Der historische Putin

Wladimir Putin. © Kreml Presse, kremlin.ru

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Wenn Wladimir Putin „Polen und westlichen Staaten eine Hauptschuld am Zweiten Weltkrieg zuwies“, so liegt er wohl nicht ganz falsch. Warum?

Ich zitiere den renommierten britischen Historiker Richard Overy, der sein Buch ORIGINS OF THE SECOND WORLD WAR so beginnt: „Der Zweite Weltkrieg erschien einmal als ein Ereignis, das man einfach erklären konnte. Wenn es nicht auf ein Wort zulief – Hitler – so war es dennoch der Krieg der Deutschen… Trotz seiner Einfachheit, gibt es viele Gründe, diese Sicht einzunehmen… Diese Argumente verschleiern jedoch ein wichtigeres Problem für die Erklärung für den Ausbruch des Krieges. Indem wir uns auf Deutschland konzentrieren, geraten wir in Gefahr zu vergessen, daß Kriege nicht in einem Vakuum stattfinden. Deutschland war Teil und zwar ein kleiner Teil eines internationalen Systems. Deutsche Staatsmänner reagierten auf Probleme und Reize, über die sie in vielen Fällen keine Kontrolle hatten. Hitler plante eine Machtstruktur in der Welt zu stürzen, für die Deutschland nur eine sehr geringe Verantwortung trug, außer, daß es den Ersten Weltkrieg verloren und nicht gewonnen hatte.

Um den Ausbruch des Krieges in Europa 1939 zu verstehen sowie seine Ausweitung zu einem Weltkrieg innerhalb von zwei Jahren, ist es notwendig, auf die internationale Gesamtstruktur zu schauen; ihre Stärken und Schwächen und auf die Verhaltensweise und Motive der der Großmächte, welche diese einschlossen. Man darf nicht vergessen, daß der Krieg 1939 von Britannien und Frankreich Deutschland erklärt wurde und andersherum. Ein Großteil jeder Erklärung für den Krieg, der 1939 ausbrach, muß auf diesem zentralen Punkt beruhen. Warum traten die beiden Westmächte in den Krieg gegen Deutschland ein?

Wenn man diese Frage stellt, dann bekommt die Rolle Deutschlands eine neue und sehr differente Perspektive. Frankreich und Britannien hatten komplexe Interessen und Motive für den Krieg. Auch sie hatten Entscheidungen über internationale Fragen mit einem Auge auf die öffentliche Meinung und Innenpolitik zu treffen und mit dem anderen auf eventuelle Feinde anderswo. Das traditionelle Bild westlicher Demokratien, als ehrenwerte Makler in Weltangelegenheiten Handelnde, die vergeblich versuchten, den Geist des Völkerbundes zu bewahren und die Strategie einer ‚kollektiven Sicherheit‘ angesichts eines totalitären Druckes, kann nicht länger aufrechterhalten werden… Es war in der Tat, wie A.J.P. Taylor 1961 zur öffentlichen Bestürzung darlegte, eine altmodische Politik des Gleichgewichts der Macht…“ (S. 3f.)

Warum riskierten Britannien und Frankreich einen großen Krieg im Sommer 1939? „Die populäre Erklärung war, daß ihnen der Krieg durch den unersättlichen Appetit der Axenmächte aufgedrängt wurde, den die öffentliche Meinung in Britannien und Frankreich nicht länger zu tolerieren bereit war… Danzig war selbstverständlich nicht der Grund, obwohl es als Weckruf zur Mobilisierung der öffentlichen Meinung gegen die deutsche Aggression gebraucht werden konnte. Die polnische Sache gab einen moralischen äußeren Schein für das, was tatsächlich eine Entscheidung dafür war, wann es eine günstige Zeit gab, für Britannien und Frankreich zu kämpfen, nicht für Polen. Wenn dies auch eine harte Ansicht ist, so ist es doch eine realistische… Die Alternative, nicht zu kämpfen, falls Deutschland sich weigerte, zurückzustecken, wäre gewesen, diese Gelegenheit zu verpassen und ihren Status als erstklassige Mächte zu verspielen.“ (S. 66f.)

Und schließlich: „Polen stand mittendrin. Die polnische Regierung war nicht bereit, eine substanzielle Konzession für die deutsche Haltung zu Danzig oder den polnischen Korridor zu machen. Die Briten und Franzosen bedrängten Polen in den letzten Augustwochen, wenigstens eine Geste anzudeuten, die Deutschland versöhnlich stimmen könnte, um es bereitwilliger an den Konferenztisch zu bringen… Der britische Botschafter, Nevile Henderson, vermittelte den Eindruck, daß es für Britannien das letzte wäre, Krieg zu führen und daß es sowohl polnische als auch deutsche Unnachgiebigkeit sei, welche die Hürde bildete: ‚Ich war von Anfang an überzeugt‘, schrieb er nach London, ‚daß die Polen äußerst dumm und unklug waren.'“ (S. 79)

Und so ist Putin wohl doch nicht ganz im Unrecht, wenn er die Ursachen des Zweiten Weltkrieges anders sieht und die bisher allseitige und alleinige Schuldzuweisung an Deutschland nicht mitmacht.

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