Drei Mann in einem Boot auf Portugals größtem See – Serie: Von Eicheln, schwarzen Schweinen, mittelalterlichen Burgen und exzellentem Wein (Teil 3/4)

Links Damen, rechts Herren: Wer kann da nicht rückwärts einparken?

Es hat unbedingt etwas, an diesem Ort zu antizyklischer Zeit zu verweilen. Auch wenn sich einem Protestanten der Prunk und die Heiligenverehrung nicht primär religiös erschließt, ist an diesem semi-profanen Ort das Staunen über die liebevoll restaurierten Kacheln und die reich verzierten Bögen und Decken doch groß genug um eine gute Viertelstunde schweigend und schwelgend zu verbringen.

Das erste Ziel am heutigen Tage ist kurz darauf das Örtchen „Vila de Monsaraz“. Seine besondere Lage deutet sich schon früh während der Anfahrt an. Steil bergauf geht es auf engen Straßen, große Reisebusse hätten hier wohl Probleme, wir aber haben einen schnuckligen kleinen Transporter, der uns, dank unserem versierten Fahrer, sicher ans Ziel bringt. Prachtvoll ist der Ausblick von der Höhe schon bevor man das Städtchen durch ein historisches Stadttor betritt. Man sollte mit einer Sonnenbrille ausgestattet sein, denn dieser Ort ist von der Grundfarbe vor allem eines: weiß. So weiß wie Schnee, wie durch Dash und Wash gebleicht, trotz der Enge der Gassen ist alles durch ein helles, fast gleißendes Licht überflutet und einladend sauber.

Monsaraz wurde im Jahr 1167 von den maurischen Besatzern zurückerobert. Mit der durchgängig geschlossenen Stadtmauer und den zahlreichen, sehr gut restaurierten und erhaltenen Gebäuden, gehört es zu den historisch eindrucksvollsten Orten der Alentejo-Region. Die steilen engen Straßen geben eine Ahnung des Lebens früherer Zeiten, Rollstullfahrer und gehbehinderte Menschen haben es angesichts des diffizilen Geläufes schwer. Unsere Gruppe ist gottlob gut zu Fuß und wer sich die Mühe macht und ganz am Ende der Ortschaft, in der dort befindlichen, ehemaligen Stierkampfarena bis auf die Wehrmauer hinaufsteigt, der fühlt sich tatsächlich dem Himmel nah.

Gleich nebenan liegt der örtliche Friedhof, ein Schelm, der dabei Böses denkt. Immerhin wurde in Portugal bereits im 18.Jahrhundert das Töten des Stieres als Höhepunkt der Corrida abgeschafft, die Stiere werden dankbar gewesen sein und die Verluste auf menschlicher Seite dementsprechend seitdem geringer. – Es zeigt sich hier in Monsaraz besonders, dass es gut ist außerhalb der Hauptsaison zu reisen: Kein spürbarer Andrang von Menschenmassen und jetzt am Mittag, mitten in der Sonne, sind die Temperaturen sehr gut auszuhalten.

Zum Mittagessen gastieren wir im Landgut Herdade do Esporão und erleben eine Wein- und Olivenölprobe. Uralte Gemäuer, wie überall auf unserer Reise auf das Trefflichste renoviert, beherbergen dieses Weingut mit angeschlossenem Restaurant. Schon sehr früh wurde hier einmal unter römischer Herrschaft Wein gekeltert und in das gesamte Reich geliefert – der neue Betrieb besteht seit 1973 und konnte sich seitdem bereits einen guten Namen unter den portugiesischen Weingütern erarbeiten. Das Wein-Portfolio setzt in erster Linie auf lange gereifte Rote wie die sehr empfehlensverte „Esporao Private Selection“, die erst 18 Monate in französischer Eiche reift (die Kosten für ein neues Fass belaufen sich übrigens auf 700 €, der Wiederverkaufswert eines gebrauchten liegt bei 30€) bevor er noch 12 Monate in der Flasche gelagert wird. Dieser besondere Wein mit interessanter Struktur aus Blumen und Rauch wird nicht jedes Jahr aufgelegt; er hat einen vollen „Körper“, den man „essen“ kann, ein ausgewogener, sehr edler Tropfen.

Aber auch der „Reserva“ überzeugt mit dunkelroter Schwere, mit Vanille- und Ledernoten den anspruchsvollen Weintrinker. Essen kann man hier auch sehr gediegen, allerdings ist aufgrund der großen Nachfrage etwas Zeit für das Essen einzuplanen. Dieses Essen ist dafür aber auch nichts anderes als sensationell zu bezeichnen: Ich hatte vorher zwar gewusst, dass Tintenfisch nicht in Pannade zur Welt kommt, aber nicht, dass man ihn so zart und mürbe zubereiten kann, dass er auf der Zunge förmlich zergeht. Es schmeckt ja auch besser wenn man sich Zeit nimmt. Und Zeit braucht man in Portugal immer ein bisschen mehr, für alles, und das ist als großes Kompliment zu verstehen.

So gestärkt und gleichsam verjüngt begeben wir uns in das größte Abenteuer unserer Portugalreise: Bei einem zweitägigen Trip auf einem Hausboot werden wir über Portugals größten See schippern, dem Alqueva-Stausee ganz im Osten des Alentejo. Laut wikipedia hat der See, der 85 Kilometer lang ist, eine Oberfläche von etwa 250 Quadratkilometern, wovon 187 auf Portugal entfallen. Mit einem Stauvolumen von maximal 4.150.000.000 Kubikmetern ist er einer der volumenmäßig größten Stauseen Europas westlich des Dnepr. Das Volumen der Edertalsperre könnte hier mehr als 20 mal untergebracht werden. Seine Uferlänge beträgt unterschiedlichen Angaben zufolge zwischen 1100 und 1200 Kilometern, von welchen etwa 1000 in Portugal verlaufen.

Es geht also an Bord zweier Boote, die jeweils drei bis vier Personen (wenn man sich kennt und sehr lieb hat, durchaus auch für sechs oder sieben) geeignet sind. Angenehm unorthodox ist der Einweisungskurs durch Manuel Maia, der uns mit unbesiegbarem Lächeln in die Geheimnisse der portugiesischen Seefahrt einführt, zumindest in die, des seit erst acht Jahren angestauten Fluten des Flusses Guadiana. Nach zwanzig Minuten ist das Wesentliche bereits über den Overhead-Projektor geflimmert, die Befehle „volle Kraft voraus“ und „Alle Maschinen stopp“ sind mit einfachen Handgriffen zu geben, gelenkt wird wie beim Auto, alles klar also. Die Männer kommen ins linke Boot, die Damen ins rechte, man ist ja zivilisiert und bei Sinnen.

Eile tut Not, den das etwa zweieinhalb Stunden entfernte Estrela soll noch vor Einbruch der Dunkelheit erreicht werden. Natürlich fährt das Männerboot voraus, um mögliche Gefahren auszukundschaften und eventuell abzuwehren. Drei Mann in einem Boot, die fest zusammen halten…, der alte Schlager kommt uns in den Sinn, der während der ersten Flasche Weißwein dann auch angestimmt wird. Schön ist, dass die Handhabung des Bootes auf See wirklich kinderleicht ist, sodass auch technische Legastheniker wie ich dahinter kommen, wie es geht. Für die Sicherheit an Bord sorgen ein GPS-System und ein amtlicher Tiefenmesser, den wir einmal sogar dringend brauchen, denn der Staussee hat nur eine relativ schmale Fahrinne und an einigen Stellen überraschend untiefes Gewässer.

Freiheit. Ein herrliches Gefühl. Das Lied von Westernhagens Marius singen wir aber nicht, man hat ja auch seinen Stolz. Ganz kontemplativ wird man nach einigen Minuten am Steuer, die Landschaft zieht vorbei, die Maschine surrt wie eine "Singer", und hinter uns geht pittoresk die Sonne unter. Die perfekte Situation. Natürlich müssen wir unseren „Nichols 1100“-Boliden immer wieder sanft abbremsen, damit wir die Mädels nicht aus den Augen verlieren. An Bord ist eigentlich alles vorhanden, was man zum Leben braucht, also bei den Männern vor allem Fernseher, Mikrowelle und ein Kühlschrank. Man kann aber auch kompltte Menüs auf dem Gasherd zubereiten.

Kurz vor dem Einbruch der Nacht erreichen wir dann tatsächlich den rettenden Hafen und können – unter mehr oder weniger Schwierigkeiten beim „Einparken“. Fairerweise muss gesagt werden, dass unsere Frauen auch einparken mussten, als es bereits sehr dunkel war. Sah aber gut aus, letztendlich.

Der Ort Estrela, in dem wir zu Abend essen, ist heute in Konsequenz des angestiegenen, gestauten Wasserspiegels ein Dorf am Ufer des Sees. Vom Boot sind es nur knapp 200 Meter bis zum angestrebten Restaurant „Sabores da Estrela“. Auf dem Weg dorthin lassen sich etliche Hunde blicken, denen es offensichtlich recht gut zu gehen scheint. In südlichen Ländern keine Selbstverständlichkeit, bestätigt dies den freundlichen Eindruck den die Einwohner Estrelas auf uns machen.

Im schlichten, aber schicken Restaurant selbst sitzen wir gar nicht, sondern auf einer großzügigen Terrasse, auf der uns einmal mehr die schmackhafte Küche des Alentejo begeistert. Gute Gespräche, essentieller Teil einer jeden richtigen portugiesischen Mahlzeit, werden auch an diesem Abend wieder ausgiebig geführt. 

Erst nach langem Aufenthalt brechen wir wieder auf um unser Nachtquartier an Bord zu beziehen. Einer der letzten Portweine hat mein Frühwarnsystem ausgeschaltet, ich merke zunächst nicht, dass ich mich in meiner Kabine lediglich mit einem dünnen Laken zudecke. Erst mitten in der Nacht wird mir dieser Umstand bewusst, aber ich finde keine andere Decke und friere wie ein Schneider. Schuld, eigene, denn des Nachts wird es um diese Jahreszeit auch in Portugal schon spürbar kühler.

Knapp dem Tode durch Erfrieren entronnen, springen wir am nächsten Morgen in den angenehm warmen See. Das Wasser ist wunderbar warm, wir halten sogar auf der Rückfahrt noch einmal an, um mitten auf dem See zu baden. Es ist so herrlich, dass keiner wieder an Bord will, aber es geht nicht anders, denn die Zeit drängt und schließlich muss auch zurück im Ausgangshafen in Amieira noch eingeparkt werden, etwas, das schon Zeit und Geschick in Anspruch nimmt. Aber auch diese Hürde nehmen wir gelassen und professionell, alle landen gesund und munter wieder auf dem Festland. Dann geht es weiter…(…in der nächsten Folge…)

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Info:

HERDADE DO ESPORíƒO, 7200-909 Reguengos de Monsaraz, Tel: +351 266 509 280, Email: reservas@esporao.com, Homepage: www.esporao.com

RESTAURANTE SABORES DA ESTRELA, Rua Nova de Moura, 3, Estrela, 7885-277 Póvoa de S. Miguel, Tel: +351 285 915000, Email: saboresdaestrela@sapo.pt, Homepage: www.saboresdaestrela.com

MARINA AMIEIRA, 7220-999 Portel, Tel: +351 266 611 173, Email: geral@amieiramarina.com, Homepage: www.amieiramarina.com

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