Wir auf jeden Fall können beurteilen, daß das ein schöner Ball wurde, der als fünfter Deutscher Apothekerball ab 18 Uhr in der Alten Oper begann. Mit rund 1800 Teilnehmern war diese zum Multikomplex aufgebaute Ruine nicht derart vollgestopft, wie sie andere Bälle durchaus zur Qual machen. Und man konnte beobachten, daß es nicht nur der Spaß an der Freud war, den Ballteilnehmer miteinander teilten, sondern daß tatsächlich viele der Gespräche erst einmal einen fachlichen Hintergrund hatten und man dann zum Persönlichen überging. Es macht eben doch einen Unterschied aus, ob ein zusammengewürfeltes Publikum unter dem Stichwort „Ball“ zusammentrifft, oder eine weitgefaßte Berufsgruppe, die hier als Ballgäste angesprochen sind.
Nimmt man die entspannte Atmosphäre zum Maßstab, dann muß es den deutschen Apothekern und der Pharmaindustrie sowie Vertretern des Gesundheitswesens ganz schön gut gehen, denn sowohl das Verhalten der Ballgäste wie auch ihre Bereitschaft zu spenden, spricht dafür. Die Lose für die Tombola selbst – Hauptpreis war ein VW Scirocco – waren mit der Nummer der Eintrittskarte abgegolten und das muß schon am spannenden Unterhaltungsprogramm außerhalb des Großen Saales, wo die festlich gedeckten Tische und die Bühne für alle da waren, gelegen haben, daß alle Preisträger bei der durch Moderatorin Nina Ruge vorgenommenen Preisverleihung, d.h. dem Wunsch danach, kein einziger Preisträger im Saal die Hand hob, also keiner auf die Bühne kam, wirklich keiner, und den Preis als Scheck in die Hände nahm. So dachten wir jedenfalls, daß es das vielseitige Rahmenprogramm außerhalb gewesen sei, bei dem wir auch hängen geblieben waren, bis uns die Pflicht in den Großen Saal zur nicht vollzogenen Preisverleihung rief.
Ein Insider aber, ein echter Apotheker verriet uns anschließend, es sei einfach nicht Apothekerart, dort vor allen Gästen nach vorne zu gehen und sich und sein Los zu präsentieren. Der echte Apotheker, raunte er uns zu, genießt schweigend und holt sich seinen Gewinn im Anschluß inkognito ab. Aha, wirklich was dazu gelernt, denn bei anderen Bällen können die Gewinner nicht schnell genug auf die Bühne klettern und sich und ihr Los präsentieren. Nun sind die Losgewinne ja gestiftet und wie es dann zum finanziellen Erlös zur Tombola kommt, kann nur mit einer Abgabe der Organisatoren zustande kommen. Auf jeden Fall geht diesmal der Erlös an die Organisation „Kinderherzen wollen leben e.V.“, ein Verein, der das Kinderherzzentrum am Universitätsklinikum Kiel in Schleswig-Holstein unterstützt.
Die anderen neun Gewinne waren auch nicht schlecht. Wir hätten die Loewe LCD-TV mit 117 cm und 80 cm Bild gut brauchen können, und ein Sony Vaio Notebook, das haben wir selber, auf dem wurde nämlich dieser Artikel in Stichwörtern geschrieben und wir gratulieren dem Gewinner herzlich. Ein Gewinn fürs Leben. Auch die AIDAdiva Reise in die Vereinigten Arabischen Emirate hätte uns gut getan. Diese Preise kommen nicht, wie wir es sonst kennen, von den Herstellern/Vertreibern, sondern werden von Firmen im Arzneisektor gesponsert. Wir würden gerne uns für das nächste Mal als Schreibwerkstätte anbieten, will sagen, daß man dieses bei uns lernen kann. Denn daran, am schönklingenden Umgang mit den deutschen Wörtern mangelt es den Apothekern mit ihren Apothekerlatein noch ganz schön.
Wir waren aber jetzt flugs unserer Zeit voraus. Denn angefangen hatte es mit dem Defilee auf dem Teppich in die Alte Oper, das immer von den Berufsfotografen begleitet wird, die dann Bilder produzieren, die so schön sind, wie man in Wirklichkeit gar nicht aussah. Das macht aber nichts und ist allen lieber als umgekehrt, was jedes 20. Mal vorkommt. Drinnen hatte um 19 Uhr ein Feuerwerk mit Lasershow die Begrüßung durch den ANZAG-Vorsitzenden Thomas Trümper und die Moderatorin Nina Ruge vorbereitet. Ab 19.30 gab es dann das Festmenü, wo die Gäste unter sich bei Musik tafeln.
Ab 20 Uhr wird es dann in der Ebene zwei und drei voll, die Flaniergäste kommen, also diejenigen, die keinen festen Platz im Großen Saal der Oper haben und kaufen wollten, sondern die verbilligte Version, sich herumzuschauen bei den verschiedenen Ständen im Haus, sich beispielsweise die Schuhe auf so schön altmodische Art, die in Südamerika noch lebt, putzen zu lassen. Gleich bedauerten wir, nicht eine ganze Batterie mitgenommen zu haben. Übrigens können die Flaniergäste wie alle anderen nach 21.30, wenn der große Saal für alle geöffnet wird, mittanzen und dort bis zum Schluß gegen Frühmorgens bleiben. An diesem Abend trat ab 22.30 für eine Stunde Sarah Connor und ihre Band auf und wir hörten zweierlei: es sei wunderbar gewesen und/oder es sei zu laut gewesen. Wir nämlich hatten sie nicht mitbekommen und das kam so: wir blieben im Casinobile hängen!
Was ein Casinobile ist, wußten wir zuvor auch nicht. Heute würden wir sagen, es ist die absolut gekonnte Verführung, das Pokerspiel zu erlernen und durchaus auch in dieser Form geeignet, glücksspielsüchtig zu machen. Das haben wir an eigenem Leibe erlebt, denn immerhin dauerte unser Verbleib zweieinhalb Stunden. Das lag sicher auch an der jungen Dame, die mit einer Geschicklichkeit in den Fingern die Spielchips genau so gekonnt ineinanderfügte, wie sie vor allem die Herren durch munteres Verhalten an den Tisch zerrte und erst recht dort hielt. Wir sprechen mit aufrichtiger Bewunderung von ihr, der uns noch Namenlosen, Fachkundigen und schön Aussehenden, der wir alles aufs Wort glaubten, auch daß sie schon vierzig Stunden ohne Unterbrechung gepockert habe.
Unser weiblicher Croupier, sagt man so?, erfasste mit einem Blick die Spielsituationen, auch, ob die Teilnehmer wissen, was sie da tun, oder Anfänger sind, die Karten waren ihr fast durchsichtig, weil sie sich wohl in den Augen der Umsitzenden spiegelten, ja ein Pokerface muß man erst kriegen, sich hart erarbeiten. Aber wir, seien wir ehrlich, haben dazu Talent. Denn als absolutes Grünhorn gestartet, setzten wir erst einmal alles, was wir an Chips als Vorauszahlung bekamen, in den Sand, erhielten aber – ach, ist das eine nette Geste – dasselbe noch mal: die 10er, 20er, 100er und 500er. Und nun ging’s los. Man muß wirklich sofort die Karten abgeben, wenn’s nicht erfolgreich scheint. Manche sind so schlimm, daß man schon vor Beginn aussteigen sollte, aber meistens weiß man das erst, wenn nach den Zahlrunden – eine Wissenschaft für sich – die Karten aufgedeckt werden.
Denn diese Karten kann man mit den eigenen kombinieren, um herauszufinden, ob man Chancen hat. Und wenn nicht, muß man echt zocken. Meist merkt man, ob sich die anderen ins Bockshorn jagen lassen. Das haben wir nur einmal frech durchgezogen und abkassiert. Und Gott sei dank muß man die Karten, bleibt man alleine übrig und streicht das Geld der anderen ein, nicht aufzeigen und muß also auch keinen schuldbewußten roten Kopf bekommen. Zweimal haben wir ganz regulär teilgewonnen. Da hatten wir eine Dame Karo und eine Zwei Kreuz, keine tollen Karten, aber die nämlichen lagen auf; nun hatte der letzte Mitspieler dieselbe Kombination. Das war schon komisch, vor allem als es sich mit anderen Karten wiederholte. Auf jeden Fall stieg das Häufchen der gelben Fünfhunderterchips so bedenklich an, daß es zu kippen drohte. Also ein bißchen Harakiri gemacht und die Mitspieler verwirrt, das geht sehr gut, wenn es anderer Leute Geld ist, bis alles weg war, damit wir endlich aufstehen konnten.
Mit aller Kraft losgerissen haben wir uns vom Spieltisch, den wir uns gegenüber als notwendige Recherche bezeichneten, wenn man über die Vergnügungen auf dem Ball berichten will. Zu denen gehörte auch die Dame, die unentwegt die Porträts zeichnete, eines nach dem anderen und wirklich sehr ähnlich. Das ist eine gute Idee der Veranstalter, solche Dinge zu finanzieren, damit die Gäste ihren Spaß haben. Zum Pokern ist übrigens nachzutragen, daß natürlich auch ein großer Roulettetisch vorhanden war, wo sich die Gäste drängelten. Aber wir, wir werden nur noch Poker spielen, wenn wir überhaupt spielen.
Mit dem Menü von Käfer waren die Große Saal Gäste rundherum zufrieden, obwohl man sich immer wundert, wohin die, die gerade vom Speisen kommen, sich dann die Goulaschsuppe, die Weißwürste, natürlich mit süßem Senf, und die Kalbsbuletten noch hinessen, die es an den Eßständen im 2. und 3. Stock gibt. An mangelnder Menge des Menüs liegt es auf jeden Fall nicht. Aber schon so ein bißchen daran, daß man bei solch einem Ball mal über die Stränge schlägt, auch die des gesunden und bescheidenen Essens, zu dem man als gesundheitsbewußter Apotheker ja geradezu verurteilt ist. Sagen wir mal, die haben sich dann alles abgetanzt, denn sowohl die Tanzfläche im Großen Saal wie auch die im 2. Stock war mehr als ausgelastet. Auch etwas, was wir an diesem Abend lernten. Apotheker tanzen gerne und viel und sie feiern ausgelassen. Da capo im nächsten Jahr.