Gebreselassie ist ein altehrwürdiger äthiopischer Name, seine Küche ist jedoch modern. Erfahrungen damit sammelte er in Kassel, kam mit dem Konzept eines afrikanischen Restaurants dann, das ist immerhin schon drei Jahre her, nach Berlin, um das Restaurant Savanna zu gründen. Diese gute Küche finden wir dort, wo es von Lokalitäten, die sich rund um den quirligen Kollwitzplatz, wo Lebenslust und Yuppie-Kultur die Müßiggänger beseite geschubst haben, nur so wimmelt. In den unzähligen Straßencafés und Restaurants pulsiert das Leben des Prenzlauer Bergs, daß die Bewohner auf die Straße und Berlin Touristen gleichermaßen anzieht. Auch im Savanna ist, sobald es wärmer wird, draußen kein Tisch zu kriegen.
Vor allem dann nicht, wenn Jonas Gebreselassie seine "Kaffeezeremonie" darbietet. Zwei Mal die Woche, immer freitags und samstags, wird den Gästen sortenreiner, biologisch angebauter und zudem fair gehandelter Kaffee nach afrikanischer Art zubereitet, die mit europäischen Kaffeekochsitten wenig zu tun hat und so lang ist, wie das Röstverfahren. Kein Wunder, wird doch der Kaffee mehrere Male aufgekocht. Nach dem Essen wird dieser edle wie nuancenreiche „Yirgacheffe“, wie der Kaffee heißt, der aus dem gleichnamigen Destrikt in Äthiopien stammt, den Kunden kostenlos kredenzt. In der international bekannten Kaffeeanbau-Region Yirgacheffe sind die Sorten so variantenreich, wie die „Nationalitäten“ der gleichnamigen Hauptstadt dieses Destrikts. Jedoch ist und bleibt Äthiopien ein Land, in dem insbesondere eine der über 90 Arten angebaut wird, nämlich die als Plantagenpflanzen bevorzugten Arabica-Kaffee (Bergkaffee) und nicht die Robusta-Kaffee (Teifland-Kaffee).
Wir lassen uns das schwarze, koffeinhaltige Heißgetränk schon vor dem Essen servieren, um den milden, keineswegs öligen Geschmack, unverdorben zu genießen. Seine früchtige Säure verbunden mit einem Geschmack, der Kaffeetrinker an Schokolade erinnert möchte, kommt einem hinterher nicht kratzbürstig. Der Abgang dieses äthiopischen Hochlandkaffees erinnert an den einer unbekannten Schönheit: Sie wirkt noch lange nach und läßt das Herrenhirn rätselnd zurück.
Wer sich fröhlicher auf Fleisch von Zebra, Antilope oder Krokodil einstimmen möchte, süffel einen Trüffel-Schnaps, einen Kaktus-Feige-Brand oder Winderers Grappa. Auch der selbstgebrannte Honigschnaps, der eher einem Fruchtwein ähnelt und sicherlich nicht an die 40 Prozent der drei genannten Afro-Alko-Drinks ranreicht, hinterläßt einen Drang zum Nachbestellen. Ordern Sie bitte Mes, wie er auf eritreisch heißt, oder Teg, wie er auf äthiopisch genannt wird. Das Lächeln von Jonas Gebreselassi wird Ihnen sicher sein und die Portion groß.
Weil wir mit äthiopischem Hochlandkaffee den Auftakt feierten und die Gläser Mes und Teg zu mehr Mut machten, bestellten wir Bersen Merek, eine Linsensuppe, und eine Mangokokussuppe mit einer Andeutung von Ingwer. Während wir löffelten bereitete Osama Elmustafa, Koch im Savanna, das Hauptgericht zu. Es sollte ein äthiopisch-eritreisches Allerlei auf einer kreisrunden Silberplatte, die mit reichlich Injera, das bereits zur Suppe serviert wurde, um darin eingetunkt zu werden, ausgelegt wurde, werden.
Injera kennen Sie nicht? Nun, daß ist ein flaches Brot, sehr pfannkuchenähnlich, das vor allem in Eritrea und Äthiopien gegessen wird. Dafür wird Teffmehl genommen, daß aus einer Hirse- bzw. Getreideart gemahlen wird. Dieses Mehl wird mit Wasser zu einem Teig vermischt, geknetet, der einige Tage gären muß. Wenn das Traditionsbrot fertig ist, entstehen kleine Löcher an der Oberfläche. Unser Injera bestünde zu 100 Prozent aus Teffmehl und würde nicht mit Reis-, Gerste- oder Weizenmehl gestreckt. Und unser Injera schmeckt und wir bekommen noch ein paar Portionen extra gereicht. Diese reißen wir „wie die Wilden“ traditionell in Stücke, essen also mit der Hand und nehmen nur ab und an die Gabel zu Hilfe, um möglichst große Portionen von der Platte zu packen.
Hähnchen ist drauf, bei dem das Ei nicht fehlen dürfe, gebratene Lamm, in Würfel geschnitten und köstlich gewürzt, Rind mit klassischer Berbera-Sauce und zum Fleisch gesellen sich Okraschoten in Tomaten-Berberasauce, rote Linsen, sogar Kartoffeln und Spinat mit Erdnusssoße. Diese ist in Eritrea und Äthiopien so unüblich wie Reis, während Couscous dort überhaupt nicht bekannt sei, versichert uns Jonas Gebreselassi. Was sollen wir sagen? Wir kauen und hören weiter zu. Berbere werde aus roten Peperonie, Knoblauch, edelsüßen Paprika und Cayennepfeffer zubereitet und das Berbere aus dem Savanna komme von der Schwiegermutter aus Eritrea, sei hausgemacht und eine Spezialmischung. Das glauben wir gerne und essen weiter Huhn, Rind und Schwein. Das soll afrikanisch sein? Ja, ist es, aber Sie bekommen auch Wildfleisch vom Strauß, Springbock, Zebra oder der Kudu-Antilope. Doch Wild steht in Eritrea oder Äthiopien äußerst selten auf der Speisekarte und wir wollten dieses Mal landestypisch speisen. Und das empfehlen wir gerne weiter.