Berlin, Deutschland (Weltexpress). Same Procedere as every year oder täglich grüßt das Murmeltier heißt es auch in diesem Jahr wieder, wenn traditionell am Donnerstag die Internationalen Berliner Filmfestspiele eröffnet wurden. Und im Grunde erwartet uns höchstwahrscheinlich auch in diesem Jahr nichts Neues, zumindest was den tagtäglichen Ablauf eines solches Festivals betrifft: Stars auf dem roten Teppich, Autogrammjäger, die stundenlang herumstehen, Filmveranstaltung jagt Filmveranstaltung, Warteschlangen am Ticketschalter, Cineasten und Filmkritiker, die von Vorführung zu Vorführung hetzen, Pressekonferenzen, Stars und Sternchen, Klatsch und Tratsch rund um die Berlinale und so weiter. Und mit allem auch die Hoffnung verbunden in der Massenware Film das ein oder andere Juwel zu entdecken. Ein solches stellt der Eröffnungsfilm der Berlinale leider nicht da, obwohl er es hätte werden können.
„Django“ hat auf den ersten Blick doch nahezu alle Zutaten eines Eröffnungsfilms; er ist historisch, politisch, aber auch nicht zu politisch und bringt in seinen Bildern eine gewisse Opulenz mit. „Django“ ist in erster Linie ein klassisches Biopic, ein biographischer Film um den Gitarristen und Gipsy Swing Musiker Jean „Django“ Reinhardt und seine Flucht vor den Nazis und seinen Überlebenskampf im besetzten Frankreich während des 2. Weltkrieges. Der Gitarrist Django begeistert im besetzten Frankreich des Jahres 1943 die Franzosen so sehr, dass die Nazis an ihn herantreten und ihn für sich einspannen wollen. Er soll mit seiner Band auf Deutschlandtournee gehen. Doch er will sich und seine Musik nicht an die Nazis verraten, auch wohl wissend, dass er als Sinti nicht zurückkehren wird. Er flieht mit Frau und Mutter zur französisch-schweizerischen Grenze, um von dort in die sichere Schweiz überzuwechseln. Hier trifft er auf Mitglieder seiner Sinti Familie, aber auch die Nazis stehen kurz darauf vor seiner Tür, um ihn und seine Musik zu vereinnahmen.
Der Regisseur Etienne Comar legt in seinem Regiedebut einen handwerklich gut gemachten Film vor und ein Thema, das so in dieser Form noch nicht all zu häufig auf der Leinwand zu sehen war; die Geschichte eines Musikers und seine Weigerung und sein Widerstand seine Kunst, seine Musik zu verraten und diese gegen die Nazis zu verteidigen. Der Film ist Biopic, Drama, Historienfilm und auch ein bisschen Musikfilm. Er versucht alles gleichzeitig zu sein und scheitert gerade an diesem Balanceakt. Der Film will zu viel von Django Reinhardts Leben, seiner Musik, seinem Kampf gegen die Nazis, seiner Herkunft als Sinti abdecken und kommt daher dann wieder zu kurz. Er versäumt es angedeutete Erzählstrange konsequent weiterzuverfolgen oder was dem Film gut getan hätte, diese auszulassen. Seine Beziehung zu seiner Verehrerin und Helferin Louise (Cécile de France) nimmt im Film einen wesentlichen Platz ein, ist dann aber nur eine von vielen Handlungssträngen. Keine wird richtig vertieft, da sich dann sofort der nächste auftut, so sein Verhältnis zu seiner Sintifamilie, sein Konflikt mit den Nazis, die Bedeutung der Musik für sein Leben. Weniger wäre hier mehr gewesen und hätte den Film stärker gemacht.
Und Film hat seine starken Moment, die wir so nicht häufig zu sehen bekommen. So etwa, wenn Django und seine Band Anweisungen erhalten, worauf sie beim spielen ihrer Musik bei der beabsichtigten Deutschlandtournee zu achten haben. So das Swing nur 20 Prozent des Programms ausmachen darf, der Bass nicht mit der Hand, sondern nur mit Streicher gespielt werden darf, bestimmte Tonlagen gespielt werden müssen oder mit den Füßen klopfen zur Verstärkung der Rhythmen verboten ist. Die „Negermusik“ muss ja arisch domestiziert sein. In einer andere Sequenz, wahrscheinlich der stärksten des ganzen Films müssen Django und Band bei einem Bankett der Nazis spielen, wozu der widerwillige Django auch nur eingewilligt hat, um die Nazis abzulenken, damit ein abgeschossener englischer Fliegerpilot über den See in die Schweiz geschafft werden kann. Hier soll lediglich unterhaltsame Beimusik zur Untermalung des Abends und nach den schon vorher erwähnten Regeln gespielt werden. Swingmusik in braver langweiliger Form. Was sich dann komplett ins Gegenteil verkehrt. Hier veranschaulicht sich am besten Django Reinhardts Widerstand und seine Art zu spielen. Er kann am Ende nicht anders und wie seine Gitarrenswing am Ende selbst die Nazis über die Stränge schlagen lässt, ist vergnüglich anzusehen. Hier lebt der Film auf und wäre der Balanceakt gelungen, hätte es ein starker Film werden können. Doch er kehrt dann in das konventionelle Erzählmuster zurück und verflacht dann auch zusehends. Ein weiter Pluspunkt, auch dass sei erwähnt, ist der Hauptdarsteller Reda Kateb, der in der Rolle des Django Reinhardt eine große Präsenz zeigt und zu überzeugen weiß, und auf deren weitere Karriere wir gespannt sein sollten. Will man es kurz und knackig auf den Punkt bringen, muss man sagen gut gemacht, er hat seine Momente, kann am Ende aber nicht wirklich überzeugen.
Als Berlinale-Eröffnungsfilm ist „Django“ keine schlechte Wahl, da er aber im Kampf um die Bären teilnimmt, sind seine Chancen auf einen Preis eher gering. Schlussendlich stellt der Film eine Verbeugung vor der Musik und dem Musiker Django Reinhardt sowie seinem Widerstand gegen die Nazis dar.
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Originaltitel: Django
Land: Frankreich
Jahr: 2017
Regie: Etienne Comar
Darsteller: Reda Kateb, Cécil de France, Beata Palya, Bim Bam Merstein, Gabriel Mirété, Vincent Frade
Dauer: 117 Minuten