. Der Spielfilm von Marie Kreutzer aus dem Jahr 2022 mit dem Titel „Corsage“ gilt zwar als Historiendrama, ist aber ein Film über die gealterte Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn (gespielt von Vicky Krieps).

Der Film zeigt Elise bei Hof und bei Laune. Sie die am 24.12.1837 in München als Elisabeth Amalie Eugenie von Wittelsbach, Herzogin in Bayern geboren wurde, war eine Prinzessin aus der herzoglichen Nebenlinie Pfalz-Zweibrücken-Birkenfeld-Gelnhausen des Hauses Wittelsbach, durch ihre Heirat mit ihrem Cousin Franz Joseph I. ab 1854 Kaiserin von Österreich und ab 1867 Apostolische Königin von Ungarn. Ihre Geschwister nannten sie Sisi. Als solche ist die Elise seit den Ernst-Marischka-Filmen einem Millionen-Publikum auch als Sissi bekannt. Sie wurde am 10.9.1898 in Genf, Schweizer Eidgenossenschaft, ermordet.

„Hoch soll sie leben und schön soll sie bleiben…“ wird bei einem Geburtstagsessen gesungen. Doch die Schönheit ist vergänglich. „Ein Mensch von 40 Jahren löst sich auf, verfärbt sich, verdunkelt sich wie eine Wolke“ erklingt es aus dem Hintergrund, bevor Majestät eine Irrenanstalt besucht, wo das Baden und die Elektrizität anscheinend an Bedeutung zunehmen. Während sie mit ihren Hunden schläft, schlafen die Verrückten in Gemeinschaftsschlafzimmern oder in Einzelhaft. So war das damals.

Und irgendwann sagt der Sohn der Mama, daß sie das Kind sei, weil sie nicht an ihre Rolle denke, sondern ihrer Lust und Laune nachgebe. Auch diese Szene ist wie alle von Ruhe und Bedächtigkeit gekennzeichnet.

Wo auch immer Elisabeth auftaucht, sie wird als relativer Freigeist und Lebefrau gezeigt, die sich nur widerwillig einbinden läßt, als eine Frau mit Macken und Kanten, die in einer eigenen Welt lebe. In der anderen habe sie zu repräsentieren, Franz Joseph zu regieren.

Majestät wird von ihrem Hofarzt zu einem Schuß Heroin geraten. Fortan wird gedrückt, irgendwann auch noch ein Anker tätowiert und von Bord gegangen.

Nein, von einem Spannungsbogen kann dennoch keine Rede sein, eher von einer Abfolge eines Lebens in einem Jahr, dem von 1878, der im Dezember 1877 beginnt. Immerhin wird der Versuch von Vicky Krieps zusammengehalten, die recht sinnlich und gleichzeitig geheimnisvoll, launisch aber nicht gerade mit natürlicher Autorität ab und an auch um kaiserliche Strenge bemüht scheint. Keine Frage, dieser Sisi-Film ist gänzlich anders und vermittelt ein vielschichtigeres Porträt einer Person der Zeitgeschichte. Mal etwas anderes als Romy Schneider als Prinzessin Elisabeth mit Karlheinz Böhm als Kaiser Franz Joseph in einem eher anspruchslosen und dennoch gefühlvollen Heimatfilm mit Kitsch und Klischees. Melodram und Märchen ist der Film von Marie Kreutzer nie und nimmer. Sie wird damit weder den Tourismus noch die Kinokassen ankurbeln. Eine korrekte Biografie sieht auch anders aus, aber ein gewisses Psychogramm samt Huldigung der Herrin, die authentisch wirkt und echt, ist nicht zu übersehen. Kreuzer läßt Sisi baden, rauchen und reiten, turnen und fechten, in Ohnmacht fallen und doubeln. Pomp und Prunk sind Mangelware, Tristesse blüht und das Verblühende. Das ist nicht falsch, aber auch nur eine Sicht der Dinge, die Kaiserin Elisabeth als relativ frei und unabhängig und dennoch als „eingebunden“ zeigt.

Filmographische Angaben

  • Originaltitel: Corsage
  • Staat: Österreich, BRD, Luxemburg, Frankreich
  • Jahr: 2022
  • Originalsprachen: Englisch, Französisch, Deutsch, Ungarisch
  • Regie: Marie Kreutzer
  • Drehbuch: Marie Kreutzer
  • Kamera: Judith Kaufmann
  • Schnitt: Ulrike Kofler
  • Musik: Camille
  • Ton: Alain Goniva, Angelo dos Santos,
  • Kostüm: Monika Buttinger
  • Produktion: Alexander Glehr, Johanna Scherz
  • Darsteller: Vicky Krieps (Kaiserin Elisabeth), Florian Teichtmeister (Kaiser Franz Joseph), Katharina Lorenz (Marie Festetics), Colin Morgan (Bay Middleton), Jeanne Werner (Ida Ferenczy), Alma Hasun (Fanny Feifalik), Manuel Rubey (Ludwig II.), Aaron Friesz (Kronprinz Rudolf), Finnegan Oldfield (Louis Le Prince), Alexander Pschill (Georg Raab), Raphael von Bargen (Konstantin zu Hohenlohe-Schillingsfürst), Tamás Lengyel (Gyula Andrássy), Alice Prosser (Anna Nahowski)
  • Länge: 112 Minuten
  • Altersfreigabe: FSK 12
Vorheriger ArtikelGlück gehabt und Recht bekommen – Richter des Bundesverfassungsgerichtes heben Urteil von Richtern des Bundesgerichtshofes gegen Eisschnelllauf-Star Claudia Pechstein auf
Nächster ArtikelLäuft! – Haushaltsüberschuß in der Russländischen Föderation