Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der Film „Alles, was man braucht“ beginn mit Musik von Roland Musolff und einer Animation von Rainer Ludwigs, in der sich Windräder drehen, die Wirklich werden. Nein, schöne ist das nicht und auch das Land darunter wird eher wie ein toter Acker. Das ist die Wüste der Uckermark, in der Wind weht.

Dann kommt ein ausgeräumter und vergitterter Konsum in Bagemühl in Sicht. Würde man dort länger verweilen, wollte man wohl nichts wie weg. Wer dort wohnt, der muß weit weg einholen, auch einkaufen genannt, wenigsten in Locknitz. Wohl wahr, nicht nur das Land ist im Sommer ausgedörrt, auch die Dörfer sind es.

Norddeutsche Weite als stiller Protagonist des Films. Szene aus dem Film „Alles, was man braucht“. © mairafilm

Die kleinen Tante-Emma-Läden, auch Kramerläden genannt, die es in jedem Dorf gab, verschwanden. Großflächige wie flache Läden, auch als Discounter bezeichnet, wurden auf die Wiesen der großen und kleinen Städte gestellt.

Zwei Jahre lang werden Antje Hubert, wie sie sagt, mit ihrem Kameramann Henning Brümmer „über die Dörfer fahren und Menschen kennenlernen, die diese Lücke füllen. Sie schaffen Orten, die wie kleine Inseln sind in einer Zeit, in der wir dringend darüber nachdenken müssen, was und wieviel wir für ein gutes Leben wirklich brauchen“, fährt sie fort. Da ist sie wieder, die Animation.

Dorfladen in Walllmow. Szene aus dem Film „Alles, was man braucht“. © mairafilm

Und dann wird „der letzte Konsum, der noch geöffnet“ habe, in Wallmow aufgesucht. Die Inhaberin spricht über damals und heute, auch darüber, dass die Supermärkte ihr im Laufe der Jahre immer mehr Kunden weggenommen hätten.

Weiter geht die Autofahrt nach Rothenklempenow in Vorpommern, wo es noch einen Hofladen gibt. Dort sagt der Tobias Keye von der Höfegemeinschaft Pommern auf dem großen Geländer einer einstigen LPG, daß ihn die BioBoden Genossenschaft dorthin gezogen habe und „Boden muß für alle da sein“, „nicht als Produkt oder Ware, die wir handeln können, sondern Boden muß uns alle ernähren können“. Pommersche Gänseleberwurst wird verkauft.

Hofladen in Rothenklempenow. Szene aus dem Film „Alles, was man braucht“. © mairafilm

Dann ist Delve in Dithmarschen dran. Dort sollen, so heißt es, Dorfbewohner eine Genossenschaft gegründet haben, nachdem der letzte Laden geschlossen wurde. Sie „machten selbst einen Laden auf in den leerstehenden Klassenräumen der alten Grundschule“.

Christiansholm im Kreis Rendsburg-Eckernförde gerät auch in den Dokumentarfilm, doch weder ein Laden noch eine Gastwirtschaft gibt es. Das Dorf ist tot. Dort wird „eine Holzhütte, 4×4“, mit einem 24/7-Warenautomat errichtet. „Das Dorf braucht einen Treffpunkt, um es am Leben zu erhalten“, meint der Bürgermeister, und ergänzt: „Wenn es überhaupt keinen Treffpunkt gibt in einer Gemeinde, dann ist so ein Dorf verloren.“ Doch genau so scheint es dort zu sein: verloren. Und diejenigen, die dort leben, sind die Verlierer im Metropolen-Kapitalismus, im Monetarismus, in der aktuellen kapitalistischen Gesellschaft. Immerhin macht die Welt der Ware und des Spektakels um die meisten Dörfer einen großen Bogen, dringt aber über lange Leitungen, über Funk und Fernsehen sowie das Weltnetz bis in den letzten Winkel.

Regiomat in Christiansholm. Szene aus dem Film „Alles, was man braucht“. © mairafilm

Aus den toten Schlaf-Dörfern fahren diejenigen, die noch für Lohn arbeiten müssen, morgens raus und abends wieder rein. Eingekauft werde in der Regel in den Städten, heißt es. Nur „die Alten oder die Älteren“ seien dauernd da im Dorf.

Der eine oder die andere machen sich auf zu Kaffee und Kleinkram in den Kramerladen, um nicht alleine zu Hause zu hocken. Das bringt Abwechslung in die Sofa- und Sesselvereinzelnung und -vereinsamung. Das steckt wohl wirklich dahinter, wenn noch ein Laden am Leben gehalten wird.

Auch Müden in der Lüneburger Heide wird gezeigt. Dort wuchs die Filmemacherin auf. Langeneß/Niebüll und Grünberg sind auch mit dabei.

Zum Ende hin sind Söder-Windeln, auch als Kaffeefilter vor der Fresse bekannt, zu sehen. Die Panikdemie der Coronalügner und (Zero-)Covidioten in Politik und Presse, der Apartheidstaat der Einheitsparteien, das System von Überwachen und Strafen beziehungsweise der Polizeistaat und der Überwachungsstaat erscheint auch auf dem Dorf. Die häßliche Fratze des Totalitarismus zeigt sich auch auf dem flachen Land und die Leute dort kein Gesicht.

Antje Hubert, die das Drebuch schrieb und Regie fürhte, ist es geglückt, unaufgeregt und dennoch kurzweilig authentische Persönlichkeiten, die durchaus nachdenklich wirken, vor die Kamera und ans Mikrofon zu kriegen.

Die ansprechenden Animationen sind nicht nur schöne Übergänge, sondern auch gute Konzentration aufs Wesentliche, mitunter künstlerische Kritik. Die Frage „Was und wieviel brauchen wir für ein gutes Leben?“ wird jedoch nicht beantwortet, sondern, wie mir scheint, nur rhetorisch gestellt.

Nachdenklich, melancholisch, traurig läßt mich der von drei Filmförderstellen geförderte Dokumentarfilm, in dem neben nackter Zeitgeschichte auch auf Erfahrung basierende Sozial- und Gesellschaftskritik steckt, die nicht fiktional und feingeistig verpackt wird, zurück.

Filmographische Angaben

  • Titel: Alles, was man braucht
  • Staat: Deutschland
  • Jahr: 2021
  • Regie: Antje Hubert
  • Buch: Antje Hubert
  • Kamera: Henning Brümmer
  • Schnitt: Magdolna Rokob
  • Animation: Rianer Ludwigs
  • Musik: Roland Musolff
  • Redaktion: Timo Großpietsch
  • Produktionsleitung: Just Nolting
  • Produktion: Antje Hubert, Mairafilm in Koproduktion mit dem NDR
  • Verleih: Die Thede
  • Länge: 98 Minuten
  • Altersfreigabe: FSK 0
  • Kinostart: 28.4.2022
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