Eine Klamotte bis Cairo und dann kommt auch noch Mark Twain oder Die Abenteuer des Huck Finn

Das biedere Dreierlei in Weiß mit Vorzeige-"Nigger Jim" wird nur aufgebrochen, wenn mit Tom Sawyer die Versuchung vor der Tür steht. Dann kehrt Huck dem Haus den Rücken und nimmt reißaus. Beide Buben überziehen das Dorf am Mississippi mit ihren Streichen, bis eines Tages in diesem Wild-West-Idyll der Vater von Finn auftaucht und das bunte Treiben durchbricht.

Mit Alkohol im Atem und Dollarzeichen im Auge führt der Alte Finn Böses im Schild. Er will an den Schatz, den sein Sohn mit Freund Tom im ersten Teil fanden. Erst flüchtet Huck vorm Vater und Feudalem, dann flüchtet Jim in die Freiheit. Dem Duo, das durch Dick und Dünn geht und auf einem Floß den Mississippi bis nach Cairo treibt, folgen der Fiesling Finn und sogenannte Sklavenjäger. Diese Trümmertruppe aus Väter der Klamotte wird angeführt von Henry Hübchen, pardon, von Sklavenjäger Packard und treibt es turbulent.

Was in den ersten Bildern noch wie ein Italo-Western wirkte, rutscht nun Richtung Klamauk. Lustige Komödianten mit rauchenden Colts reiten den Fluß runter und bis Cairo reiht sich eine Kurzkomik an die nächste im flotten Wechsel mit düsteren Darbietungen. Vom Glucksen zum Gruseln und zurück wechseln die Gefühle der getreuen Zuschauer während sich die Wege der Gefährten auf der Leinwand kreuzen und queren. Nur bei dem Onkel als Tante, die Rede ist von Kurt Krömer in Frauenkleidern, will keiner kichern. Beim Amblick von Blut muß aber jemand weinen.

Als sich auf einem Dampfer noch ein Doktor als Mark Twain dazugesellt, er also in seiner eigenen Erzählung erscheint, ist der Streifen vollends am Ende. Sehen wir das Finale des Films, der weder die Kurve kriegt noch den Faden verliert, als eine unbeabsichtigte Homage an die Schlußszene mit Dick und Doof. Wir erinnern uns wie der Schauspieler Andy Clyde aus einem Backofen fällt, übergeblendet wird auf den Schauspieler Billy Gilbert mit Nudeln auf dem Kopf und der nur noch sagt: "schööön".

Schön ist der Huck-Finn-Film, schön schräg und echt anders als der Tom-Sawyer-Film, somit keine klassische Fortsetzung, wenn auch daran anknüpfend.

Dabei setzten Macher des neuen Films auf Altbewährte. Boris Schönfelder ist der Produzent und Hermine Huntgeburth die Regisseurin. Der 15-jährige Leon Seidel spielt wieder den Huck, und Louis Hoffmann in den wenigen Szenen zu Beginn und am Ende der Lach- und Guckgeschichten Tom Sawyer. Auch Heike Makatsch ist wieder als Tante Polly dennoch nur am Rande dabei. Peter Lohmeyer spielt wieder den Richter Tatcher. Das Drehbuch schrieb wie beim Tom Sawyer-Film wieder Sascha Arango. Das müßte ja wieder so gut gelingen, wie beim ersten Mal, voller Sapnnung und Spaß. Wider Willen wird es anders.

Beim neuen Abenteuerfilm auf und am Mississippi spielen zudem noch Größen wie Jacky Ido ("Nigger" Jim), August Diehl (Finn`s fieser Vater), Henry Hübchen (Sklavenjäger Packard), Milan Peschel (auch Sklavenjäger, aber namens Turner), Michael Gwisdek (König) und Kurt Krömer (Herzog) mit. Frauen sind in Nebenrollen auch dabei. Margit Bendokat als Witwe Douglas und Rosa Enskat als Miss Watsons. Später schleicht sich noch Rosali Tomass in eine Szene und die bereits erwähnte Makatsch legt als Tante Polly kurz einen großartigen Auftritt hin.

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Die Abenteuer des Huck Finn, Deutschland 2012, Länge: 99 Minuten, Regie: Hermine Huntgeburth, Produzent: Boris Schönfelder, Co-Produzent: Benjamin Hemmann, Drehbuch: Sascha Arango nach dem Roman von Mark Twain. Bild: Cinemascope, Ton: Dolby Digital. Die FSK sagt, der Film sei ab sechs Jahren sehenswert. Da bin ich mir nicht so sicher. Website: www.huckfinn-film.de

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