Churchill im Schneesturm – Serie: Direktberichterstattung von einer Recherchereise zu den Eisbären an die Hudson Bay (Teil 7)

Churchill im Schneesturm. So ein Blizzard aber auch!

Durch einen vereisten Windfang sind wir in Gypy`s Bakery eingetreten. Sofort beschlagen alle Brillen. Überall hängen und liegen dicke Dauenanoraks, Pelzmützen an der Garderobe. Im gut gelaunten Durcheinander erkenne ich eine große Vielfalt: übergewichtige Trapper, den Schlittenhundeführer von nebenan in seiner Fleeceweste, eine Damengruppe aus Spanien”¦ Die Apple Fritters sind Legende: soviel Nussfüllung und Zucker kann man nur in diesem Klima vertragen. Der Kaffee ist nordamerikanisch dünn, aber man darf sich unentwegt gratis nachschenken. Ein Blick durch die von Innen beschlagenen und von Außen mit Schneekrusten teilweise überzogenen Fenster hilft nicht direkt weiter. Da ziehen röhrend Schneemobile vorbei. Nur noch wenige PKWs und Pickups trauen sich durch die wogende weiße Hölle.

Nix mit Schlittenhundetour heute, schade! Der Musher wohnt nämlich drei Kilometer außerhalb, und da traut sich kein Fahrzeug heute aus der Kleinstadt am Ufer der Hudson`s Bay, denn man kann keine Straße erkennen und die Gräben sind eben gefüllt mit Treibschnee. Wer mit seinem Fahrzeug darin landet bräuchte Schwimmflügel, selbst ein Jeep. Also wird Churchill heute zu Fuß erkundet. Entlang der rechtwinkelig angelegten Straßen pfeift der Sturm. Es ist unerfindlich ob der Schnee aus den Wolken oder aus der Tundra oder von hinter dem nächsten Haus heranfegt. Die ersten Planierraupen sind unterwegs um die Zufahrt zum Communitycenter freizuhalten. Da solche Wetterlagen nämlich regelmäßig auftreten, hat man wohl überlegt die Krankenstation, die Bank, das Gemeindezentrum, Postamt, die Kirche und Geschäfte zur Grundversorgung unter ein gemeinsames Dach gebaut. Im Postamt hole ich mir einen Eisbärenstempel in meinen Pass. Vom Fenster aus gelingt ein kurzer Blick auf die Küste. Schneeschwaden, schäumende, von Eisschollen durchsetzte Brandung und Eiskrusten über angelegten Booten und Uferfelsen. Eine tosende Hölle. Durch solches Wetter werden 400 Kilometer lange Hundeschlittenrennen veranstaltet, ohne dass sich unterwegs eine Unterkunft mit Strom, Arzt oder Heizung, oder Nahrung bietet.

Auf dem Rückweg zum Hotel kommen wir an Häusern vorbei, wo man Huskies im Freien angebunden hat. Die scheinen glücklich und zufrieden, liegen im Schnee eingerollt oder spielen miteinander. Bald gibt es Abendessen, aber vorher noch Bummeln in den Andenkenläden: Seifensteinschnitzereien der Eskimos, kleine Warnschilder vor Eisbären, Lederpüppchen mit Stickerei und so manches, was dann einen deutschen Haushalt zieren würde.

Mannomann sind die Steaks hier groß! Dazu eine Kartoffel in Alufolie mit Speckwürfeln, Zwiebelringen und drei Gänge zur Salatbar. Der Winter fordert seinen Kalorientribut. Durch den heulenden Schneesturm geht es zurück ins Northern Lights Inn.

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