Ein Arbeitstag einer chinesischen Familie in Wuhan

Eine Geschäftsstraße in Wuhan.

Das gemeinsame Frühstück gehört zum geselligen morgendlichen Familien-Ritual. Nach dem Frühstück schaut Vater Zhongxian aus dem Fenster seiner Wohnung im siebenten Stockwerk, da ein Bewohner im dritten Stockwerk ein Restaurant betreibt, mit sehr leckerem Fischspezialitäten-Essen, aber auch mit arger Rauchbelästigung der Nachbarn und möglicher Brandgefährdung des Hauses. Zhongxian will das in der nächsten Eigentümerversammlung zur  Sprache bringen, in der er den Vorsitz hat. Seit die Firma die Wohnungen an ihre Mitarbeiter verkauft hat – zu günstigen Preisen von 500 RMB pro qm (in Shanghai liegt der Preis heute zwanzigmal höher) – wird in der Eigentümerversammlung alles Notwendige geklärt.

Zhongxian und seine Frau Luo sind im Konstruktionsbüro einer großen Maschinenbaufirma tätig und gehen nur zehn Minuten bis zu ihrem Büro. Beide verabschieden sich voneinander nach dem Durchschreiten des bewachten Fabriktores bis zum Mittag, wenn sie gemeinsam zum Essen nach Hause gehen. Zhongxian ist Abteilungsleiter für die Entwicklung von Anlagen zur Abwasserreinigung und hat mehrere Patente erworben; heute betreut er u.a. einen Doktoranden der Wuhan-Industrie-Universität, der von seinem Praxiswissen profitieren will. Die Anlagen werden von der Firma entwickelt und gebaut, vor allem für Kunden in China. Zhongxians Frau Luo ist Senior-Ingenieurin im Bereich Bergbaumaschinen und entwickelt Steinbrechmaschinen, die zur Erzaufbereitung eingesetzt werden. Zhongxians und Luos Tochter Bo ist im Vertrieb des gleichen Unternehmens tätig und wird heute wegen ihrer guten englischen Sprachkenntnisse bei ausländischen Kundenbesuchen dolmetschen. Auch Bo hat wie ihre Eltern eine Ausbildung als Maschinenbauingenieurin bis zum Bachelor absolviert. Später möchte sie im Ausland ihren Masterabschluss machen.

Von 8 Uhr bis 9:30 Uhr wird die anstehende Arbeit erledigt; in der dann folgenden halbstündigen Pause werden private Informationen ausgetauscht, mitunter auch Besuche an anderen Arbeitsplätzen bei Freunden abgestattet, um Planungen für private Angelegenheiten zu besprechen. Von 10:00 Uhr bis 12:30 wird die Arbeit fortgesetzt. Lockere Verabschiedung zur zweistündigen Mittagspause beendet die vormittägliche Arbeitsphase.

Zu Hause treffen Bo und ihre Eltern wieder zusammen; Vater Zhongxian kocht eines seiner vorzüglich gewürzten Gerichte, mit viel Gemüse, wenig Fleisch und viel Wasserdampf. Tee und Sojamilch sind beliebte Getränke. Ein halbstündiges Nickerchen ist fester Bestandteil der Mittagspause für die ganze Familie.

Um 14:30 beginnt die Nachmittags-Phase der täglichen Arbeitszeit von insgesamt acht Stunden. Nachmittags um ca. 16 Uhr gibt es eine offizielle Unterbrechung an allen Arbeitsplätzen der Firma zur Durchführung von Gymnastik-Übungen, die durch eingespielte Musik unterstützt wird. Die harmonischen Gymnastikübungen sind entspannend und werden von den Mitarbeitern gerne wahrgenommen. Viele Mitarbeiter gehen auch morgens regelmäßig in einen Park und führen dort ähnliche Gymnastikübungen durch.

Bo hat als Dolmetscherin abends noch die Aufgabe, mit den ausländischen Gästen der Firma zum Essen zu gehen. Sie wählt ein Fischmenü aus und geht mit den Gästen zu den an den Restaurantwänden aufgestellten Fischbecken, wo die lebendigen Fische ausgewählt werden können. Der komplette Fisch wird zubereitet und auf einem besonderen Teller so auf den Tisch gestellt, daß der Kopf des Fisches in Richtung des Hauptgastes zeigt, der mit einem Toast das Mahl eröffnet.

Spät abends will Bo noch in eine Diskothek gehen. Vater Zhongxian und Mutter Luo haben sich unterschiedliche Fernsehprogramme ausgesucht – macht nichts, denn Fernseher stehen in jedem Zimmer, aber üblicherweise bleibt man doch zusammen, schließlich geht Geselligkeit über alles.

Bo kommt doch früher nach Hause, denn für den nächsten Tag  ist ein Ausflug mit den ausländischen Gästen in die Drei-Schluchten-Gegend angesagt. Vor dem Einschlafen kostet sie noch von der köstlichen Suppe, die von dem elterlichen Abendessen übrig geblieben war. – Sie probiert noch die neue Kleidung (Bluse, Kleid, Rock, Hose, Strümpfe, Schuhe, Mantel) an, die von der Firma einmal pro Jahr den Mitarbeitern geschenkt wird (von Bo selbst aus dem Katalog ausgesucht), und geht dann – weil alles gepasst hat – zufrieden schlafen. Sie träumt von einer Fahrt auf dem Yangtsekiang nach Shanghai, wo sie sich von ihrem monatlichen Gehalt in Höhe von 9.000 Yuan ein paar noch modischere Sachen kaufen möchte.

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