Der Geist der Weihnacht – Verfolgt in „Eine Weihnachtsgeschichte“ Jim Carrey als Ebenezer Scrooge

Nachdem Jim Carrey schon in „The Grinch“ eine Lektion in christlicher Nächstenliebe lernen musste, erteilt ihm „Eine Weihnachtsgeschichte“ davon sieben. Neben Ebenezer Scrooge in vier Lebensaltern muss Carrey in der Trickfilmadaption noch den drei Weihnachtsgeistern Gesichtszüge und Stimme leihen und dergestalt gleich siebenfach den Segen der Weihnachtszeit predigen. Verständlich, dass der Feiertagsstress Scrooge schließlich ins Grab bringt, sei es auch nur in einem Traumgesicht. Wie gemein, am 25. Dezember zu sterben, wo es bis zum nächsten Feiertagshorror ein ganzes Jahr ist. Schlimmer trifft es nur das Christkind, dessen Geburtstag seit 2000 Jahren auf Heilig Abend fällt. Knauserig wie Scrooge war Zemeckis bei der Besetzung der animierten Charaktere aus „Eine Weihnachtsgeschichte“ mit Synchronsprechern. Carrey spielt sieben Rollen, Gary Oldman vier und Robin Wright Penn zwei. Nur Colin Firth bekommt als Scrooges Neffe nur eine Stimmlage zugeteilt. Von der dickensschen Originalität der Figuren bleibt in der uninspirierten Trickfilmversion wenig übrig. In der Handlung hält sich „Eine Weihnachtsgeschichte“ nah an die Novelle. Geizkragen Ebenezer Scrooge wird in der Weihnachtsnacht von drei Geistern heimgesucht. Sie zeigen Scrooge von der Vergangenheit über die Gegenwart bis zur Zukunft seine Weihnachtsfeste und die seiner nächsten. Der griesgrämige Knauser erkennt, wie schlecht er war und: Fröhliche Weihnachten alle miteinander!

Wer Dickens „Eine Weihnachtsgeschichte“ nicht kennt, ahnt anhand der Inhaltswiedergabe, dass sie vor Biederkeit und Sentimentalität nur so strotzt. Am Besten formulierte es Oscar Wilde: Man muss ein Herz aus Stein haben, um nicht zu lachen. Vorwerfen, er verkitsche „Eine Weihnachtsgeschichte“ kann man Zemeckis schlecht. Er setzt die bereits vorhandenen Rührseligkeit kongenial in computeranimierte Trickszenen um: so kalt, herzlos und präzise wie Geizhals Ebenezer Scrooge. Das verlorene Potential von „Eine Weihnachtsgeschichte“ liegt nicht in zu viel Distanz zum Stoff, sondern in zu viel Nähe. Schon Francis Ford Coppolas „Bram Stokers Dracula“und Kenneth Branaghs „Mary Shelly ´s Frankenstein“ zeigten, daß exakte Romanadaptionen nicht automatisch besser sind. Das düstere Potential seiner Figuren schöpft Zemeckis in „Eine Weihnachtsgeschichte“ nicht aus. Das Elend versteckt im romantisierten viktorianischen London des Trickfilms eine lauschige Schneedecke. Jeder lacht hier und ist frohgemut, selbst die Bettelkinder, denen ein Hund den hingeworfenen Knochen wegschnappt. Nur Scrooge stört die heile Welt. Taucht er auf, verstummen die Straßensänger und Kinder laufen weg. Sogar Tiere kuschen. Kein Wunder, dass soviel Ablehnung feindselig macht. Dabei tut Scrooge nichts, außer nicht fröhlich zu sein. Für Zemeckis verwerflich genug. Warum freuen sich die anderen, wenn sie ihre Rechnungen nicht zahlen können und ihre Familien hungern, fragt sich nicht nur Scrooge. Angesichts von Leid und menschlicher Schlechtigkeit vergeht ihm die Feierlaune.

„Als hätte Charles Dickens sie fürs Kino geschrieben.“, liest Zemeckis „A Chrismas Carol“. Statt die Heuchelei unter dem Gutmenschentum zu enthüllen, wird das Klischee vom „glücklichen Armen“ gefeiert. Im Herzen ist „Eine Weihnachtsgeschichte“ die unmenschlichste aller Weihnachtsgeschichten. Was ließe die Reichen ruhiger schlafen, als der Glaube, die Armen seien in ihrem Elend glücklich? Und Reichtum, ach, verdirbt die Lebensfreude! „Arm und mehr als zufrieden“, beschreibt es Ebenezers einstige Verlobte in dessen Erinnerung. Tiny Tim, die humpelnde Quintessenz Mitleid erregender Niedlichkeit, freut sich gar, verkrüppelt zu sein, weil es die anderen Gottes Güte lehre. Nur Scrooge ist nicht „mehr als zufrieden“. Er löffelt Haferschleim in ungeheizten Räumen, während sogar sein Angestellter Cratchit vor dem Kaminfeuer Gänsebraten schmaust. Scrooge war arm. Die Angst, es wieder zu werden, hält ihn immer noch gefangen. „Armer Scrooge“ , heißt es über ihn. Doch das Mitgefühl, welches Carrey anklingen lässt, missgönnt „Eine Weihnachtsgeschichte“ seiner Hauptfigur. Dabei ist Scrooge der einzige Charakter unter gutherzigen Klischeefiguren, der sich entwickelt. Gerade dies zeigt „Eine Weihnachtsgeschichte“ nicht. In der Jugend ist Scrooge fröhlich. Ein Zeitsprung und er ist Misanthrop. Was ihn veränderte, zeigt der Film nicht. Nach seiner Läuterung springt Scrooge herum wie von allen guten Geistern verlassen, dafür vom Geist der Weihnacht besessen. „Eine Weihnachtsgeschichte“ ist so schön verpackt und hohl wie die Dekogeschenke in Kaufhausauslagen: Eine Mogelpackung, welche die Lüge verkauft, Herzensgüte wärme mehr als ein Kaminfeuer. Und das alle Jahre wieder.

Titel: Eine Weihnachtsgeschichte A Christmas Carol

USA 2009

Genre: Animationsfilm

Start: 5. November

Regie und Drehbuch: Robert Zemeckis

Sprecher: Jim Carrey, Gary Oldman, Robin Wright Penn, Colin Firth

Verleih: Walt Disney

www.eine-weihnachtsgeschichte-derfilm.de

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