Abdullah Gül und die „Türban-Frage“

„Was soll das denn? Jeder soll die Freiheit haben zu sagen, was er denkt, was er schreibt und was er anzieht. Das immer wieder auf die Agenda zu bringen, ist doch sinnlos“. Das sagte Abdullah Gül bei seiner Rückkehr aus Türkmenistan, als er von einem Reporter zur Kopftuchfrage angesprochen wurde. „Offen gesagt, habe ich Nase voll von diesem Turban-Thema. Selbstverständlich haben Sie als Journalist das Recht dazu, zu fragen, aber von diesem Thema habe ich tatsächlich inzwischen genug. Was soll das denn? In der Türkei gibt es so viele Themen zu besprechen. Unsere demokratischen Grundrechte und Freiheiten werden wie in Europa sein. Die Türkei wird auf den modernsten demokratischen Stand gebracht. Darum legen wir auch größten Wert auf die demokratisch-freiheitlichen Grundrechte“.

Es ist die ewige Diskussion, ob das Tragen eines Kopftuches zu den freiheitlichen Grundrechten einer türkischen Staatsbürgerin gehört oder nicht. Seit die AK-Partei von Tayyip Erdogan und Abdullah Gül die türkischen Staatsgeschäfte übernommen hat, ist die hitzige Diskussion um den „Türban“, das eng am Kopf anliegende und um den Hals gebundene Kopftuch, nicht mehr abgerissen. Irgendwie verständlich, dass der türkische Staatschef nicht mehr andauernd darauf angesprochen werden möchte, wenn man dazu noch bedenkt, dass letztlich er selbst es war, der mit seiner First Lady diese Debatte überhaupt in Gang gesetzt hat.

Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk hatte jegliche Kopfbedeckungen, und damit auch das Kopftuch, aus öffentlichen Einrichtungen verbannt. Schon mit der Wahl von Erdogan zum Ministerpräsidenten zog eine Türban tragende Frau, nämlich Erdogans Ehefrau Emine, an der Seite ihres Mannes in Ankara ein. Die meisten Kemalisten empfanden dies als Affront gegen die laizistische Republik Türkei. Kurz darauf wurde Abdullah Gül im dritten Wahlgang zum Staatspräsidenten gewählt. Auch seine Frau trägt den Türban. Wie befremdlich diese Kopfbedeckung einer First Lady in der Türkei ist, kann vielleicht an der Tatsache gemessen werden, dass es erst den Staatsbesuch eines deutschen Bundespräsidenten brauchte, damit Frau Gül nach drei Regierungsjahren ihres Mannes erstmalig gemeinsam mit Christian und Bettina Wulff die Militärparade abschritt.

Natürlich hat Abdullah grundsätzlich Recht wenn er sagt, es gebe in seinem Land andere Dinge zu besprechen als immer wieder nachzufragen, ob nun die Kopftücher und Turbane in Universitäten und anderen öffentlichen Einrichtungen erlaubt sein sollen oder nicht. Da ist es auch keine große Hilfe, dass Hayrünnisa Gül kürzlich bekannt gab, sie halte nicht viel davon, dass Mädchen bereits in der Grundschule Kopftücher tragen, da sie in diesem Alter noch nicht in der Lage seien, selbst zu entscheiden, ob sie nun bedeckt oder nicht bedeckt sein wollten.

Seit einigen Wochen kursiert ein Video im sozialen Network „Facebook“, in dem eine Studentin im Hippie-Style der 70-er zu der Kopftuchfrage an türkischen Hochschulen befragt wurde. Diese Studentin erzählt dort, dass einigen männlichen Studienkollegen das Tragen einer Mütze verboten wurde, aber das Tragen von Kopftüchern in den verschiedenen Stilrichtungen, die zur Zeit eine Art „islamische Mode“ darstellen, toleriert wurden.

Wenigstens hat diese Studentin sich die Freiheit genommen laut darüber nachzudenken, wo denn der Unterschied zwischen Mützen und Kopftüchern – beides schließlich Kopfbedeckungen – liegen könnte.

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