Auf verlorenem Posten – Auf den Weltmeeren birgt Plastikmüll offene und verborgene Gefahren. Eine ARTE-Dokumentation

Der Fluch der Meere: Plastik. Screenshot der ArteTV.de-Website vom 09.01.2013. © WELTEXPRESS

Wissenschaftler um den Meeresforscher Marcus Eriksen haben sich aufgemacht, um im Südpazifik zu erkunden, ob und wie sich Plastikmüll im Meer bewegt, und wo sein Ursprung sein könnte. Sie folgten einer Hypothese des Forschers Nikolai Maximenko, der einen Strudel im Nordpazifik erforscht hatte. Tatsächlich entdeckten sie im Südpazifik einen Müllteppich mit einer Ausdehnung von Tausenden Quadratkilometern fragmentierter Plastikteilchen. Nach bisherigen Erkenntnissen der Ozeanologen gibt es in den Ozeanen, die drei Viertel der Erdoberfläche bedecken, fünf gigantische Müllstrudel. Im Nordpazifik werden allein 100 Millionen Tonnen Plastikmüll geschätzt.  Irgendwann werden Plastikteile durch Meeresströmungen an bestimmte Küsten angespült.

Die Dokumentaristen Max Mönch und Friedemann Hottenbacher wollen das Phänomen aufklären. Sie begleiteten Eriksens Expedition im Südpazifik und interviewten Wissenschaftler in vielen Ländern.

Das Problem sind nicht allein die Müllmengen. Schlimmer sind die unsichtbaren Gefahren, wie der Film sehr gut zeigt. Plastik ist biologisch nicht abbaubar wie Papier, Holz oder sogar Metall. Aber durch ultraviolette Einstrahlung zerfällt Plastik in Bruchstücke und sogar in Nanoteile. Nach Erkenntnissen japanischer Wissenschaftler zieht Plastik Giftstoffe magisch an. Die Partikel absorbieren sie und werden zum Transportmittel der Gifte rund um die Welt. Synthetische Hormone finden sich in Vogelorganismen wieder. Der Weichmacher BPA wurde in Europa verboten, aber Millionen Tonnen sind bereits in die Meere gelangt. Es gibt praktisch kein Meer ohne Plastikabfälle und Gifte mehr. Von Fischen und Tieren gefressen, akkumulieren sich die Gifte über mehrere Stufen und werden über die Nahrungskette zur Gefahr für den Menschen. Die Biologin Angela Köhler schildert, wie Nanoplastik ins Gewebe von Meerestieren eindringt und zum Krebserreger werden kann. Nanoplastik kann sogar über Zahnpasta gefährlich werden. Die Folgen der Verschmutzung der Meere sind noch nicht abzusehen, wie aus dem Film klar wird.

Was Mönch und Hottenbacher anschaulich beschreiben, kann und wird den Zuschauer fürchten machen. Erschrecken kann jedermann. Aber wie wird sich etwas ändern? Die Filmemacher sagen es nicht. Das wäre möglicherweise ein anderer Film. Die Katastrophe beschrieben zu haben, ist ihr Verdienst.

Im ARTE-Magazin 1/2013 versucht Marcus Eriksen Auswege zu finden: Die Konsumwelt sei neu zu überdenken, weniger Abfall sei zu produzieren, weniger Verpackung herzustellen, stärkere Sanktionen gegen jene seien durchzusetzen, die sich weigern, den Wandel mitzumachen. »Unternehmen müssen zur Verantwortung für ihre Rohstoffe gezogen werden und auf wiederverwertbare Materialien umstellen.«

Herstellungs- und Verwendungsverbote können bestenfalls für gesundheitsschädliche Substanzen durchgesetzt werden. Bei radikalen Maßnahmen werden unvermeidlich die Profitinteressen der Chemiegiganten gestört. Und der Handelsketten. Und… Wie Monopole auf Vernunft reagieren, zeigen die Brandrodungen in Südamerika, die Genmanipulationen an Pflanzen und Saatgut und so fort. Umweltaktivisten stehen da meist auf verlorenem Posten. Die ärmeren Länder der Südhalbkugel werden von transnationalen Monopolen ausgebeutet und ihrer Rohstoffe beraubt. Für eine organisierte Abfallbeseitigung fehlt diesen Ländern das Geld. Plastik und Gifte wandern ins Meer. Was wäre, wenn schon mal das Kapital abgeschafft würde?

Es ist ja schon schwer, die Wahrheit über den »Fluch der Meere« in die Wohnzimmer zu bringen. Die Dokumentarfilmer sind Kummer gewohnt: die Hauptsendezeit gibt es für sie nicht. Sie haben den Film schon so unterhaltsam wie möglich gemacht. Doch die ARTE-Redaktion bleibt im Muster.  Was eigentlich in den Schulunterricht gehört, kommt in der Nacht: 22.35 Uhr.

Plastik – der Fluch der Meere, Dokumentation von Max Mönch und Friedemann Hottenbacher, Deutschland 2012, 52 Minuten, Erstausstrahlung auf ARTE, 10. Januar, 22.35 Uhr

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