Eine Zensur findet NICHT statt!?? – Serie: Auftaktpressekonferenz zur 61. Frankfurt Buchmesse vom 14. bis 18. Oktober (Teil 1/3)

Vorschau-Pressekonferenz am 10. September 2009 im Literaturhaus Frankfurt. Geschäftsführer Juergen Boos

Erst einmal führte Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, anhand von „fünf Fakten“ in die essentiellen Grundlagen der diesjährigen Buchmesse ein, die er dann mit den konkreten Ereignissen verwob. Bedeutendste und wichtigste Überschrift bildet der Satz „Nichts bleibt, wie es ist. Alles wird anders.“ (Fakt 2) Was jedoch bleibt ist die Buchmesse selbst, die sich als das „Netzwerk der Branche“ versteht und Jahr für Jahr kleine und große Verlage aus allen Teilen der Welt an einen Fleck der Erde zusammenführt. Neu angekommen in diesem Netzwerk sind – wie schon beschrieben – die neuen Ideen und Geschäftsmodelle der digitalen Welt, in der auch Myspace, Musik, Videos und anderes eine Rolle spielen. Aus diesem Grund sei die Buchmesse 2009 sicherlich auch die bisher experimentierfreudigste, es werden viele neue Möglichkeiten vorgestellt, welche davon sich durchsetzen werden, kann heute jedoch noch niemand sagen. Auch wird neben dem „Forum Film & TV“ dieses Jahr erstmalig auch die Spiele-Industrie an der Buchmesse teilnehmen, was zur „Film &Media Forum“ führt, denn „Nur wer sich verändert, bleibt lebendig.“ (Fakt 4)

Damit nahm Boos Bezug auf seinen Fakt 3: „Alle dürfen und können alles ausprobieren.“ Was doch eigentlich antiautoritär klingt, bedeutet in Buchmessensprache, daß der Einbezug der „Creative Industries“ dazu führt, daß niemand weiß, was kommt. Der Donnerstagnachmittag der Buchmesse wird dann zeigen, was wirklich kommt. Neu ist auch, daß die bisher verstreuten Angebote zum Schwerpunkt „Zukunft Bildung“ in Halle 4.2. versammelt sind. Der Weltexpress wird die Bildungsbemühungen der Buchmesse zusammen mit dem Film und neuen Medien gesondert darstellen (Teil 2/3), genauso wie den Schwerpunkt China beim Gastauftritt auf der Buchmesse und dem Symposium vom kommenden Wochenende (Teil3/3).

Pressesprecher Thomas Minkus zeigt sich angesichts der Zahlen fünf Wochen vor Messebeginn sehr zuversichtlich. Man erwarte ein sehr gutes Ergebnis, gerade aufgrund der vielen Neuerungen und dem Ausbau von Service und Angebot. Die Zahl von 6936 Ausstellern aus 100 verschiedenen Ländern kann sich durchaus sehen lassen, da wundert es wenig, daß die Hallen 3 und 4 bereits restlos ausgebucht sind. Allerdings sind das nur vorläufige Zahlen, fast täglich kommen neue Anmeldungen sowie Absagen per Post und E-Mail. Doch auch vor der Buchmesse macht die Wirtschaftskrise nicht Halt: Im Vergleich zum letzten Jahr ging die Zahl der osteuropäischen Aussteller zurück, aber auch aus den englischsprachigen Regionen ist der Andrang etwas verhaltener, die Aussteller seien „insgesamt vorsichtiger geworden.“ Einen kleinen Boom erleben daneben aber die Verlage aus Südamerika, während die lateinamerikanische Literatur seit den Siebzigern eine feste Größe ist, waren es die Verleger nicht, deren Zahl sich nun ständig auf der Buchmesse steigert.

Hauptdiskussionspunkt blieb jedoch die Auswirkungen der Zusammenarbeit der Buchmesse mit enem Land wie China, das hinsichtlich der Frage der Menschenrechte erst am Anfang steht, weil noch zu viele Verletzungen dieser in China passieren. So galt eine Frage dem Verbleib des früheren chinesischen P.E.N.-Präsidenten Liu Xiaobo, der seit inzwischen acht Monaten gefangengehalten wird, ohne daß eine Anklage erhoben wird. Der Weltexpress hatte darüber schon zweimal berichtet. Juergen Boos erwiderte, daß man von niemandem dazu Auskunft erhalte und er nur sagen könne, daß schon von höchster Ebene aus versucht wurde, den Verfolgten frei zu bekommen. Peter Ripken, der für die Buchmesse das China-Symposium vorbereitet, stellte die Grundsatzfrage nach der bestmöglichen Form der Einflußnahme auf chinesische Entscheidungen rund um das Buch und die Schriftsteller. Wie hilft man jemandem mehr, durch Schweigen oder durch Protestieren. Gleichzeitig wissen alle, daß die Chance, die Weltöffentlichkeit auf den Umgang Chinas mit seinen Schriftstellern kritisch anzusprechen und deren Situation zu erleichtern, die nächste Zeit nie wieder so zentral gestellt werden kann wie auf dem Gastlandauftritt Chinas auf der Frankfurter Buchmesse 2009.

Peter Ripken gab auch Auskunft, in welcher Form man die von China zum Symposium nicht gewollten und von der Buchmesse ausgeladenen Bei Ling und Dai Quing in die Buchmessenaktivitäten einbinden könne. Denn anders als das Symposium, das mit Kooperationspartnern zusammen auch von gegenseitiger Akzeptanz abhängig sei, weshalb die Buchmesse notgedrungen die Ausladung der zwei Chinesen durchführte, sei die Buchmesse frei.

Juergen Boos hatte mit einem Statement zur Freiheit des Wortes und der Freiheit der Person ohne Zensur sowie der Bücher ohne Zensur die Pressekonferenz begonnen und endete damit. Für ihn stellt sich die Frage der Verletzung der Menschenrechte im Rahmen der Buchmesse nicht, da diese grundsätzlich frei sei und jeder Verlag, auch die Buchmesse selber, Veranstaltungen mit den Leuten anbieten könne, die sie zu Wort kommen lassen wolle. Nur insofern war es ihm keine Notwendigkeit, die Freiheit des Wortes und das Verbot von Zensur extra zu betonen. In Übereinstimmung mit dem Vorsteher des Deutschen Börsenvereins, Gottfried Honnefelder und den Statuten der Buchmesse betonte er, daß jeder Mitarbeiter der Buchbranche sowieso für die Menschenrechte sowie die Freiheit des Worts eintritt und eintreten müsse. Zudem verwies er darauf, daß gerade die Buchmesse ein Paradebeispiel für die Freiheit des Worts sei, denn eine Zensur oder Kontrolle der Journalisten sowie vor allem der Gäste findet nicht statt und ist auch gar nicht möglich. Wie sich die dazu andere Einstellung des chinesischen Regimes auf der Buchmesse materialisiert, wird sich weisen. Wir berichten.

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www.buchmesse.de

Das komplette Programm der Frankfurter Buchmesse 2009 auf

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