Auf dem Motorrad durch das Departement Gard – Berge, Flusstäler, Esskastanien, Weine, Kurven über Kurven und kulinarische Genüsse

Bernd Holstiege on the road again.

Als Jochen Ehlers von Endurofuntours bei mir anfragte, ob ich Interesse an einer weiteren Motorradpressereise, diesmal ins Departement Gard habe, sagte ich sofort zu. Bisher war ich mit ihm zweimal im nördlich benachbarten Departement Ardeche und in Korsika gewesen und hatte seine Organisation und lebhafte Freundlichkeit zu schätzen gelernt. Er veranstaltet seine Pressereisen neben Offroad- und Strassentouren in Zusammenarbeit mit den Fremdenverkehrbüros und versteht es meisterhaft, Motorradfahren mit Kultur, Sehenswürdigkeiten und Kulinarischem zu verbinden. Außerdem stellte er wegen der langen Anreise im Herbst als weiteren Lockvogel einen Autoreiszug der DB in Aussicht. Die in Anbetracht der Umstände des Streiks in Frankreich veränderte An- und Rückreise habe ich im Bericht über die Kawasaki VN 900 dargestellt.

Wegen des Umwegs auf der Hinfahrt aus Alessandria in Italien traf ich statt vor 20 Uhr, der vereinbarten Treffzeit, erst gegen 22.30 im Hotel Magnanerie in Montclus/Bernas ein. Alle hatten sich schon Sorgen gemacht. Mein anfänglicher Mitfahrer, Erwin, war schon vor 20 Uhr eingetroffen. Als Folge hatte ich ein vorzügliches Menü, wie ich hörte, und eine allgemeine Einführung in die Geschichte, Kultur und Sehenswürdigkeiten des Departements Gard von Lysianne, der Fremdenverkehrsbüroleiterin, versäumt.

Montclus liegt 19 km nordwestlich von Bagnols-sur-Cèze malerisch im Tal der Cèze an der Gorges du Cèze (Schlucht der Cèze) in der Region Languedoc-Roussillon. Die Gemeinde hat nur 155 Einwohner und ist um eine Burg aus dem 13. Jahrhundert, ein historisches Denkmal, gruppiert. Über die Cèze führt eine uralte Steinbrücke. Neben dem Fremdenverkehr leben die Einwohner von Weinbau, Anbau und Destillation von Lavendel und der Zucht von Hausschafen. Bernas liegt über der Cèze, ein kleiner malerischer, steinerner Weiler, gegenüber den Hugenottengrotten, davor das Hotel, eine umgebaute alte Seidenspinnerei mit einem malerischen Innenhof und wunderbarem Blick über die Cèze. Die Cèze liegt zwischen den bekannteren Flusstälern der Ardèche und des Gardon und ist bei Kanufahrern ein bekanntes Wasserwandergebiet.

Nach einem reichhaltigen Frühstücksbuffet begaben wir uns – wir, das sind Jochen auf einer Kawasaki Versys mit seiner Freundin Birgit als Auspuffmieze, Fred aus Berlin (www.motorrad-tourer.com) auf einer verkleideten BMW LT, Erwin aus Augsburg auf einer BMW GS und Philipp aus Marseille auf einer 600er Kawasaki)- auf unsere erste Tagestour. Zunächst machten wir Halt am Château de PORTES – einer imposanten Burganlage. Das Festungsschloss liegt am höchsten Punkt einer Passstraße bei Portes, war somit der Wachposten für den Verkehr nach ST. GILLES (Camargue) und auf die „Voie Regordane“ und wurde im Mittelalter von Pilgern ins heilige Land genutzt. Das Festungsschloss ist ein sehr origineller Bau aus verschiedenen Bauepochen des 11., 14. und 16. Jahrhunderts mit einer spitz zulaufenden Wehrmauer in Form eines Schiffsbugs, der die Burg seinen Spitznamen „Schiff der Cevennen“ verdankt. Die Burg ist ein historisches Monument in der Liste des französischen Kulturministeriums. Seit 30 Jahren wird sie dank der zahlreichen Renovierungskurse aktiv renoviert.

Unser nächste Anlaufpunkt war die Rennstrecke POLE MECANIQUE ALES CEVENNES. Wir erhielten eine Einführung vom Direktor Laurent Corric. Sie besteht seit etwa 10 Jahren und wurde von der Stadt Alès und der EU finanziert. Die Miete für einen halben Tag kostet etwa 700€, plus Kosten für den Rennarzt, für einen ganzen Tag über 1200€. Sie wird von Motorrad- und Rennclubs und Herstellern, die dort ihre neuesten Modelle ausprobieren lassen, und natürlich privat angemietet. Die Rennstrecke ist mit einer 2,5 Kilometer langen Piste, griffigem Belag, mal kniffligen, mal schnellen Passagen ausgestattet, bietet ein hohes Sicherheitsniveau und ist außerdem vom Tower aus noch gut überschaubar. Faszinierend war es, den Rennmaschinen zuzuschauen. Es gibt einen Circuit für Motorräder und Autos, einen Crosskurs durch den Wald und einen Gocart-Kurs. Es fehlt auch nicht an einer modernen Infrastruktur, und somit ist die Strecke für Renntrainings einfach ideal. Wir liessen es uns nicht nehmen, eine oder mehrere Runden zu drehen, wobei ich mit meinem schweren Cruiser natürlich ausschliesslich überholt wurde. Zum Lohn bekamen wir ein leckeres Büffet und führten nebenbei Benzingespräche. Vor der Tür konnten wir ein Cross-E-Bike ausprobieren.

Unser nächstes Ziel war die Mine Temoin d’Ales, ein Museum, das eine atemberaubende Retrospektive auf die Geschichte der Kohle vom Anfang bis zur heutigen Zeit bietet, der „Gueules Noires“, im unterirdischen Stollen in Animationen simuliert. Das heutige Museum wurde bis zur Schliessung auch zur Schulung genutzt. Von einem Förderturm führen wir zwar nur in 5 m Tiefe, dort wurden aber die Abläufe in 500 m Tiefe simuliert. Wir sahen die früher benutzten Minenpferde, die dort 4-5 Jahre arbeiten mussten und unter Tageslicht erblindeten, die Förderbänder und Loren, wurden aufgeklärt über die entstehenden Gase, die Explosionsgefahr, deren Verhütungsversuche und die Gefahr von Wassereinbrüchen. Die Besichtigung dieses Museums war für uns ein wirklich interessantes Erlebnis.

Nach diesem ereignisreichen Tag, einer abwechslungsreichen Landschaft und Kurven über Kurven waren wir froh in der Abenddämmerung unser Etappenziel, das Hôtel Restaurant LES BRUYERES in VALLERAUGUE zu erreichen. Wir führen in eine Garage ein, die auch als Schreinerei genutzt wurde. So einfach das Hotel von aussen wirkte, das Menü und die Zimmer waren hervorragend.

Am nächsten Morgen nach einem reichhaltigen Frühstückbuffet erkundeten wir erstmal diesen romantischen, zwischen den Bergen gelegenen Ort, der Fluss, die Kirche, Steinhäuser und Obststände, machten Photos und erlebten eine böse Überraschung. Die BMW von Fred sprang nicht an und ihm blieb nichts anderes übrig als die Dienste des ADAC in Anspruch zu nehmen. Für ihn war die Tour beendet. Er fuhr mit dem Zug heim und sein Motorrad sollte transportiert werden. Dezimiert machten wir uns zum Mont Aigual auf, dem höchsten Berg der südlichen Cevennen, durchfuhren die Klimazonen, bis uns oben am Observatorium ein orkanartiger Wind, etwas Eisregen und sturmzerzauste und tief bereifte, niedrige Föhren erwarteten. Das „Observartoire“ ist die letzte Gebirgswetterwarte Frankreichs, hoch über einem dichten Staatswald mit zahlreichen Baumarten. Ausserhalb der Alpen soll es der kälteste Ort Südfrankreichs sein. Drinnen konnten wir auf 500m2 Ausstellungsfläche in Schaubildern die Landschaft im Winter und Sommer, herrliche Sonnenuntergänge und die Blumenpracht bewundern, aber nur auf Bildern. Draussen war es ungemütlich, und die Sicht war mässig. Weiterhin konnten wir die von Norden ankommenden Luftströmungen im Schaubild sehen, die keine gute Wetterprognose zuliessen. Wir hatten uns auch nur hinauf begeben, falls es keine Nebelfahrt würde. Bei guter Sicht soll man ein Viertel von Frankreich sehen.

Wieder unten angekommen fuhren wir wiederum hoch über ein karstes Kalkplateau zum CIRQUE DE NAVACELLE, einem riesiger Trichter, der durch das Flüsschen Vis im Kalkplateau von Blandas entstanden ist. Die Lage des Dorfes, 300 m tief, mit seiner Grube, verlassenen Schleife und seinem Wasserfall macht diese Stelle wirklich zu einem einzigartigen, idyllischen Ort. Bis auf die südlichere Landschaft erinnerte mich diese Flussschleife an die Saarschleife. In Le Vigan trafen wir unterwegs auf einer Cafépause zufällig Fred, war das ein Hallo, und konnten die neuesten Entwicklungen seiner Rückreise erfahren. Der Nachmittag gestaltete sich entgegen den Flussläufen als eine ununterbrochene Serpentinenfahrt kurvenreich bergauf und bergab auf kleinsten Strässchen mit herrlichen Blicken auf die teilweise im Dunstnebel gelegenen Gebirgsketten. Das wirkte manchmal gespenstig, für meinen Cruiser nicht das ideale Gelände. Aber an den Abzweigungen warteten die Anderen geduldig, ich hoffe nicht allzu lang.

Diesmal vor der Abenddämmerung erreichten wir als unseren nächsten Übernachtungsort das Hotel Restaurant LA PORTE DES CEVENNES, oberhalb von Anduze gelegen. Wiederum genossen wir ein köstliches Menü mit köstlichen Weinen der Region.

Am nächsten Morgen des dritten Tages fuhren wir den Gardon flussabwärts entlang auf teilweise neuen Strassen. Dabei konnte ich es auch mal richtig rollen lassen. Bald gelangten wir nach Vezenobres, einem der spektakulärsten hoch gelegenen Dörfer Südfrankreichs. Der Ort überragt die Garrigue-Landschaft und die weite Ebene, wo die Flüsschen Ales und Anduze zusammentreffen, und gewährt an der Orientierungstafel einen herrlichen Panoramablick. Eine Vielfalt von osmanischen Häusern und das Tor „Porte Sabran“ aus dem 13. Jahrhundert, Passagen mit herrlichen Gewölben und alte enge Gässchen waren zu bewundern. Wir machten ununterbrochen Photos mit und ohne Motorrädern.

Unser nächstes Ziel war der freistehende und imposante "MON BOUQUET", 629 m hoch gelegen, der normalerweise von vielen Paraglidern benutzt wird. Diese waren aber wegen des starken Windes und bedeckten Himmels nicht zu sehen. Von hier oben hatten wir einen herrlichen Rundblick über die Weiten des GARD bis zu den Alpen und konnten im Süden das Mittelmeer glänzen sehen.

Am Nachmittag nach einer längeren Kaffeepause in einem malerischen Restaurant gelangten wir zu unserem nächsten Ziel, dem Weingut Domaine de la Remejeanne bei Sabran. Das Besitzerehepaar führte uns durch ihre Weinkeller in deutscher Sprache und liess uns in ihrer stilvollen Probierstube ihren hervorragenden, biologisch angebauten Wein kosten, natürlich wegen des Motorradfahrens nur in geringen Mengen.

Auf dem Wag zu unserem Ausgangshotel in Montclus/Bernas fuhren wir über La Roque-s-Cèze an der Cèze entlang, machten einen Abstecher nach GOUDARGUES, dem " Kleinen Venedig ". Der Charme des Ortes wird durch seine Restaurantzeile geprägt, die beidseitig vom zentralen Flüsschens im Schatten von mächtigen Bäumen liegt. Vor dem Abendessen blieb uns noch genügend Zeit, auf der uralten Steinbrücke von Montclus Motorradphotos zu machen und auf der Terrasse des Hotels mit Blick auf die Cèzeschluchten und die weite Landschaft einen Anis zu geniessen. Leider waren die Photos wegen des bedeckten Himmels nicht so farbig. Bei einem Menü und Wein und am Morgen bei einem reichhaltigen Frühstücksbuffet feierten wir genüsslich Abschied.

***

Infos:

Endurofuntour: www.endurofuntours.com, info@endurofuntours.com, Telefon: 0049 4825 – 1695

DB AutoZug GmbH
Königswall 21, 44137 Dortmund,Tel. +49 231 729-3330, Fax 729-3333, www.bahn.de/autozug
www.bahn.de/citynightline
Eine von vielen möglichen Strecken ist Neu Isenburg nach Narbonne.

Lysianne Boissy d’Anglas: www.gard-tourismus.com

Hôtel LA MAGNANERIE DE BERNAS Hameau de Bernas 30630 MONTCLUS Telefon: 04.66.82.37.36 www.magnanerie-de-bernas.com

www.tourisme-ceze-ardeche.com

www.chateau-portes.org

POLE MECANIQUE ALES CEVENNES, Vallon de Fontanes, 30520 St.Martin de Valgalgues, Tel 04 66 30 81 33, www.pole-mecanique.com

Mine Temoin d’Alès, Chemin de la Cité Sainte Marie – Rochebelle 30100 Alès www.mine-temoin.fr

Hôtel Restaurant LES BRUYERES Rue André Chamson 30570 VALLERAUGUE Tel 04.67.82.20.06 LOGIS DE FRANCE, www.logis-de-france-gard.com/en/logis/35-les_bruyaeres.htm

Mont Aigoual: www.aigoual.fr

Hotel Restaurant LA PORTE DES CEVENNES 2300 route de Saint Jean du Gard 30140 ANDUZE LOGIS DE FRANCE Tel 04.66.61.99.44 www.porte-cevennes.com

Weingut Domaine de la Remejeanne: www.laremejeanne.com

Vorheriger ArtikelDie tunesische Sahara ist voller Wunder
Nächster ArtikelWie die alteuropäische Aristokratie vor 2500 Jahren Feste feierte und Tote beerdigte – „Fürsten. Feste. Rituale. Bilderwelten zwischen Kelten und Etruskern“ im Archäologischen Museum in Frankfurt am Main