Wie die alteuropäische Aristokratie vor 2500 Jahren Feste feierte und Tote beerdigte – „Fürsten. Feste. Rituale. Bilderwelten zwischen Kelten und Etruskern“ im Archäologischen Museum in Frankfurt am Main

Sei es die Jagd, mit dessen Darstellung man Eindruck schinden konnte, wie auf dem im Bild sichtbaren bronzenen Gürtelblech, auf dem der Moment davor dargestellt ist: noch schreitet er stolz voran, der Hirsch. Er ahnt den Jäger nicht, der merkwürdig klein geraten hinter ihm den Bogen spannt, während der Hirsch das Geweih stolz erhoben und mit dem stibitzten Grün im Maul ahnungslos und stolz von dannen trabt. Aber der stumme Wächter, der ziemlich groß geratene Hund, weiß ganz genau, was gleich passieren wird, wenn der Pfeil seines Herrn getroffen hat und das stolze Tier verendet. Sieger ist immer der Mensch, denn zu seiner Ehre ist diese Bronze hergestellt worden, von der wir nicht wissen, wer sie machte, wen sie darstellt und nur vom Fundort dem slowenischen Molnik Kenntnis haben.

Das gute Stück, das als Kopie nach Frankfurt kam, – die allermeisten der 73 Ausstellungsstücke sind Originale – ist in Vitrine 8 der insgesamt 16 Vitrinen im Archäologischen Museum plaziert, die „Jäger und Wild“ benannt ist, und wenn wir da so selbstverständlich vor uns hininterpretieren, dann hat das damit zu tun, daß zu allen Zeiten Männer und Jagd ein Topos waren und ein Vorrecht der Begüterten. Man brauchte das Jagdrecht, also den Jagdgrund, den Herrn darüber und die wilden Tiere, die vom Menschen gezähmt oder erlegt werden. Deshalb fällt uns heute die „richtige“ Interpretation in den Schoß, denn wir kennen die Erzählungen aus der Antike genauso wie das Symbol selbst, das als „Der Herrscher als Jäger“ aus dem Vorderen Orient kommt.

Der Herrscher war überall der männliche Jagende, aber das Tier veränderte sich: war es ursprünglich der Löwe, der besiegt werden mußte, ehe man gekrönt werden durfte – was auch auf die christliche Symbolik übergriff bei Daniel in der Löwengrube -, hatte diese Tierfunktion bei den Kelten der Eber übernommen, der angriffswütig zeigte, wer der eigentliche Herr war, wenn man ihm den Garaus machte, was ohne Netz geschehen mußte, wollte man zu den Auserwählten bei der Tischgesellschaft gehören. Im Vergleichsbeispiel, ebenfalls einem bronzenen Gürtelblech aus Ljubljana, ist dieser Eber zu sehen, der vom reitenden Jäger mit einem Speer verwundet wird, während der geschockte Hirsch vom Hund in Schach gehalten und angegriffen wird. Hört man dann noch, daß im Keltischen das Wort „Torc“ sowohl den Eber wie auch den Fürsten bezeichnet, dann staunt man, wie einen alleine die Bilder in die richtige Richtung weisen, einfach weil sie überzeitliche Aussagen erlauben.

Die Hirschjagd allerdings benötigt andere Finessen, denn hier muß man nicht mit Gewalt, sondern mit lautlosem Schritt diesen König der Wälder verfolgen, flink und gelenk, wie ein Krieger auch sein muß. Nahe waren sich diese Eigenschaften, die sich im Jäger vereinten. Diese Stücke sind vom Ende des 6. Jahrhunderts/Anfang des 5. Jahrhunderts und die Gräberfunde zeigen uns, daß Slowenien das Hauptgebiet dieser Bronzekunst war, die zudem aus getriebenem Bronzeblech Gefäße herstellte und diese mit Bildstreifen verzierte. Eimer sind es, würden wir heute von der konischen Form sagen, aber die archäologische Bezeichnung „Situla“ bedeutet übersetzt nur „Topf“ und zu ihnen gehören also auch andere Formen. Diese Situlen hatten die Funktion, den Wein zu einem Festmahl möglichst sicher zu bringen und reichhaltig dazu, denn in einer Darstellung ist auch das kunstvoll gestaltete Holzgestelle mit sechs hängenden Situlen zu sehen, als Teil des gesamten Bilderfrieses der vom Festmahl erzählt.

Daß wir diese ungewöhnlichen Stücke überwiegend in Originalen in Frankfurt als vierter Station der Reise sehen können, hat das Naturhistorische Museum in Wien möglich gemacht, oder doch eigentlich ihr Direktor der prähistorischen Abteilung, Anton Kern, der die gute Situation, daß das Museum renoviert wird, mit der bedauerlichen, daß er zukünftig weniger Platz für die Sammlung hat, mischte und die Stücke auf Reise schickte. Leider sind unsere Bildungsbürger zwar erfahren in den antiken Kunstschätzen, welche Kostbarkeiten aber diese schriftlose Zwischenwelt des ostalpinen Raums zwischen den Völker im Norden und der antiken Welt im Süden hervorgebracht haben, was durch die Grabfunde überlebte, das ist meist unbekannt. Deshalb ist auch die Hallstattzeit, deren Funde aus Hallstadt auch hier eine große Rolle spielen und wo derzeit im Sommer Anton Kern ausgräbt und immer noch archäologische Schätze findet, noch immer eine besondere Bemühung wert, deren große kulturhistorische Bedeutung Direktor Egon Wamers durch mehrere Ausstellungen fördert.

Es ist von daher eine gute Idee, daß den thematisch gegliederten Vitrinen mit dicken Litfaßsäulen, um die herum die Bilderstreifen von den Situlen vergrößert zu sehen sind, ein weiteres Medium zur Verfügung gestellt ist, das sogar einen Guckkasten hat, in dem Videos ablaufen, und zum Beispiel bei der einen Säule, die ein bronzenes Wagenrennen zeigt, ein Autorennen als Video flimmert. Schließlich ist die Absicht der Ausstellung, diese Gegenstände nicht nur als tolle, aber tote Materie vorzuführen, sondern unsere Phantasie anzuregen, sie sich im Lebensbezug der damaligen Menschen vorzustellen.

Das Archäologische Museum Frankfurt hat zudem aus dem eigenen Bestand das hallstattzeitliche Fürstengrab – gefunden im Frankfurter Stadtwald und auf ca. 700 vor chr. datiert – in die Ausstellung eingefügt – Kuratorin Kim Hofmann hat dazu einen interessanten Beitrag im Katalog -, das zeigt, daß das Protzen der Oberschicht auch hierzulande geübt wurde. Das zeigen die kostbaren und den Alpenfunden identische Grabbeigaben, dem an der Wand darüber ein Wandgemälde beigegeben ist, wie man sich so einen Leichenzug eines Hochgestellten vorstellen könne. Allerdings fällt eines sogleich auf. Die Form der Situlen ist gleich geblieben, aber die Bilderstreifen auf ihnen fehlen. Weshalb also das Geschichtenerzählen auf Bronze und Keramik nur im Kerngebiet rund um Slowenien stattfand, das ist eines der Rätsel, die die archäologische Wissenschaft weiter beschäftigt.

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Infos:

Ausstellung bis 20. März 2011

Katalog: Fürsten. Feste. Rituale. Bilderwelten zwischen Kelten und Etruskern, hrsg. von Egon Wamers, Archäologisches Museum Frankfurt 2010 Dringend zum Kauf zu empfehlen ist dieser knappe auf das Wesentliche reduzierte und mit reichem Bilderschatz handliche Katalog, der sinnvoll erst einmal die Regionen zeigt, wo die Fundstücke herkommen, diese Region aber als Teil der antiken Welt zeigen, wie es eine Karte aus dem 5. Jahrhundert vor Chr. auf Seite 10 tut, die nach Angaben des griechischen Historikers Herodot verfaßt unser Fundgebiet nordöstlich als „Enetoi“ ausweist, was den Venetern entspricht. Und auf einer zeitgenössischen Karte sind dann alle Fundorte aufgewiesen, als nördlichster Kuffern und als südlichster Mittelitalien, als Schwer- und Mittelpunkt Slowenien, wo in Gräbern Gefäße aus Bronze gefunden wurden, die mit Darstellungen geschmückt sind und von denen die eimerartigen, die Situlen, nur in dieser Region zu finden sind. Die Bilder sind im Druck von außerordentlicher Deutlichkeit und man staunt ob der Gewandtheit der Darstellung, die einen eigenen Charakter hat, vergleicht man sie mit den geläufigen antiken. So sind die Mützen ganz eigen und die Frauen- und Männerkleidung sehr speziell, dann wiederum gibt es griechische Vasenbilder, wie das aus dem Kunsthistorischen Museum Wien, wo die gleichen Gestalten auftauchen. Die Themen der Ausstellung werden im Katalog alle aufbereitet und abschließend werden die Vitrinen dann noch einmal zusammengefaßt. Nicht klein, aber fein!

 www.archäologisches–museum.frankfurt.de

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