26 lesbische oder schwule Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe und Alters erzählen in dem im Rahmen des Berlinale Forums wiederaufgeführten Filmprojekt der Mariposa Film Group von ihren Erfahrungen. Die „Stories of some our lives“ sind ihre Geschichten, von der ersten Verliebtheit, von Identitätssuche, von Berufsleben, Alltag und Konflikten. Die Selbstbehauptung gegen Unverständnis, Diskriminierung und Anfeindung ist für die Interviewten zum Teil ihres Lebens geworden. In den vermeintlich liberalen siebziger Jahren bedeutet das Ausleben ihrer Sexualität für Schwule und Lesben fast immer einen sozialen und persönlichen Kampf: „Man war sich vollkommen bewusst, dass man weniger Mensch war.“ – „Ich fühlte immer, dass ich nicht viel wert war.“ Es erschreckt, wie stark sich die negativen Erfahrungen der Erzählenden ähneln. „Ich habe versucht, das Spiel mitzuspielen. Aber es hat nicht geklappt.“, formuliert einer der Männer die Unmöglichkeit der vollkommenen Adaptierung, welche die damalige Gesellschaft einforderte. „Im Rückblick war es wirklich komisch.“, sagt eine Frau halb ironisch – denn komisch war es meist ganz und gar nicht. Von der Polizei verfolgt, schikaniert, grundlos aus Bars geworfen, verhaftet, angepöbelt „…bis du Angst hattest, eine andere Frau auch nur anzusehen.“, erinnert sich eine lesbische Frau. Die „Stories of some our lives“ reichen von romantisch über tragisch bis hin zu grotesk komisch: zweimal täglich frischen Salat verschrieb einer jungen Lesbe der Arzt gegen ihre Homosexualität. Bis sie in der Psychiatrie landete. Dort, berichtet ein Interwieter, musste er Elektroschocktherapie und Zwangsbehandlung erleiden.
Mosaikartig fügen die Berichte aus dem Leben sich zu einem kollektiven Erinnern zusammen. Gegen Diskriminierung und Unverständnis von Seiten ihrer Familien und Mitmenschen mussten die Erzählenden oft ihr ganzes Leben lang ankämpfen. Meist sind es die düstersten Erfahrungen, von denen die Männer und Frauen mit bemerkenswerter Offenheit und Galgenhumor zu sprechen vermögen. Das bewegende Filmdokument ist trotz der grausamen Erfahrungen, von denen die Menschen in „Word is out“ berichten, über eine depressive Grundstimmung erhaben. Epsteins Werk dokumentiert die Geschichte einer Selbstbehauptung. Den Menschen, deren Entschlossenheit die soziale Emanzipation Homosexueller den Boden ebnete, gibt der Film ein Gesicht. Das Drehbuch schreiben ihre individuellen Biografien – Biografien von Künstlern, Autoren, einer Hausfrauen oder Geschäftsleuten, im Alter von 18 bis 77 Jahren, aus den unterschiedlichsten Teilen der USA. 135 Minuten dauert die restaurierte Fassung, welche im Forum der Berlinale aufgeführt wird. Die ursprüngliche, längere Version bleibt noch ungezeigt – hoffentlich nicht mehr lange. Das Filmprojekt der Mariposa Film Group erinnert auch daran, wie schwer Diskriminierung sich ausmerzen lässt. „Es war wie in einem Horrorfilm.“, beschreibt es eine der Frauen: „Ich würde gerne glauben, dass solche Sachen nicht mehr passieren. Aber ich weiß es nicht.“
Titel: Word is Out – Stories of our lives
Berlinale Forum
Land/Jahr: USA 1977
Genre: Dokumentarfilm
Regie: Rob Epstein/Mariposa Film Group
Laufzeit: 135 Minuten
Bewertung: ****