Nicht so für Zhang Yimou, der mit dem „Rotes Kornfeld“ durch seine erste Berlinale gleich berühmt wurde und den Goldenen Bären gewann. Er ist immer ein Regisseur, dem die Frauenschicksale wichtig sind und so sagte er in der Pressekonferenz nach der ersten Filmvorführung, für die er mit seinem Hauptdarsteller Sun Honglei – dem Polizisten Zhang, der private Geschäfte macht, wozu das systematische Morden gehört -, an Neujahr durch die Lüfte nach Berlin segelte, statt dieses sehr private Hauptfest zu Hause mit der Familie zu feiern, daß die Frauen seiner Heimat geschichtlich ein schweres Los gehabt hätten und er immer wieder filmisch ihre Position, besondern ihr Aufbegehren habe schildern und sie damit unterstützen wollen. Wie sehr dieser Film mit dem Neujahrsfest – China ist in das Jahr des Tigers eingetreten und hat das des Büffels verlassen – zusammenhängt, das muß man uns Nichtchinesen extra sagen. Denn woher soll man sonst wissen, daß die farbenfrohen, altertümlichen, aber ewig malerisch aussehenden Kostüme der handelnden Personen: der alte Wang( Ni Dahong), seine Frau (Yan Ni), der Koch und Liebhaber Li (Xiao Shenyang), die Angestellten Zhao (Cheng Ye) und Chen (Mao Mao), daß diese genau dem entsprechen, wie sich das Volk zum Neujahrsfest kostümiert, weshalb der Regisseur sichtlich berührt reagierte, daß sein Film nun ausgerechnet am ersten Tag des neuen Jahres aufgeführt wird.
Dies ist umso wichtiger, weil dieser uns so chinesisch erscheindende Film eigentlich eine Neuverfilmung eines Stoffes ist, den die Brüder Coen mit „Blood simple“ vor sehr langer Zeit vorgelegt haben. Zhang Yimou versetzt die Geschichte von Liebe, Besitz, Verrat und Verbrechen in klassische Zeiten, das könnte die Tang-Dynastie sein, von ca. 650-880, aber doch eher die Ming-Zeit, so etwa von 1370 – 1644, denn es kommt schon ein wunderschöner Revolver darin vor und Kanonenkugeln auch. Diese Adaptierung des Stoffes nutzt der Regisseur nun zu all dem, wozu er bisher in seinen Filmen nicht gekommen war, das betonte er ausdrücklich. Ja, es ist auch eine Komödie, obwohl die Tragödie näherläge, die aber augenzwinkernd nicht als Drama inszeniert ist, sondern eher als Lustspiel, als Posse, als Kostümfilm, als Liebesschnulze, als Burleske, als Krimi, als Historienfilm, als Western dazu auch noch, aber auch als Naturfilm über die Schönheit chinesischer Berge mit Eisenanteilen, die rot im Sonnenlicht aufflammen und dunkel im Mondschein bedrohen. Überhaupt spielen Mond und Sonne eine große Rolle, weil sie die Welt einteilen in Hell und Dunkel.
Die Menschen allerdings, die sind nicht schwarz oder weiß, sondern sehr realistisch in einer Melange gezeichnet, eigentlich entsprechen sie ihren eigenen Gefühlen, weil sie diese leben, was eben nicht gut ausgeht. Die Geschichte ist durch das handelnde Personal von alleine erzählt. Als dem Reichen die Liebschaft seiner Frau vom Polizisten Zhang entdeckt wird, will er beide von diesem umbringen lassen, was der für viel Geld auch tun will. Nur irgendwie rührt ihn wohl die unschuldig Schlafende immer wieder und er verschont lange beide, was sich rächt, weil ihn am Schluß die Frau seines Auftraggebers mit dem Revolver, den sie kaufte, erschießt. Mit dem allerdings ist schon, nun aber vom Polizisten, der reiche Hausherr erschossen worden, denn nach einem Blick in dessen Safe war klar, daß dort mehr zu holen ist als bei einem simplen Doppelmord.
Auf dieses Geld war allerdings auch das Angestelltenpaar scharf, wobei – und das sind anrührende und komische Szenen zugleich -, beide unter den größten Skrupeln den Geheimschrank öffnen und beim ersten Versuch nur das Geld entwenden, was ihnen der alte Geizkragen schuldete. Beim Nachschlag allerdings wird der äußerst komische Zhao mit den langen Hasenzähnen vom Polizisten erdrosselt. Bleibt noch der Liebhaber, der durch die Tür durch den Polizisten mit einem Pfeil tödlich getroffen wird. Drei Männermorde sind es also, die Wangs Frau angstschlotternd durch einen Glücksschuß rächt.
Nicht die Geschichte ist so wichtig, sondern die Art und Weise ihrer Darstellung. Die ist sowohl intelligent wie auch volkstümlich überdreht gezeichnet. Wie ein Slapstick funktioniert da vieles, was an komischen Bewegungen herauskommt, wenn sich Menschen vor Angst in die Hose machen, oder vor Wut aus dem nichtvorhandenen Fenster springen könnten, auf jeden Fall die innere Bewegung die Körpersprache beherrscht und sich so entlädt. Aber nicht nur raumholende Gestik ist hier angesagt, auch die Mimik spielt eine besondere Rolle und in der leisten alle Schauspieler Erstaunliches und sofort Nachvollziehbares. Nur einer nicht: der Polizist. Denn der ist der Schweiger vom Dienst. Er trägt eine Volluniform, die nur sein Gesicht frei läßt, das ungerührt und unberührt das Geschehen betrachtet, das er meist mitveranlaßt. Das macht Schauspieler Sun Honglei exzellent und bringt sich so gerade durch die entgegengesetzte Verhaltensweise in die Vorhand.
Die Filmbesprechung wäre nicht ausreichend ohne die Erwähnung von filmischen Schmankerln, kleine Filme im Film. Eine solche ist der Nudeltanz, oder wie sollte man die akrobatische Einlage nennen, die in der Küche abgeht, als der Polizeitrupp mit Riesenmannschaft das Haus nach den Kanonenkugeln, die nicht da sind, und nach der Pistole, die Wangs Frau in der Vase versteckt hält, durchsuchen will. Am besten man verköstigt sie erst einmal, schließlich ist man eine Nudelküche. Und dann tragen alle dazu bei, wie aus einem kleinen runden Mehlteig über Schleudern und die unglaublichsten Bewegungen des Teiges in der Luft geradezu artistisch eine riesengroße Scheibe wird, die dann geschnitten im Kochtopf als Nudeln landen. Eine Delikatesse, filmisch und wohl auch in Wirklichkeit, betrachtet man, wie sich anschließend die Polizisten daran labten. Also: Gehen Sie rein.
Originaltitel: San qiang pai an jing qi
Englischer Titel: A Woman, A Gun And A Noodle Shop
Land/Jahr: Volksrepublik China/Hongkong 2010
Regisseur: Zhang Yimou
Darsteller: Sun Honglei, Xiao Shenyang, Yan Ni, Ni dAhong, Chen Ye, Mao Mao
Bewertung: * * * *