Die ungewöhnlichste Straße der Welt wird 100: Berlins AVUS

Großer Preis von Deutschland 1926 auf der Avus in Berlin. Bundesarchiv Bild 102-02915

Berlin, Deutschland (Weltexpress). So unglaublich es klingt – es ist historisch bewiesen: Erfinder und Gründer des weltweit bewunderten deutschen Autobahnsystems war Kaiser Wilhelm II. Zum damaligen Zeitpunkt war er sich bestimmt nicht bewusst, was er mit seinen Vorstellungen, die er schon um 1900 hatte, und seinem darauf basierenden Befehl von 1913 bewirken würde:

Er ordnete an, eine kilometerlange Schneise durch den Grunewald zu schlagen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges verzögerte das Vorhaben, eine reine Autostraße durch den Forst am Berliner Stadtrand zu bauen – aber 1921 war es soweit: Zwei lange Geraden entstanden, mit einer Nord- und einer Südkurve, etwa acht Kilometer lang. Sie wurde AVUS genannt, wie sie auch heute noch heißt – obwohl das kaum noch jemand „übersetzen“ kann: Automobilverkehrs- und Übungsstraße. Der Kaiser wollte damit Frankreich und England, die seinerzeit den internationalen Motorsport dominierten, Paroli bieten und das Deutsche Reich wirtschaftlich und technologisch auf Augenhöhe bringen.

Diese Einzelheiten hat der Motorjournalist Ulf Schulz eruiert – er wird leider in den wenigsten Betrachtungen, die sich mit dem 100jährigen AVUS-Geburtstag befassen, erwähnt. Der wird Ende September nicht nur in Berlin gebührend gefeiert.

Schließlich war die AVUS der Welt erste völlig kreuzungsfreie, doppelspurige, nur für Motorfahrzeuge zugelassene Straße. Und damit die Keimzelle unseres heutigen Autobahnsystems. Dem gehört diese AVUS noch heute noch an. Als A115 ist sie Teil der Berliner Stadtautobahnen.

Als Rennstrecke wurde die AVUS am 19. September 1921 eingeweiht. Der Rundkurs zwischen Nord- und Südkurve, zwischen Berlin-Westend und Nikolassee, war knapp 19 Kilometer lang. Sofort nach dieser Eröffnung wurde die Strecke für den öffentlichen Autoverkehr frei gegeben – gegen Gebühr: Die damalige Maut betrug stattliche zehn Mark, eine Vierteljahreskarte kostete 1 000 Mark.

1926 hatte der „Große Preis von Deutschland“ auf der AVUS sein Debüt. Wegen schlechter Fahrbahnbedingungen kam es zu Unfällen mit vier Toten: Der Untergrund war mangelhaft verdichtet, so dass er schnell nachgab und die Fahrbahndecke deshalb stellenweise Erhöhungen oder Vertiefungen von zehn Zentimeter aufwies. Die Strecke musste gesperrt werden. Sie wurde während der folgenden Jahre zum Erprobungs- und Testfeld für den Straßenbau.

Nachdem sie ihre „Stellung“ als Internationale Autorennstrecke zurück erhalten hatte, machte die AVUS Furore: So stellte Bernd Rosemeier beim Großen Preis von Deutschland 1937 auf Auto Union den Rundenrekord von 276,4 Stundenkilometer auf, und Rudolf Caracciola fuhr mit Mercedes die Höchstgeschwindigkeit von 400 km/h.

Caracciola war der Sohn eines rheinischen Hoteliers und Weinhändlers, der die außergewöhnliche Vorliebe seines Nachwuchses für Motoren und Autos mit allen Kräften unterstützte. So durfte Rudolf schon als 15-Jähriger seinen Führerschein machen. Das war 1916!

Als Rennstrecke ist die AVUS illustre Vergangenheit. Die Bezeichnung aber ist geblieben, auch als A115 und damit Teil des Berliner Stadtautobahnnetzes. Das ist insgesamt 28 Kilometer lang.

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