Was liegt näher, als die Konsumgütermesse Tendence für eine Recherche zu nutzen, die schon im Sommer die Herbstmesse vorholt, weil alles immer früher, immer schneller, immer vorausbedachter im Wirtschaftsleben ablaufen muß, damit die richtigen Gegenstände zur richtigen Zeit für die richtigen Menschen zur Verfügung stehen. Also erst einmal den Messe-Computer fragen. Nach was? Natürlich nach Toilettenbürsten. Das allerdings war ein vergebliches Unterfangen. Solche Produkte gibt es nicht auf der Messe! Nein, genauer, solche Einzelprodukte sind im Rechner nicht angezeigt. Schlau weiterfragen. Was sind solche Bürsten, was ist ein weiterer Begriff, wo sie sich unterordnen. Bad. Also Badebedarf. Nein, Fehlanzeige. Das heißt im Singular Badbedarf. Und schon sind wir fündig. Denn Badbedarf ist tatsächlich elfmal vorhanden. Also schreiten wir die Hallen ab, die Badbedarf versprechen: die Nummern 3 und 4, 5, 6 und 9.
Vier Aussteller scheiden gleich aus. Die einen verkaufen Aufkleber, die man tatsächlich auch auf Toiletten klebt, die anderen stellen die schönsten Spiegel her, Badezimmerspiegel, andere wiederum so etwas wie Bettvorleger, bzw. Badvorleger. Aber dann werden wir fündig und sind bei Koziol gelandet. Eine erstaunliche Firma, die nicht nur eine stupende Auswahl an Gegenständen des täglichen Bedarfs in Küche und Bad, für Essen und Trinken, für unterwegs sowie den Gesamthaushalt haben, und ständig Designerpreise für ihre ungewöhnlichen Gestaltungsideen erhält, eine erstaunliche Firma also, die auch die niedersten Bedürfnisse wie die nach Toilettenbürsten befriedigt. Gleich zweimal. Aber hier schon stellen wir fest, was auch anderswo uns überrascht. Toilettenbürsten sind keine Einzelware, sie sind jeweils in ein Konzept von vielen Badgegenständen eingebunden, also Teil einer Serie. Zwar kann man sie einzeln kaufen, das schon, aber ihre Form und ihre Musterung ist gedacht als Teil eines Gesamtensembles. Wie beispielsweise das mit dem Auge bei Koziol.
Das nennt sich „TOQ“ 5010”¦und hat den Designernamen: Platt & Young, London eingraviert. „TOQ sorgt für außerirdisch gutes Design im Bad“, verspricht Koziol. Ob wir das wollen? „Außerirdisch“ wird dann damit erklärt, daß die beiden Londoner Designer Mutiges lieben und gewagte Formen dazu. Dagegen ist die nett anzuschauende Toilettenbürste aber dann doch harmlos, geradezu irdisch, wenn auch in bunten Farben. Die Bürste steckt offen in einem sich nach oben verbreiternden Becher, ist also die einfachste Form der Toilettenbürste. Als Nr. ”¦502 ist dieser blau mit grüner Bürste und dem schwarzen Auge in der weißen Iris unterhalb des Endes des Siels. Unter ”¦505 erhalten Sie’s in Rot mit orangem Stiel und ”¦526 rein Schwanz oder ”¦525 rein weiß und wenn Sie eine schwarze Bürste wollen, statt der normalerweise weißen, dann ”¦müssen Sie ”¦999 bestellen. Material ist Kunststoff und das Ganze wurde 2001 kreiert, was allen Koziol Gegenständen auf der Unterfläche mitgegeben wird. Kleiner, noch nicht einmal 20 Zentimeter hoch ist die andere Toilettenbürste namens Rio, die wir nicht weiter betrachten, weil uns auf einmal Bomben interessiert, ein Schnurspender, der”¦aber nein, das gehört hier nicht zum Thema. Und danach kommt lange nichts. Keine einzige Toilettenbürste.
Dafür entschädigt uns die Firma Ilona. Erst sehen wir nur die eine, geriffelt und sich nach oben verjüngend, erinnert uns irgendwie an eine griechische Säule, nein, einen Namen hat die Toilettenbürste und Serie nicht, nur die Nummer 993528. Und dann gehen uns die Augen über. Tatsächlich eine Bürste nach der anderen. Eingebettet in die zwanzig vorhandenen Serien, die jetzt doch Namen nach ihrem Dekor haben: Opera Platin hat unten und am oberen Abschluß einen eleganten Silberstreifen, Dekor Bianco ist also reinweiß, wobei wir erst jetzt sehen, daß die Bürste, die uns als Behälter mit Deckel erschien, doch hinten die bekannte Öffnung hat, die Bürste also eingehängt ist, was hygienisch ist, weil die Bürste abtropft und trocknet. Dennoch gefallen uns die geschlossenen Behälter – alles aus Porzellan! – besser, die es hier auch gibt, wobei grundsätzlich zwei Arten zur Auswahl stehen: entweder wird die Bürste in diesen hohen Behälter hineingestellt oder aufgehängt. Letzteres ist die ideale hygienische und wie wir meinen auch praktische Variante. Bleibt die Form.
Da allerdings sind wir bei den 20 Möglichkeiten ratlos. Wollen wir den Schwan, der den geschlossenen Deckel hat, oder das Dekor Italica oder gar Vicenza, was einem grünen mäandernden renaissancehaften Ornament entspricht, wie man es als Begrenzung von italienischer Wandmalerei kennt. Dekor Valencia dagegen ist sonnenfarben in Goldrotorange. Und Aphrodite erst! Sehr elegant und das Rosenmuster hat auch was. Aber der Hit ist dann doch diese Muschel, die sich wie ein echtes Meerestier hier amorph nach oben wölbt und an der Spitze Platz für die Bürste hat, einfach kurios. Das empfinden wir auch bei der Toilettenbürste mit dem Krönchen, die teuerste Serie. Kein Wunder, wenn es so königlich zugeht. Wie gesagt: Jedem Tierchen sein Pläsierchen, die Geschmäcker sind verschieden, aber hier beim Vertrieb Ilona aus Amberg, der die Firma Fantasia ausstellt, finden Sie auf jeden Fall die hygienischen und praktischen Vorgaben erfüllt.
Und dann kommt lange lange nichts. Aber in Halle 9, wo sich hauptsächlich asiatische Anbieter tummeln, finden wir zwei Aussteller, die so phänomenal umfangreiche Toilettenbürstenkollektionen haben, das wir unseren Augen kaum trauen. Tessie Industrial heißt der eine, dessen Generalmanager Melody S.J Lin aus Teipei in Taiwan uns wacker Antwort gibt auf die vielen Fragen, mit denen wir ihn bestürmen, auch, wo man diese Schönheiten in Deutschland kaufen kann. So richtig weiß er es auch nicht, nennt dann aber Douglas als Adresse. Stellen Sie sich runde Behälter vor, die mit Leder verziert sind, in Rot oder Braun, auch Schwarz. Das Dekor ist aber zur Auswahl auch rillenförmig oder besteht aus gehämmertem Chrom, ganz edel der Lack, der an Pompeji erinnert und dieses Flamboyantmuster ist einfach hinreißend. Neben den runden gibt es auch viereckige Formen und mal sind die Behälter offen mal geschlossen, aber immer hängend. Wir wünschen dieser Firma viele Käufer, denn so vielfältige Toilettenbürsten fanden wir nirgends.
Das allerdings hatten wir gedacht, bevor wir bei Usha Exports aus Morabad in Indien landeten. Eine große Anzahl völlig unterschiedlicher Formen und Farben, viele von den Bürsten auch integriert in Ständern, auf denen dann Handtücher hängen und das Toilettenpapier. Sehr formschöne Exemplare sichten wir und wollen die Augen offenhalten, wo man das kaufen kann. Udit Agarwal hat uns ein Foto versprochen, aber so viele Bürsten wir bisher auch ansahen, die dazugehörigen Fotos gibt es kaum, denn Toilettenbürsten kauft man zwar, aber man zeigt sie nicht groß im Bild. Und Usha Exports hat wohl auch noch keinen speziellen Lieferanten in Deutschland. Schade eigentlich, denn die beiden letzten Aussteller in Halle 9 haben das Genre Toilettenbürste tatsächlich herausgerissen und die Toilettenbürsten wahrlich auf den Sockel gestellt.
