Zur Zeit noch Chefdirigent des Orchestre National du Capitole de Toulouse, steht Sochiew dem DSO aber ab sofort ganz offiziell als »Designierter Chefdirigent« zur Verfügung. Er wird sich an der Planung des Programms beteiligen und bei Probespielen für neu zu besetzende Musikerstellen anwesend sein.
Sochiew gab sein Debüt bei »seinem« Orchester bereits 2003 und in diesem Jahr auch bei den Berliner Philharmonikern. Laut Orchestervorstand Michael Mücke ist Tugan Sochiew der absolute Wunschkandidat des Orchesters, das ihn in geheimer Abstimmung mit großer Mehrheit gewählt hat. Gerade bei seinem Dirigat der 5. Symphonie von Tschaikowski im Dezember 2009 habe er selbst die vollkommene Einheit von Dirigent und Orchester gespürt. Eine interessante Wahrnehmung.
Eben dieses Konzert hat Sochiew und die Musiker beinahe schicksalhaft miteinander verbunden: denn an jenem 6. Dezember wurde der Plan des Deutschlandradio-Intendanten Willi Steul bekannt, das DSO mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter deren Chef Marek Janowski zu fusionieren. Eine Mischung von Katastrophenstimmung und Aufbegehren erschütterte Musiker und Publikum gleichermaßen.
Den nunmehrigen Vertragsabschluss nehmen die Orchestermitglieder mit großer Erleichterung auf. Sie empfinden ihn – wie auch die Vertragsverlängerung des Orchesterdirektors Alexander Steinbeis – als Zeichen für eine gesicherte Perspektive ihres Klangkörpers. Die Gefahr der Fusion, bei der rund 70 Musikerstellen gestrichen werden sollten, scheint aus dieser Sicht überwunden. Zu diesem Optimismus passt jedoch nicht die Weigerung des Intendanten der ROC, Gernot Rehrl, Auskunft über die Richtung des Strukturkonzepts zu geben, das eine Kommission inzwischen ausgebrütet hat.
Ein betriebwirtschaftliches Gutachten bescheinigt der ROC, mit 310 Künstlern und 50 administrativ Beschäftigten zu den schlankesten »Verwaltungseinheiten« zu gehören. Für die Effizienz der Rundfunkorchester und -chöre sprechen zudem Rekordeinnahmen von 7,9 Millionen Euro im Jahre 2009 (plus 800 000 Euro zum Vorjahr) und eine Auslastung von 83 Prozent. Aber ob Intendant Willi Steul endgültig von seinen desaströsen Umstrukturierungsplänen auf Kosten der Musiker abgelassen hat, ist noch nicht erwiesen. Ermunternde Zeichen, aber kein Entwarnung.