Der 31-Jährige Hamburger, 199 Länderspiele, war erfolgreich – 2004 Europameister und Olympiasilber in Athen, 2007 Weltmeister – in einer Zeit, in der man mit seiner Spielweise Erfolg haben konnte: Aus dem Rückraum drei Schritte Anlauf, Hochsteigen und den Ball mit mehr als 100 km/h in Richtung Tor abfeuern.
Diese Zeit und diesen Raum gibt es anno 2012 nicht mehr. Weil die Deckungsreihen schneller auf den Füßen sind. Früher heraustreten und den Angreifer attackieren. Deshalb konnte Hens bei der EM, die ja nahezu gleichbedeutend mit einem WM-Ereignis ist, in Serbien keine Akzente setzen. Fast der komplette Rückraum der Deutschen offenbarte Defizite in punkto Dynamik, Beweglichkeit und Variabilität, was sich in mangelnder Torgefahr widerspiegelte. Die Torausbeute der Rückraum-Akteure beim 32:33 gegen Polen: Kaufmann 3, Glandorf 2, Hens 2, Christophersen und Haß je 1… Dänemarks Rückraumstar Mikkel Hansen markierte im siegreichen Finale über Serbien – neben gelungenen Anspielen – ebenso viele Treffer (9) wie fünf DHB-Rückräumer… Hansen verdient (noch) nicht sein Geld in der DHBL, der selbst ernannten "stärksten Liga der Welt". Allerdings besetzen zumeist Ausländer in den deutschen Spitzenmannschaften diese Schlüsselpositionen.
Gibt es zu wenig Talente im wohl mitgliederstärksten Handball-Verband der Welt? – Kaum. Auch wenn der Verweis auf zwei Weltmeistertitel in Folge bei den Junioren wenig aussagt. Denn in keinem anderen Land wird im Nachwuchs so früh mannschaftlich so intensiv gebimst. Dass die Junioren-Weltmeister aber dann so wenig Entwicklungsmöglichkeiten gegen abgezockte Auslandsprofis bekommen, dürfte mit Ausbildungskonzepten zusammen hängen. Zuviel Kraft, zu viel Mannschaftstaktik statt Ausprägung individueller Fertigkeiten scheint im Spiele zu sein.
Das (mediale) Heulen und Zähneklappern ob des 7. Platzes ("Historische Pleite – erstmals bei Olympia nicht dabei!") hat auch mit unrealistischen Erwartungen zu tun. Nach der WM 2007 wurde deutlich, dass neben einer kompakteren Leistungsstruktur im damaligen Aufgebot der Heimvorteil jenes "Handball-Wintermärchen" ermöglichte. Weil die Kulisse Adrenalinschübe bei der eigenen Mannschaft auslöste und die Schiedsrichter – wie fast überall bei Großereignissen – den Interpretations-Spielraum oft zugunsten der Gastgeber (Halbfinale gegen Frankreich) auslegten.
Bei der WM 2009 in Kroatien wurde die DHB-Auswahl Fünfter, bei der EM 2010 in Österreich Zehnter (hinter Österreich!), bei der WM 2011 in Schweden Elfter. Dann nahm Heiner Brand seinen Hut als Bundestrainer und sein Assistent Martin Heuberger quittierte als nunmehriger Chef beim Supercup trotz Heimvorteils drei Niederlagen mit seinen Schützlingen.
Spätestens da war klar, dass diese Formation wohl kaum wieder zu den Besten gehören würde. Auch wenn Medien und Funktionäre (Präsident Strombach) dies unter Realitätsverweigerung beschworen.