Aalands – Nordfriesland der Ostsee? – Hütten-Aktiv-Ferien auf den sonnigen „Inseln des Friedens“

Abendstimmung am See

Also recken und strecken wir uns wie Aerobic-Fans und können schließlich an die Dame hinter der Scheibe vermelden: „Unter zwei fünfzig!“ Folglich dürfen wir „Umanak“ und „Pero“ risikolos auf dem unteren Autodeck der schwimmenden weißen Riesengarage "Silja Serenade" (58.000 BRZ) parken – ohne befürchten zu müssen, das nächsthöhere Deck der Fähre zu rammen.

Nach einer urlaubseinstimmenden Schärenkreuzfahrt über die kajakruhige Ostsee Ausschiffung nach gut fünf Stunden zur Mittagszeit in Mariehamn, "Stadt der Seefahrt". Wie oft sind wir hier schon gewesen – allerdings nur mit der Nachtfähre auf der Durchreise von Schweden nach Finnland. Insel-Stippvisite im Tiefschlaf. Hätten wir damals schon gewusst, was wir verpassen!

Alles überragend die 1903 gebaute ehemalige Hamburger Viermastbark "Pommern", heutiges Wahrzeichen der Aalands. Sie sind zwar erst seit 1921 autonom, aber gehören schon seit 1917 zu Finnland (vorher zu Schweden und Rußland). Landessprache ist Schwedisch.

In Deutschland weiß man anscheinend wenig über die 6500 sonnigen entmilitarisierten "Inseln des Friedens", auf denen nur 25.000 Menschen leben. Wir machten die Probe aufs Exempel – und waren völlig verblüfft von den Antworten: "Liegen die nicht vor Norwegen?", meinten die einen zögerlich und – kein Witz! – andere verlegten sie, ohne rot zu werden, gar nach Nordfriesland. Na ja, ein paar Gemeinsamkeiten lassen sich bestimmt finden wie zum Beispiel einige Landschaftselemente und Eigenständigkeit.

Blitzende Seestücke zwischen Hügeln

Eine halbe Stunde Autofahrt – ohne deutschen Straßenstreß – sind es bis zu „unserem“ Ferienhaus. Die Blechlawine verflüchtigt sich – Gott sei Dank! – schon gleich hinter der gemütlichen Insel-Hauptstadt.

Hügelauf, hügelab, durch dichtes Nadel- und Birkenwaldspalier, windet sich das schwach befahrene Asphaltband. Immer öfter blitzt ein blaues Seestück durchs Gehölz. Das älteste Gestein der Welt, der granitene Baltische Schild, und die Eiszeiten standen Pate für diese attraktive Landschaftstrilogie aus Wald, Wasser und Fels.

Um überhaupt zu unserer Hütte – sie soll uns die nächsten zwei Sommerwochen gehören – zu finden, haben wir eine detaillierte Wegbeschreibung mitbekommen. Zur Sicherheit lotst uns der Besitzer mit seinem Wagen. Letztes Stück: eine kilometerlange Sandpiste, auf der der Wagen ins Schleudern gerät wie im Winter auf eisglattem Untergrund. Die Kajak-Resonanzböden verstärken das markerschütternde Rütteln der Wellblechpiste. Undurchdringliche Staubwolken vernebeln die Sicht nach hinten. Ende der Wüsten-Wald-Strecke. Vor uns auf einer baumbestandenen Halbinsel unsere Blockhütte, gleich dahinter der See, gegenüber rostrote Granitklippen. Weit und breit kein Nachbarhaus.

Erste „Amtshandlung“: Abladen der Boote und „Taufe“ mit Ostsee-Wasser. „Willkommen!“ Die Besitzer-Familie versucht uns dann in einem Gemisch aus Schwedisch und Englisch mit dem Häuschen vertraut zu machen. Dazu gehören ein Ruderboot, separate Sauna, Herd, Kühlschrank und Quelle im Wald. Gas, Holz und sogar Solarkraft sind unsere Energiequellen. Bis wir deutschsprachige Gebrauchs- und "Verhaltensanweisungen" entdecken. Beide Seiten sind zufrieden, und die Aaländer verabschieden sich, unaufhörlich lächelnd und winkend.

Wasserlandschafts-Touren

Wir sind allein in der Wildnis! Ringsum, so Karte und Augenschein, nur die typischen Landschaftselemente. Vor allem viel, viel Wasser. Das ideale Kajakrevier. Früher ging so eine Tour nur per Zelt ab. Heute, „ein bißchen älter geworden“, freuen wir uns auf das gemütliche Haus mit seinem bescheidenen Komfort. Bei Regen in ein nasses Zelt zu kriechen – keine wahre Freude. Nach einem langen Tages-Kajaktörn noch in der „eigenen“ Sauna zu schwitzen und anschließend vor dem knisternden Kaminfeuer zu hocken – ein durchaus angenehmes Gefühl. Außerdem ist dies die landestypische Urlaubsform.

Das von Wasser durchdrungene Revier bietet viele Tourenmöglichkeiten direkt von der Haustür aus. Auch mit dem hauseigenen Ruderboot oder einem Leihkajak.

Zur Abwechslung steigen wir auch in die Pedale. Die Inseln entpuppen sich mit ihrem gut ausgebauten Wegenetz als Radel- und Wanderparadies. Ob zum Schloss Kastelholm, auf den Spuren von Steinzeitjägern zwischen Orrdalsklint und Langebergen, aaländischer Weltgeschichte auf Prästö oder zu den Orchideen von Ramsholmen. Seefahrts-Interessierten bietet Mariehamn gleich zwei Museen – und natürlich den 4050-Tonner "Pommern", letzter unveränderter Großsegler seiner Klasse.

Schwitzen und Relaxen

Wir staunen auch, was man so alles im Umfeld einer Hütte unternehmen kann!

Nach der Morgentoilette – für „das andere“ gibt’s ein Trockenklo – am Bootssteg, dort liegt auch der Kahn vertäut, gehen wir erst mal auf „Kontrolltour“, die Fischreuse nachsehen. Könnte ja das „Abendbrot“ drin sein.

Auf der topografischen Karte 1:100.000 wird ein Rundkurs abgesteckt, der mit Pausen gut abzupaddeln ist. Mal geht es über den zur Ostsee offenen See, so dass das Seayak „Pero“ wellenfreudig reagiert; mal durch schmale Felskanäle und an Dutzenden von Inseln vorüber. Deren glattgeschliffene Buckel mit vom Eis ausgeschürften Einlaufbuchten verlocken zum Anlegen. FKK-Baden, Sonnen auf durchwärmtem Fels, Blaubeeren- oder Pilzesammeln – oder auch nur ein entspannendes Erholungsschläfchen halten. Die Seele vom Boot aus baumeln lassen, das läßt sich hier trefflich machen.

Zum „Fünfuhr-Tee", aber ohne Uhr, machen wir wieder am heimischen Steg fest. Je nach Lust und Laune.

Die Sauna soll angeheizt werden (etwa eine Stunde braucht’s bis zur Schwitztemperatur zwischen 60 und 75 Grad Celsius); vielleicht muss noch Holz gehackt – das ist zwar vorhanden, die Arbeit macht aber Spaß – oder Wasser neben dem Ofen aufgefüllt werden.

Natur-Inventar satt

Zwischenspiel: Das intensive Abendlicht bietet sich Hobbymalern an zum Aquarellieren und Fotografieren. Die Inselchen rings um das Haus sind ideale Standorte dafür. Sie dienen allerlei Vogelarten wie Kanadagänsen – die lassen sich sogar vom Steg aus füttern – Kranichen, seltenen Enten und Tauchern als Rast- und Ruheplätze. Ein majestätisch kreisendes Seeadler-Paar gehört fast schon zum Inventar.

Übrigens: Gegen das Vorurteil Nummer eins „Mücken“ kann man sich schützen; die Nummer zwei heißt „Kälte“. In der Schule mal was von „kontinentaler Wärme“ gehört? Na, also, die hatten wir nicht nur im vergangenen Sommer mit bis zu 30 Grad im Schatten "satt". Apropos: An Verpflegung haben wir fast alles im Auto aus Deutschland mitgenommen (so manches ist teurer, vor allem Alkoholika). Dazu kommt, dass der nächste Supermarkt 15 Kilometer von unserer Hütte entfernt ist. Sinnvoll erweist es sich, schon zu Hause einen Menüplan zu erstellen, so dass wir nicht in „Proviantnot“ geraten können.

Lebensnotwendige Vitamine ergänzen wir gratis während unserer Streiftouren direkt aus der Natur. Angel-Freaks kommen zudem auf ihre Kosten. Frischen und geräucherten Fisch aus einheimischen Gewässern gibt es ausserdem preisgünstig zu kaufen.

Unendliches Ruhegefühl

Nach der Sauna mit Abkühlungssprüngen in den See ein eiskaltes Helles zum Abendbrot auf der Terrasse mit Naturblick – doppelter Genuss! Vor uns leuchten Wald, Fels und See im letzten Abendlicht. Die Tagesabschluss-Kajakfahrt zum Sonnenuntergang muss einfach noch sein. Wir durchschneiden die kilometerlange gleißende Sonnenbahn mitten auf dem stillen Seespiegel. Ein unendliches Gefühl der Ruhe durchströmt uns. Ich habe Hemmungen, dieses Bild durch Paddelschläge zu zerstören. Der hohe, weite Mittsommernachtshimmel glüht in allen Rottönen noch lange nach, während wir nur Wellenkreise hinterlassen.

Tagesausklang bei Spiel, Büchern und Wein. Kerzen und Kamin liefern stimmungsvoll Licht und Wärme. Die Kiefern rauschen uns in einen kuschligen Schlaf.

I N F O S

Buchung (Ferienhäuser in ganz Skandinavien und europaweit): Inter Chalet Ferienhaus-Gesellschaft mbH, 79021 Freiburg, Heinrich-von-Stephan-Straße 25, Tel.: 0761-210077, E-Mail: info@interchalet.com, www.interchalet.com

Kartenmaterial Aaland-Touristenkarte (ISBN 951-48-6125-6) 1: 100.000: für 12 Euro über jede Buchhandlung; eine Routen-Übersichtskarte bekommt man mit dem Aaland-Guide zugeschickt.

Lebensmittel nach eigenen Vorstellungen zusammenstellen und aus Deutschland mitnehmen, auch Getränke. Kühltasche für den Transport von empfindlichen Produkten zu empfehlen. Küchengeräte und Geschirr sind vorhanden. In den finnischen Supermärkten kann man seinen Proviant ergänzen (Obst, Gemüse, Frischmilch, Fleisch etc.). Zur Erleichterung beim Blaubeerenpflücken sollte man dort auch das entsprechende Kämmgerät kaufen. Zu empfehlen sind außerdem frisch geräucherte oder gebratene Seiblinge und Maränen auf den lokalen Märkten.

Kleidung: so wenig wie möglich, so viel wie nötig – Jogginganzug, Sweat- und T-shirts, Turnschuhe, Hausschuhe, Regenzeug. Mit dem warmen Saunawasser läßt sich auch schnell etwas durchwaschen und in der Sauna über Nacht trocknen. Ansonsten kann frau/man hüllenlos herumlaufen, sofern man kann und mag.

Bettwäsche ist mitzubringen, ebenso Körper- und Geschirrtücher.

Kohleanzünder: mit dem lassen sich Sauna- und Kaminfeuer problemlos entfachen.

Auch sollte man an Mückenmittel, Saunakonzentrat, Bücher, Spiele, Kerzen, Bademantel und Badelatschen denken. Eine kleine Hausapotheke ist ratsam.

Keine Angst vor Transportproblemen: in den meisten Autos findet all das ohne weiteres Platz. Am besten, man legt sich vorher eine Checkliste an, die immer wieder benutzt und ergänzt werden kann.

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