Bildungs-Qualität kostet etwas – bei allen Bildungsträgern

Wird dieses Personal, das für unsere Zukunft so Wichtiges zu leisten hat, denn überhaupt nicht – wie sagt man so schön – „evaluiert“? Nun ja, ab und zu erscheint ein „Schulrat“ als Mitglied einer vorgesetzten Erziehungsbehörde und nimmt die Sorgen der Schulleitung entgegen. Das ist sozusagen eine Selbstevaluation. Aber wie könnte das anders gemacht werden? Vielleicht durch Job Rotation von Lehrern, Erziehern, Psychologen, Schulleitungen von einer Schule zur anderen, jeden falls hin und wieder, mit kritischen Berichten, die Grundlage für anschließende Evaluationsarbeit sein könnten? Jedenfalls müßte die qualitätserhaltende und –verbessernde Anstrengung in den Schulen sichtbar gemacht werden.

In Hochschulen und bei Weiterbildungseinrichtungen gibt es üblicherweise Evaluationsaktionen am Semesterende oder zum Ende der Weiterbildungsmaßnahme. Die Lernenden werden mittels eines speziell für die Evaluation entwickelten Fragebogens zu Qualitätsfragen um Stellungnahme gebeten. Ob jemand, der den zu lernenden Stoff neu kennenlernt und auch keine pädagogische Ausbildung besitzt, derartige Urteile in der richtigen Qualität abgeben kann, ist allerdings häufig umstritten. Aber wie steht es mit der Qualität des „normalen“ Hochschullehrers bzw. der „normalen“ Hochschullehrerin? Gehaltsmäßig stehen Fachhochschullehrende auf dem Niveau von Gymnasiallehrern; sie haben auch identische Lehrverpflichtungen: 19 Stunden Unterricht pro Woche plus Mitwirkung in den Gremien der Hochschule. Allerdings kommt der Aufwand für die erwartete Forschungsleistung plus Kontakt in die Praxis der Wirtschaft noch hinzu, so daß nur Workoholics diese Belastung „wegstecken“ können. Wie ist es möglich, anspruchsvolle Arbeit mit der erwarteten hochstehenden Qualität unter diesen Umständen hinzukriegen? Wie meistern die achtzig Prozent unserer deutschen Ingenieure ihren späteren Job, obwohl sie einem derart qualitätsminderndem Stress während ihrer Ausbildung ausgesetzt sind?

Das ist auf Dauer tatsächlich nicht möglich!

Das wird zu Lasten der Qualität der Ingenieurausbildung in Deutschland gehen. Allein die Bezahlung der hier Lehrenden unterscheidet sich von der schweizerischen und österreichischen um hundert Prozent: dort wird das Doppelte verdient!

Es ist ja auch nicht verständlich, warum ein W2-Professor in Berlin nach zehn Dienstjahren viertausend EURO pro Monat als Bruttogehalt erhält, während ein frei praktizierender Allgemeinmediziner monatlich zwölftausend EURO einnimmt. Die Ausbildungsdauer beider Berufe ist in den meisten Fällen gleich. Die Prüfungsanforderungen beim medizinischen Staatsexamen entsprechen denen beim Master of Science oder Master of Engineering, dem früheren Diplom-Ingenieur, ja, sie liegen häufig sogar – das ist hochschulabhängig – darunter. Dennoch wird das Einkommen des Arztes das des Ingenieurs nach zehn Dienstjahren um mehr als zweihundert Prozent übersteigen.

Im Alltag des W2-Professors bzw. der W2-Professorin sind die entsprechenden „Wertschätzungen“ des Dienstherren manifestiert: Der Arbeitsraum eines normalen W2-Prof.s beschränkt sich üblicherweise auf Gemeinschaftstisch und Gemeinschaftsstuhl in einem mit persönlichen Postfächern – Karnickelställen ähnlich – ausgestatteten Gemeinschaftspausenraum. Bahnhofsatmosphäre läßt grüßen! Sind in seltenen Fällen Arbeitsräume mit persönlichen Schreibtischen vorhanden, dann höchstens in gekoppelter Form mit einem, zwei oder mehreren Kollegen. Anspruchsvolle Forschung ist also in dieser von Störungen, wegen umstrittener mangelhafter Ressourcen auch wenig kooperativen Atmosphäre geprägten Situation kaum möglich. Nur heimliches heimisches Arbeiten kann die Erfolge bringen, die ja nun einmal von einem „Professor“ erwartet werden und die dieser auch bringen will. Das bedeutet ausnahmslos Wochenendarbeit und hineinbuttern eigener privater Mittel in dienstliche Aktivitäten – was natürlich das für private nichtdienstliche Ausgaben vom Dienstherrn gezahlte Salär weiter wesentlich reduziert.

Wie lange kann und will sich der Staat diese Herunterwirtschaftung seiner traditionsreichen, die Zukunft formenden Ausbildungsressourcen für Ingenieure noch leisten? Wenn wegen der schlechten Einkommens- und Arbeitsbedingungen an den „Universities of Applied Sciences“ die wirklich qualifizierten „Lehrer“ wegbleiben, wird das Niveau der Ausbildung weiter sinken. Ein permanentes Hochschul-„PISA“ könnte darüber Aufschluß geben. – Jedenfalls würde die Fortschreibung von innovativen technischen Entwicklungen unweigerlich gestoppt werden, mit allen mittel- und langfristigen Folgen für den Technik-Standort Deutschland.

Früher oder später trifft diese Entwicklung auch unsere heute noch – häufig verträumt – elitären Universitäten, an denen aber auch jetzt schon, trotz der besseren Grundeinkommenssituation und der mit sechs Unterrichtsstunden pro Woche relativ komfortablen Arbeitsbedingungen (inkl. Individuellem Büro plus Assistenten plus Sekretariat) die Welle der Niveauabsenkungen spürbar wird. Hier wird man noch eine Weile vom hohen der Renommee vergangener Zeiten zehren können. – Aber wenn sich das Institut von ehemals Schlesinger, Schallbroch, Spur heute mit „Maintenance, Repair, Overhaul“ beschäftigt – z.B. mit dem Bombardieren schmutziger Maschinen mit Eiskügelchen zu Reinigungszwecken – und das in Konkurrenz zu anderen deutschen Hochschulen mit Fördermitteln der deutschen Regierung tut, legt das den Zweifel nahe, ob hier das Forschungspotential eines Instituts für Produktionstechnik der TU Berlin oder eines Fraunhofer-Instituts an diesem Institut so eingesetzt ist, daß es den vorhandenen Forschungsressourcen tatsächlich entspricht. – Irgendeiner muß das ja machen, wenn es gebraucht und bezahlt wird – so lautet oft das Argument. Aber hier kann der aufmerksame Beobachter nur feststellen, daß die eigentlichen Ressourcen z.B. an den nahen Fachhochschulen liegen (alleine die BEUTH Hochschule für Technik hat im Fachbereich Maschinenbau zehn Laboratorien in Betrieb, von denen das Labor für Produktionstechnik mehr als achtzig Werkzeugmaschinen für Lehr- und Forschungszwecke zur Verfügung hat). Nur sind Lehr-Kapazitäten, die diese Ausstattung erkämpften, nicht mehr „an Bord“, und damit auch die von ihnen vertretenen Schwerpunkte: weg sind Prof. Paschke (Arbeitsvorbereitung), Prof. Justen (Produktionssystematik und Fabrikenplanung), Prof. Jahnke (Industrial Engineering), Prof. Mayer (Sicherheitstechnik), Prof. Mäiß (Qualitätsmanagement), Prof. Bergmann (Industrielle Meßtechnik), Prof. Bargel (Werkstoffkunde), Prof. Lange (Instandhaltung), Prof. Budich (Getriebetechnik), Prof. Flamm (Thermodynamik), Prof.Küttner (Kolbenmaschinen), Prof. Wefeld (Kosten- und Investitionsrechnung), Prof. Tonn (Strömungsmaschinen), Prof. Neuendorf (CAD), Prof. Kamp (CAD-CAM), Prof. Hoch (Automatisierungstechnik), Prof. Siebert (Fertigungstechnik), Prof. Fritz (Umformtechnik), Prof. Zelinski (Werkzeugmaschinen), Prof. Köhler (Automatisierungstechnik), Prof. Lemke und Prof. Manegold (Vorrichtungskonstruktion) – um nur einige zu nennen. Der Rückbau in diesem Maschinenbau-Fachbereich betraf ca. zwanzig Professoren (= ca. 40 % der Lehrkapazität). Viele wurden ersatzlos gestrichen, wenn sie die Altersgrenze erreicht hatten, viele durch Lehrbeauftragte „ersetzt“. Dieser schleichende Prozeß des Abbaus an Fachhochschulen wurde durch eine Übernahme der „interessanten“ Arbeitsgebiete durch die Universitäten begleitet. Waren Berufungen zu Sicherheitstechnik, Arbeitsvorbereitung, Instandhaltung vor dreißig Jahren nur an Fachhochschulen – die kurz nach ihrer Neugründung Profil gewinnen wollten – zu beobachten, sind diese Fachgebiete heute überwiegend universitär, ja, sogar z.T. – s. BEUTH Hochschule für Technik Berlin – aus dem Lehrangebot verschwunden. Das ging auch zahlenmäßig gar nicht anders (s.o.). Ob das dem Anspruch der praxisnahen Ausbildung der Fachhochschulen entspricht, ist mehr als fragwürdig!

Die Politik hat sich das Ziel gesetzt, die Bildung zu stärken. Das geht auch hier nicht ohne Anreize, konkret um bessere Einkommen und Arbeitsbedingungen der Leistungsträger. Die Gesundheitsreform sollte endlich auch in der Bildung ankommen. Und hier vor allem auch im Bereich der Ingenieurausbildung, der zu achtzig Prozent an unseren Fachhochschulen erfolgt.

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