Ein fast perfekter Mord – Über den Leipzig Krimi „Am Ende des Klanges“

An der Leipziger Uni habe ich zwar nie studiert, hatte da aber einige Freunde, die ich öfter besuchte. Das waren portugiesische Antifaschisten und Kommunisten, die entweder vor der Diktatur geflohen waren oder die es nach der Nelkenrevolution herverschlagen hatte. Und ach ja, Aussteller war ich auch einmal in Leipzig, als junger Erfinder auf der Messe der Meister von Morgen. Nach der Wiedervereinigung ist mir das einst so vertraute Leipzig dann ferner gerückt: Internationale Messen haben wir nun in Berlin jede Menge, aber der Ticketpreis nach Leipzig lässt es heute nicht mehr zu, am Sonntag einfach mal in den Leipziger Zoo zu fahren, wenn man den Berliner Tierpark schon zu gut kennt.

Um so größer meine Freude über ein Verlagsangebot Bücher aus und über Leipzig zu rezensieren. Und nun stürze ich mich mit einem Buch aus der Reihe Leipzig Krimi gedanklich wieder in quirlige Messestadt und mit dem Titel „Am Ende des Klanges“ lande ich auch schon mitten im Leipziger Studentenleben.

Ein Jura-Student ist tot. Ein Unfall offenbar. Eine Geburtstagsparty hatte es gegeben, bei der reichlich viel getrunken worden war. Der Herr Jura-Student, der bei seiner behinderten Mutter lebte, die aber außer Haus war, hatte wohl noch Hunger bekommen, hatte eine Büchse geöffnet und wollte diese auf dem Herd warm machen. Er hatte wohl noch weiter getrunken und war am Tisch eingeschlafen. Das Essen begann im Topf zu brennen. Das Küchenfenster hatte er auch nicht geöffnet. Bei hinreichendem Sauerstoffangebot verbrennt der Kohlenstoff von Lebensmitteln zu Kohlendioxid. Das ist zwar als Treibhausgas schädlich und kann erstickend wirken, ist aber nicht giftig. Der unterschied ist der, dass ein erstickendes Gas einen erst umbringt, wenn es in der Atemluft dominiert. Bei einem giftigen Gas hingegen reicht schon ein relativ kleiner Anteil in der Atemluft, um den Tot eintreten zu lassen. Giftig ist Kohlenmonoxid, welches gebildet wird, wenn Kohlenstoff unter Sauerstoffmangel verbrennt. Der Student war an einer Kohlenmonoxidvergiftung gestorben, stellt der Gerichtsmediziner fest, also wohl ein Unfall unter Alkoholeinwirkung.

Was war denn eigentlich in dem Topf? Ein Erbsengericht, stellt die Kriminaltechnik fest. Die unglückliche Mutter ist nun wieder zurück. Erbsen? So etwas hatte ihr Sohn nie im Kühlschrank, denn er war allergisch gegen Hülsenfrüchte. Hätte der Täter Kohl oder Möhren im Topf verkohlen lassen, wäre es vielleicht ein perfekter Mord gewesen, aber die Realität kennt wohl keinen wirklich perfekten Mord, was wohl an der Komplexität der Wirklichkeit liegt, weshalb niemand jemals alles berücksichtigen kann und irgendein Hinweis immer bleibt.

Also die Kripo ermittelt. Zwei Fährten gilt es zu verfolgen: Der Mutter des getöteten gehört das Haus, in dem sie lebten. Ein Immobilienmakler war hinter dem Hause her, um die ganze Straßenzeile zu entmieten, zu sanieren und zu Luxuspreisen wieder zu vermieten. Trotz steigender Angebote hat sie den Verkauf wieder und wieder abgelehnt. Der Sohn des Immobilienmaklers ist auch an der Leipziger juristischen Fakultät tätig. Seine Doktorarbeit hatte ihm einst der Ermordete geschrieben, für eine nicht unbeträchtliche Summe Geldes. Wer versuchte hier vielleicht wen zu erpressen?

Die andere Spur ist so eine Familienlegende. Da soll es in der Familie des Ermordeten eine Ur-ur-ur-Großmutter (Keiner weiß genau mit wieviel Ur-.!) gegeben haben, die eine Beziehung mit dem berühmten Komponisten Robert Schumann gehabt haben soll und da soll auch noch ein alter Brief von eben jenem Komponisten existieren. Der wäre heute ein Vermögen wert. Aber was ist schon dran an solchen Familienlegenden? Schwer einzuschätzen ist das oft.

Mein Leipzig lob ich mir, hatte schon der geheime Rat und Dichterfürst Goethe gesagt, hatte er doch hier die alten Legenden aus Auerbachs Keller erfahren, die er dann in seinem Hauptwerk weiterspann. Aber ganz schön verändert hat es sich wohl doch, dieses Leipzig, seit der Zeit, als ich mit dieser Stadt sehr vertraut war. Soviel Unterwelt gab es jedenfalls damals nicht. Nicht, dass es in der DDR keine organisierte Kriminalität gab, aber die verstaatlicht in den Händen des Paten Schalck-Golodkowsky. Den beschützte die Stasi, aber eventuelle Konkurrenz bekämpfte sie gnadenlos und erfolgreich. Nun blüht die Leipziger Unterwelt privatisiert und auf freien Märkten. Vor allem ziehen wohl illegales Glücksspiel und Prostitution die Leute an. So weit treibt es die Ex-Freundin des Ermordeten nicht, aber sie gerne mal in Unterwäsche ablichten, um die Kasse fürs Studium etwas aufzubessern. Aber auch dabei wird sie schon bald in eine gefährliche Situation geraten und der ermittelnde Kommissar, zum Glück ein Meister einschlägiger Nahkampftechniken, muss sie in letzter Minute retten. Noch ein paar mal wird er sie beschützen müssen, was aber nur beweist, dass wirklich mehr dahinter steckt als ein Unfall.

Mehr wird erstmal nicht verraten, außer, dass eines noch wie früher ist: Die Studenten trinken zwar gerne mal einen über den Durst und neigen auch manchmal zu groben Späßen, aber Mörder und Verbrecher sind sie am Ende nicht.

Jedenfalls findet der Krimileser in diesem Buch, was er am meisten schätzt: Spannung von vorn bis hinten. Empfehlenswert!

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Andreas Stammkötter: „Am Ende des Klanges – Der Leipzig Krimi“, 2009, Löwenreiter Verlag, ISBN 978-3-941631-01-4

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