Das süße Jenseits – Saoirse Ronan ist „In meinem Himmel“ in Peter Jacksons „The Lovely Bones“

Saoirse Ronan in "In meinem Himmel"

Unveränderlich eingesperrt hinter Glas ist die 14-jährige Susi (Saoirse Ronan), dem Glas der Erinnerungsfotos, auf welchen ihre Familie sie betrachtet. Susi ist ermordet worden. Von ihrem Nachbarn Mr. Harvey, doch dass er der Täter ist, weiß niemand. Nur, dass Susi tot ist. Nicht ganz fort, denn Susi ist nicht „In meinem Himmel“, wie sie es den Zuschauern erzählt, sondern in einem Zwischenreich zum Jenseits. Von dieser, einer fantastischen Traumwelt gleichenden Randzone aus, beobachtet sie ihre Familie, Bekannte und ihren Mörder. Sie trauern um Susi, altern und verlieben sich. Susi trauert um ihre Familie, bleibt gleich alt und allein. Die reale Welt kann sie nur beobachten, ohne Einfluss darauf zu nehmen. „In meinem Himmel“, wie sie ihr verspieltes Jenseits nennt, fühlt Susi immer mehr Wut und Frustration über das, was sie in der Realität beobachtet.

„In meinem Himmel“ bezeichnet sich Susi (Saoirse Ronan) in dem Fantasiereich, welches Peter Jackson in malerischen Farben und Formen erstehen lässt. Doch der angebliche Himmel ist nur ein Schatten echter Glückseligkeit, ein schönes Gefängnis, dessen Zuckerperlenwelt nur eine schale Nachahmung gelebter Realität bleibt. Beunruhigend spiegelt die überdimensionale Spielzeugwelt die Miniaturspielzeugwelt, welche Mr. Harvey in seinen Puppenhäusern errichtet – und dem Erdverschlag, in dem er Susi tötet. Und was ist das für ein Himmel, dessen Bewohner nicht glücklich sind? Den sogar eine vorstädtische Mittelklasseexistenz in den Schatten stellt? Umso mehr die Fragen sich aufdrängen, desto geschickter entflieht Peter Jackson ihnen in seine fantastischen Bildwelten. Vereinzelt gelingen ihm Bildvisionen von traumwandlerischer Originalität, deren Eindringlichkeit er mit kitschigen Klischees von goldenen Weizenfeldern und grünenden Lebensbäumen wieder zerstört. Von ungebrochener Kraft ist “The Lovely Bones“, wenn er in der realen Welt spielt. „The Lovely Bones“ schlägt einen Bogen zu Jacksons eindringlichem Drama „Heavenly Creatures“. Ein Mord ist das Zentrum beider Filme, doch tatsächlich handeln sie von den Gefühlen, die zu der Tat führen oder ihr folgen. Susis Unfähigkeit loszulassen, steht für die ihrer Eltern. „Ihr habt ein Grab in eurem Haus.“, umschreibt die Großmutter das elterliche Festklammern an Erinnerungen.

„Lovely Bones“ nennt Susi das Beziehungsgeflecht, welches um die Lehrstelle wächst, die sie hinterlässt. Der zärtliche Begriff ist zwiespältig, denn Knochen sind etwas Totes, eine Struktur, der Geist und Herz – in all ihrer semantischen Bedeutungsvielfalt – fehlen. Zum anderen erscheint Susi als „The Lovely Bones“. Ein sanftes Gespenst, von dem in dem blutigen Sack, in den Mr. Harvey ihre Leiche gestopft hat, nur noch Knochen übrig sind. Stanley Tucci gelingt eine herausragende Darstellung als unheimlicher Mr. Harvey. Er ist der schwarze Mann, der die Puppenhäuser, welche er in seiner Wohnung konstruiert in der Realität als Fallgruben und Verschläge nachbaut und Puppenmorde darin begeht. Die kleinen Mädchen sind für ihn Spielfiguren, die er zerbrechen kann. Er ist der dämonische Gegenpart Susis. Sogar seine Puppenhäuser haben einen Keller, Symbol der verborgenen Seite. In seinem Keller labt sich Mr. Harvey an der Erinnerung an den Mord. Genauso wälzen Susis Eltern das Geschehene, nur dass es für sie qualvoll ist.

Seine imaginative Kraft entfaltet „The Lovely Bones“, wenn er an den süßen Masochismus rührt, zu dem Gedenken sich wandeln kann. Die Toten löschen keine Kerzen aus, hauchen keine Küsse und hinterlassen keine Liebesbriefe. Zeigt „Lovely Bones“, wie Susi nach ihrer Ermordung dergleichen tut, dann um zu erinnern, dass es Wunschvorstellungen der Lebenden sind. Die Toten wissen nicht, daß sie tot sind. Nur die Lebenden müssen lernen, das Wissen zu akzeptieren.

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Originaltitel: The Lovely Bones

Deutscher Titel: In meinem Himmel

Land/ Jahr: USA 2009

Genre: Fantasyfilm/Drama

Kinostart: 14. Januar 2010

Regie und Drehbuch: Peter Jackson

Darsteller: Saoirse Ronan, Stanley Tucci, Mark Wahlberg, Susan Sarandon, Rachel Weisz

Laufzeit: 123 Minuten

Verleih: Paramount

Internet: www.lovleybones.com

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