Brexit für alle

Die Maas bei Maastricht. Quelle: Pixabay, gemeinfrei, CC0 Public Domain

Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der 7. Februar 2017 ist eine gute Gelegenheit. Dann ist es fünfundzwanzig Jahre her, dass die Staats- und Regierungschefs in der bezaubernden holländischen Stadt Maastricht den nach dieser Stadt benannten Vertrag zur Weiterentwicklung der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft unterzeichnet hatten. Dieser Vertrag galt dem „europäischen Friedenswerk“ und es war kein Zufall, dass dieser Vertrag sich einreihte in die Verträge, die das Ende des Kalten Krieges besiegeln sollten, vorneweg die berühmte „Charta von Paris“ aus dem November 1990. Nie mehr Krieg in Europa, Demokratie, Pluralismus und Wohlstand, nicht für einige wenige sondern möglichst viele Menschen in Europa.

Die Verträge überzeugen nicht

Dieser Maastrichter Vertrag fand seine Fortsetzung im sogenannten „Vertrag von Lissabon“ , der mit Ende des Jahres 2009 in Kraft treten sollte, nachdem der damalige CSU-Abgeordnete Dr. Peter Gauweiler wesentliche Veränderungen vor dem Bundesverfassungsgericht erstritten hatte. Eine Sondersitzung des Deutschen Bundestages mitten im Herbst-Wahlkampf des Jahres 2009 wurde nach den insgesamt vorliegenden Klagen erforderlich, um den Vertrag nicht an Deutschland scheitern zu lassen.

Merkel betreibt eine gegen das „europäische Friedenswerk“ gerichtete Politik

Fünfundzwanzig Jahre nach der Unterschrift des deutschen Friedenskanzlers Dr. Helmut Kohl unter den Maastrichter Vertrag steht unter der Regierung Merkel fest, dass durch sie die Grundlagen des „europäischen Friedenswerkes“ substantiell erschüttert und weitestgehend zerstört worden sind. Das kann jeder Betrachter in diesen Monaten an der tatsächlichen Entwicklung festmachen: Führende Vertreter der Europäischen Kommission werden nicht müde, eines wieder und wieder zu betonen. Die Nationalstaaten, die nach allen Europäischen Verträgen und dem Selbstbewußtsein der Völker die einzige Grundlage für die Entwicklung der Europäischen Union sind, sollen verschwinden. Das ist deshalb überraschend, weil niemand diejenigen, die das fordern, dazu über allgemeine und freie Wahlen in den Mitgliedsstaaten autorisiert hat. Solange die Juncker-Kommission sich in dem Lichte derartiger öffentlicher Erklärungen sonnt, muss jeder in Europa davon ausgehen, dass die Kommission in Brüssel ihre Macht nutzt, den Souverän zu beseitigen. Das nennt man „Putsch“.

Merkel legt die Axt an

Die Bundeskanzlerin legt durch ihre praktische Politik die Axt an dieses „europäische Friedenswerk“. Darüber können auch keine offenkundigen „Judas-Küsse“ durch einen ausscheidenden amerikanischen Präsidenten Obama in dem Versuch hinwegtäuschen, einer von ihm mit zu verantwortenden globalen Politik gegen seinen Nachfolger eine europäische Basis zu verschaffen. Wir Deutschen stellen fest, dass die erfolgreichen Regeln für die innere Machtbalance in Deutschland durch die Frau Bundeskanzlerin wesentlich außer Kraft gesetzt worden sind. Dazu gehören die Überlegungen, die mit der ausgewogenen regionalen und konfessionellen Repräsentanz verbunden waren und sind. Innenpolitisch akzeptiert das föderale Deutschland keine „Berliner Vorherrschaft“ und unseren europäischen Nachbarn gegenüber ist dieses zunehmende Verhalten der Frau Bundeskanzlerin ein Grund mehr, sich von diesem „europäischen Friedenswerk“ wegen einer deutschen Alleinunterhalterin abzuwenden. Das hat Europa nicht verdient und Deutschland ist alarmiert. Die praktische Politik der Bundesregierung in Berlin, unseren europäischen Nachbarn mit einer Politik der „vollendeten Tatsachen“ zu kommen, stellt unser Europa auf den Kopf und zerstört den europäischen Frieden. Man muss nur einmal die „europäische Raison“ der Kanzler von Adenauer über Willy Brandt, Helmut Schmidt und Helmut Kohl neben die Politik der „neuen Berliner Arroganz“ stellen, um sich über die Welten Gedanken zu machen, die dazwischen liegen. Was hat uns in Europa und in Deutschland gedient? Jedenfalls nicht die Eskapaden Berliner Randale-Professoren, die für diese Politik die Schalmeien blasen oder die peinlichen Entblödungen über deutsche Rollen im Lego-Maßstab seitens regierungsfianzierter „Think-Tanks“ in unserer glorreichen Hauptstadt.

Wir wollen durch die Bundesregierung als das angesprochen werden, was wir sind: Deutsche

Nicht nur Brüssel ergeht sich in Abschaffungsphantasien, was unsere Staaten als Grundlage der europäischen Demokratie betrifft. Das Kanzleramt in Berlin steht dem nicht nach. Der „rote Faden“ ist seit langem sichtbar. Vor allem dann, wenn unsere eigenes Land nur noch darüber definiert wird, daß es hier „Menschen gibt, die schon länger hier leben“. Wir sind Deutsche und stolz darauf und in diesen Stolz beziehen wir selbstverständlich unser Deutschland ein. Wir müssen uns doch nur einmal in Europa umsehen, wie die Nachbarn zu ihren Ländern stehen. Russland rückte unter dem lebensgefährlichen Vorgehen Obamas zusammen, Frankreich ist stolz auf alles, auch auf die zivilisatorischen Folgen französischen Denkens für die ganze Welt, Spanien ist das, was es ist: stolz und den Griechen und Italienern sieht man es an der Nasenspitze an. Polen und Ungarn haben das freiheitliche Europa nach 1990 erst möglich gemacht. Sie alle wollen Angehörige ihrer Nation sein und als solche auch verstanden werden. Die Berliner Denke ist in den Augen unserer Nachbarn so etwas von abartig, das es zum Himmel schreit.

Brexit: Chance für uns alle

Gerade, wenn man den Migrationsputsch der deutschen Bundeskanzlerin 2015 und die völlige Unfähigkeit der Juncker-Kommission in diesem Zusammenhang betrachtet, kommt man fast zwangläufig dazu, im englischen Brexit den großen Warnruf für das westliche Europa zu sehen. Warum sollen die Briten trotz Brexit weniger europäisch sein als andere? Sie sind eine Handelsnation und da muss man sich mit den anderen vertragen, sonst klappt das mit dem Handel nicht. Sie wollen Engländer, Schotten und Waliser sein und ringen mächtig darum, dazu eine innere Balance jenseits des englischen Imperialismus zu finden, auch wenn das nordirische Kolonialgebiet Dauer-Makel ist. Warum wird das britische Signal in Anbetracht der wesentlich von der Bundesregierung zu verantwortenden europäischen Fehlentwicklungen nicht genutzt, aus dem Brexit-Votum eine „Änderungs-Kündigung“ für die Verträge aus Maastricht und Lissabon zu machen? Donald Trump kann aus gutem Grund lauthals „America first“ rufen und auch eine entsprechende Politik umsetzen. Wir sind aber ein Teilkontinent, der auf Gedeih und Verderb auf die Schumanns, de Gaulles, Adenauers, Brandts, Kohls und de Gasperis, die Walesas und die Klaus angewiesen ist und nicht auf die Politik, wie sie derzeit von einer deutschen Bundeskanzlerin in Berlin mit Zwangsläufigkeiten für alle Nachbarn betrieben wird. So wird Berlin wegen der Diskrepanz zwischen der europäischen Politik und der europäischen Realität die Grundlage dafür liefern, es Donald Trump nachzumachen. Nicht für das EU-Europa, sondern für jeden einzelnen Nationalstaat. Das soll und dienen?

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Willy Wimmer
Staatssekretär des Bundesministers der Verteidigung a.D. Von 1994 bis 2000 war Willy Wimmer Vizepräsident der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).