Berlin, München, Deutschland (Weltexpress). Nach dem 6. Spieltag der Fußball-Bundesliga bietet die Tabellen ein ungewohntes Bild: Rekordmeister FC Bayern München hat durch ein Unentschieden und eine Niederlage bereits fünf Punkte und die Tabellenführung verloren.
Ganz oben thront das weitaus jüngere Team von Borussia Dortmund nach einer Neuformierung des Kaders samt des Trainerwechsels zum Schweizer Lucien Favre.
Die Elitekicker an der Isar haben auch einen neuen Trainer bekommen. Nach ein paar Spekulationen, wer denn den verdienstvollen Trainer-Senior Jupp Heynckes beerben würde, hatten sich die Bayern-Bosse Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge für einen Fußballlehrer mit „Stallgeruch“ entschieden: Den 46-jährigen, früheren Bayern-Profi Nico Kovac.
Dem in Berlin gebürtigen Kroaten schlug anfänglich eine gewisse Skepsis vonseiten jener Bayern-Fans entgegen, die einen Hochkaräter a la Josef Guardiola oder Carlo Ancelotti erwartet hatten. Doch der clevere Kovac verkaufte sich in fast allen öffentlichen Auftritten so smart, dass er letztlich als eben solche Lösung durchging. Da auch die Spieler zufrieden mit seiner smarten, ehrlichen und direkten Art und dem nun wieder intensiverem Training waren – und die Ergebnisse stimmten – war trotz Rotation im Kader die allgemeine Stimmungslage: Es passt scho…
Doch Fußball ist vor allem ein Ergebnissport!
Und so wird denn nach zwei schwächeren Partien der scheinbar unschlagbaren Bayern deren „Minikrise“ ausgerufen.
Und selbstverständlich wird darauf hingewiesen, was schon vor dem Saisonstart hier und da vereinzelt in den Medien thematisiert wurde: Ob es denn nicht der Moment für einen Umbruch beim erfolgsverwöhnten „Stern des Südens“ (so die Glorifizierung im Fan-Lager) sei?
Die Flügelzange Franck Ribéry und Arjen Robben nun bereits 35 bzw. 34 Jahre alt und gefühlt eine Ewigkeit bei den Bayern, sie kneift nicht mehr. Rafinha (33), Manuel Neuer (32), Jérôme Boateng, Robert Lewandowski und Martinez (30) sind nicht mehr die Jüngsten, Thomas Müller und Mats Hummels mit jeweils 29 schweben bereits knapp vor der 30-er Grenze.
Manche von den Genannten laufen über den Platz mit erkennbaren Alters- und Verschleißerscheinungen. Wer das nicht sieht, der ist blind.
All diese Zahlen und Beobachtungen waren natürlich auch den beiden Entscheidungsträgern Ulrich Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge geläufig. Und so haben sie denn beispielsweise länger als üblich Zeit für eine Vertragsverlängerung bei Robben und Ribery benötigt. Herausgekommen ist nochmal das einjährige Weiterwirken an der Säbener Straße und in der Allianz-Arena. Die Entscheidung fiel zugunsten dieser Sportler bestimmt auch, weil beide in der Endphase der letzten Saison bemerkenswert stark aufspielten. Zudem trugen beide einen erhebliche Anteile an den Erfolgen zurückliegender Jahre bei. Dass sich eine besondere Beziehung zwischen den Fußballern und den Fans entwickelte, das ist doch klar.
Zudem gibt es zwischen Ribery und Hoeneß ein zusätzliches spezielles Verhältnis. Der Bayern-Macher war für den jungen Franzosen eine Art Ersatzvater, half dem mitunter impulsiven und unbedachten Profi aus so mancher Patsche, über die auch Eingeweihte zu schweigen wussten.
Eine Überlegung der Bayern-Führung dürfte auch gewesen sein, dass das RR-Duo könnte mit Leistung, Einstellung und Erfahrung eine mannschaftsinterne Orientierung für Coman, Tolisso und Co. geben könnten und so dem neuen Trainer beim Umgang mit den aktuellen und künftigen Stars als Stabilitätsgaranten zur Seite stehen.
Wie wertvoll eine gelungene Mixtur aus Alt und Jung sein kann, verdeutlicht derzeit Hertha BSC. Kapitän Ibisevic (34), der wuselige Kalou (33) und Torhüter Jarstein (34) ergänzen sich prächtig mit den jungen Wilden von Duda (23) bis Maier (19). Werder Bremen ist wie so oft auch ein gutes Beispiel für einen aparten Mix aus Jung und Alt.
Beim unerwarteten 1:1 gegen Augsburg und dem beinahe sensationellen 0:2 im Berliner Olympiastadion gegen Hertha BSC aber ließ der Champions-League-Starter München trotz der Überlegenheit bei Ballbesitz und Torchancen die Punkte liegen, auch weil Robben und Ribery längst nicht so wie in der Vergangenheit zum Zuge kamen. Tolisso (24) und Coman (22), die erklärten Anwärter für deren Nachfolge, fehlten auf Berliner Rasen. Möglicherweise hätte ihr Einsatz ein anderes Spiel und vor allem ein anderes Ergebnis verursacht. Möglicherweise.
So aber ist deutlich geworden, dass bei den Bayern ein Umbruch auf der Tagesordnung steht. Wobei Umbruch als laufender Prozess zu sehen sein sollte und nicht ein radikaler Wechsel über Nacht. Umbruch beim FC Bayern würde bedeuten, die Einsatzzeiten von Robben und Ribery zugunsten von Tolisso undComan und/oder Goretzka und Genabry zu verkürzen. Und von Hummels (29) oder Thiago und James (beide 27) noch mehr Initiative als Führungsspieler einzufordern. Beides auch auf die Gefahr von beleidigten Altstars. Oder von Ergebnissen – siehe 1:1 und 0:2 –, die hinter den eigenen Ansprüchen herhinken. Dagegen ist in solchen Phasen kein noch so übermächtiger Großverein gefeit. Nicht einmal der FC Bayern München, der sich möglicherweise dieses Mal keine Führungsspieler backen kann. Dann muss er sie halt kaufen oder er wird im Mittelmaß des DFB- und DFL-Fußballs untergehen.