Berlin, Deutschland (Weltexpress). Alte Kanzler, die nicht mehr regieren, werden in der Republik Österreich und in der Bundesrepublik Deutschland nicht nur als Wachsfiguren ausgestellt, sondern auch Altkanzler genannt. Diese ehemaligen Amtsinhaber müssen, wenn sie Gehör finden wollen, nicht nur dem Polit-Betrieb in Berlin und Wien entsagen, entweder Rosen züchten oder sich um Rohöl kümmern, sich auf jeden Fall im öffentlichen Bewusstsein der Republik rar machen.
Selten kommen, aber wenn, dann gewaltig. Gas-Gerd gelingt das. Wenn er sich politisch äußert, knallt das Gesagte umso heftiger. Den größtmöglichen Kracher zündet ein Altkanzler, der abkanzelt. Gemeiner geht`s gemeinhin nicht.
Darauf, dass Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) im „Spiegel“ SPD-Parteichefin Andrea „Nahles für ihre Neigung zu flapsiger Wortwahl“ rüge und „ein Comeback Sigmar Gabriels“ anrege, weist „Spiegel-Online“ (1.2.2019) hin. Mit den Worten „Sigmar Gabriel ist vielleicht der begabteste Politiker, den wir in der SPD haben“ wird Schröder, der betont haben soll, dass der Kandidat der SPD über „ökonomische Kompetenz“ verfügen müssen, zitiert. Nahles sprach er die Sache mit der Kompetenz ab. „Ich glaube, das würde nicht mal sie selbst von sich behaupten“, soll er gesagt haben.
Helmut Schmidt würde, wenn er könnte, diese Aussage bestimmt unterschreiben. Vermutlich dreht er sich angesichts des desaströsen Bildes, das die Nahles-SPD abgibt, im Grabe um.
Sigmar Gabriel und Martin Schulz könnten nach dem SPD-Vorsitz greifen, aber sie werden es nicht wie einst Oskar Lafontaine wagen, der Rudolf Scharping herausforderte, aber an die herausragenden Hochzeiten eines Kurt Schumacher, Erich Ollenhauer und Willy Brandt werden weder Gabriel noch Schulz heranreichen. Die SPD hat fertig und wurde von Leuten wie Gabriel und Schulz genau so runtergewirtschaftet, wie von Nahles und Olaf Scholz, der in Berlin nicht weniger als Nahles ein Totalausfall ist.
Darauf hat auch SPD-Bundestagsabgeordneter Florian Post hingewiesen, der Schröder via „Focus-Online“ (1.2.2019) sekundierte. „Wir verschrecken die Leute mit unserem derzeitigen Auftreten. Wer soll uns denn da noch wählen?“ Wohl wahr.
Die üblichen Kritiker wie Thorsten Schäfer-Gümbel und Kevin Kühnert stimmen ein. In der SPD scheint sich ein Anti-Nahles-Chor zu konstituieren. Vor allem Post und Schäfer-Gümbel haben die heftigen Wahlniederlagen der SPD in Bayern und Hessen offensichtlich noch im Hinterkopf.
Auf weitere Wahlniederlagen scheinen sie und vor allem Schulz und Gabriel zu warten. Schulz wollte Gabriel einst das Amt des Außenministers wegnehmen. Am Ende verloren beide. Heute sind sie nur noch Hinterbänkler im Reichstag. Doch Ruhe und Rente scheinen den beiden nicht zu reichen. Kommt noch was? Oder bleibt es beim Abkanzeln des Altkanzlers?