Und nur keine halben Sachen
Was kochen nun die beiden Semi-Profis? Ganz bestimmt nichts Praktisches oder gar schnell Zubereitetes: Wenn Männer kochen und dies als ausgesprochen feingeistige Freizeitbeschäftigung deklarieren, dann soll es auch etwas Anspruchsvolles sein: Boeuf Bourguignon, Bouillabaisse, Risotto, Surf & Turf oder Coq au vin und exquisite Nachspeisen wie Crème Brí»lée oder Zabaione sind Begriffe bei denen die Feinschmeckerherzen erst richtig zu schlagen beginnen. Die Zubereitung solch aufwändiger Gerichte verlangt Disziplin, Sachverstand und jede Menge Halbwissen, wie beim Autoreparieren und Fußball-Kommentieren ist nämlich unter Männern eins besonders wichtig: der richtige Fachjargon. Da wird dann fröhlich gefachsimpelt, ob diese oder jene Sauce nun durch Reduktion konzentriert wird oder angedickt, je nachdem, ob man das Geflügel zum Braten dressiert, ob man besser mit Brühe oder Wein ablöscht und und und.”¦ und wenn’s mal schiefgeht, hat man wenigstens was dazugelernt und während des Kochens mit Sicherheit einen unterhaltsamen Abend mit einem ausgezeichneten Wein verbracht.
Spätestens jetzt merken wir eins: Hier geht’s ums Kochen an sich, l’art pour l’art. Das danach gemeinschaftlich gegessen wird, ist natürlich die Belohnung, aber auch der harte Prüfstein, an dem sich entscheidet, ob alles gut geklappt hat, oder vielleicht doch ein Achtel Lorbeerblatt zuviel im Bräter war.
Dass Frauen sich dieser Art Kochen nicht mit derselben Inbrunst hingeben, ist verständlich: Trotz des Single-Zeitalters werden Mädchen und junge Frauen immer noch dazu erzogen, eine Familie zu ernähren und die prägenden Lehrerinnen sind natürlich die eigenen Mütter. Diese haben aber in den allermeisten Fällen ganz andere Maximen: das Essen soll fix zubereitet sein, satt machen, allen schmecken, nicht zuviel kosten und vielleicht noch für den nächsten Tag reichen, evtl. kann man es ja auch gut aufwärmen.
Da wundert’s kaum, dass bei vielen jungen Frauen die Lust am Kochen nur mäßig ausgeprägt ist. Zumal auch heute noch in Beziehungen meistens die Frau kocht, selbst wenn auch sie den ganzen Tag einer Tätigkeit nachging.
Der Anspruch an Professionalität und Experientierfreude dominieren
Wenn ein Mann sich aber in die Küche traut, tut er dies ja mit der Absicht, etwas Besonderes zu wagen und ein spannendes Experiment fortzusetzen. Da spielen die Preise für erlesene Zutaten meist gar keine Rolle, wenn es nun mal zum Rezept gehört, werden von persischem Safran bis zum französischen Kapaun alle Zutaten so gekauft, dass Sie möglichst „professionell“ den Anspruch der Zubereiter spiegeln.
Da Männer in der Küche heute noch zumeist Autodidakten sind, findet bei Ihnen das breite Angebot an Kochschulen großen Anklang. Korinna Hornschu, Leiterin der 1. Kasseler Koch-, Wein-, und Erlebnisschule, bestätigt dies eindrücklich: „Männer nehmen unser Angebot gerne wahr, eine unserer Gruppen, die sich selbst den Namen „Kochbrüder“ gegeben hat, trifft sich seit 4 Jahren einmal im Monat zum gemeinsamen Kochvergnügen“. Eine Serie von reinen Männerkochkursen, die im letzten Jahr initiiert wurde, nennt sich sogar „For men only! – Ein Kochkurs für Männer, die es wissen wollen!“ Hier werden Themenschwerpunkte behandelt, die den Lehrling vom Meister unterscheiden: ob Steak, Wild oder Fisch, hier werden die handwerklichen Vorraussetzungen eindrücklich und intensiv vermittelt. Die Kurse sind immer ausgebucht und die Nachfrage steigt weiter.
Hobbyköche sind eine neue Zielgruppe
Neue Magazine, wie „Beef“ oder „Effilee“ bestätigen diese Tendenz. Hier sind wirkliche Männerformate in Hochglanz entstanden, in denen es rein ums Kochen geht – und natürlich ums Fachsimpeln. Hintergrund- und Basiswissen werden eindrücklich mit aufregenden Fotostrecken in Szene gesetzt. In diesen semi-professionellen Journalen werden nicht „21 verschieden Aufläufe, die allen schmecken“ vorgestellt, sondern aufwändig illustrierte Zubereitungsmethoden und Zutaten verglichen, vorgestellt und mit interessanten Beiträgen versehen. Dort kommt das Kind im Manne zum Vorschein, das, auf der Suche nach dem neuesten Spielzeug, angesichts raffinierter Werkzeuge und Maschinen fündig wird. Lehrer, Akademiker und leitende Angestellte, also Berufstätige, die dennoch etwas Zeit für dieses kulinarische Hobby finden, sind die gut situierte, neue Zielgruppe der Verlagshäuser. Dies deckt sich mit den Erfahrungen, die Einrichtungsprofis in Küchenstudios immer wieder machen, viele Kunden sind designorientierte Singlemänner, die Ihre Küche ernst nehmen, Benjamin Wolf aus dem Bulthaup Studio im Stilwerk Berlin weiß genau: bei unseren Kunden steht anspruchsvolles Kochen und nicht „Satt-kriegen“ im Vordergrund“. Daraus ersehen wir: Das neue Kochen ist ein Event – ein zelebrierter Moment freier Zeit und kein Alltagsritual. Dass dafür ein entsprechendes Labor errichtet wird, leuchtet doch (fast) ein.
Den Abschied vom Dienstmädchenzeitalter hat sich so manch einer vielleicht anders vorgestellt, den Chef jedoch wundert’s nicht, denn die meisten berühmten Köche sind – wie der Name schon verrät – eben Köche. Wieder einmal finden wir bei näherem Hinschauen also doch eine Männerbastion vor, in die Frauen sich erst seit einiger Zeit Zutritt verschaffen können.