Das junge israelische Kino – Neu auf DVD und Bluray: „Lebanon“ von Samuel Maoz

Was anfangs als ein ungefährlicher Einsatz gedacht war, gerät nach und nach außer Kontrolle. Völlig unvorbereitet finden sich die jungen Männer innerhalb kürzester Zeit in einem Albtraum wieder. Nur noch ihrer Angst und ihrem Instinkt gehorchend, versuchen die Vier im Chaos des Krieges zu überleben. Verzweifelt bemühen sie sich, ihre Kampf-Maschine durch die zerbombte Stadt zu navigieren, doch der Panzer droht für die eigene Besatzung zur tödlichen Falle zu werden.

Der Begriff Kajitz steht im Hebräischen für das junge israelische Kino, welches sich seit Ende der 1960er Jahre in Israel etablierte. Anfangs war das israelische Kino ein Kino des propagandistischen Staates, mittlerweile ist es ein Spiegel der Kultur und der Geschichte des Landes. Seit einigen Jahren zeichnet es sich durch thematische Vielfalt, narrative wie auch visuelle Dichte sowie durch eine große Sensibilität für die Geschichte des Staates und seine gegenwärtigen sozialen, kulturellen und politischen Themen aus. Die neue Generation der israelischen Filmemacher verarbeitet in ihren Werken oft die Hoffnung auf Annäherung der Völker und damit auf ein Ende des Krieges, der Zerstörung und der Zerrissenheit, wie z. B. LEMON TREE (2008, Regie: Eran Riklis).

Ebenso findet im jungen israelischen Kino eine Auseinandersetzung mit den Libanon-Kriegen aus Sicht der Beteiligten statt. LEBANON ist nach BEAUFORT (2007, Regie: Joseph Cedar) und WALTZ WITH BASHIR (2008, Regie: Ari Folman) die dritte filmische Aufarbeitung der Libanon-Kriege unter israelischer Regie. Der aus Tel Aviv stammende Samuel Maoz verarbeitet mit diesem autobiografischen Filmdebüt seine traumatischen Erlebnisse im Jahr 1982 im Libanon-Krieg. LEBANON erhielt als erster israelischer Film in der Geschichte der Filmfestspiele von Venedig im Jahr 2009 den Goldenen Löwen und wurde 2010 mit zwei Europäischen Filmpreisen ausgezeichnet. LEBANON ist ein sehr persönlicher Film, der die Geschichte von vier jungen Männern aus der Innensicht eines Panzer erzählt, die nie zuvor mit Gewalt konfrontiert waren und plötzlich realisieren, dass sie töten müssen, wenn sie nicht selbst getötet werden wollen. Ein Film, der das Überleben in ständiger Todesangst thematisiert und in dem der Konflikt zwischen Instinkt und Menschlichkeit seine Opfer fordert.

Die ungewöhnlich intensive Filmsprache und zugespitzte Psychologisierung nehmen den Zuschauer mit auf eine höchst emotionale Kinoerfahrung. LEBANON setzt das klaustrophobische Gefühl des Gefangenseins in einem engen, heißen, unter Beschuss stehenden Panzer mit fast brutaler Konsequenz um. Den Krieg und die beklemmende Bedrohung sieht man nur durch den Sucher des Zielfernrohrs. Der Zuschauer erlebt die Situation als Beteiligten mit. Der Film wird über den konkreten historischen Fall im Jahr 1982 hinaus zu einer allgemeingültigen Parabel über die Absurdität des Krieges. Ein packender Anti-Kriegsfilm und ein besonders mutiges Statement des jungen israelischen Kinos, das seine Zuschauer mitreißt und an die physischen und psychischen Grenzen geht.

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