Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der Präsident der Russischen Föderation, Herr Wladimir Putin, hat den 75. Jahrestag in Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges in einer einzigartigen und unter Staatsoberhäuptern unvergleichlichen Weise genutzt, den Weg in diesen mörderischen Krieg, den Verlauf des Krieges selbst, die Konsequenzen aus dem Krieg und die heutigen globalen Herausforderungen für die Ständigen Mitglieder des UN Sicherheitsrates zu beschreiben. Das, was kommenden Generationen in den Geschichtsbüchern nach der Interessenlage der jeweiligen Staaten vermittelt wird, hat Herr Präsident Putin in überzeugender Weise vermieden. Seine Ausführungen sind von einer beispiellosen Objektivität, die es allen verantwortlich handelnden und denkenden Menschen erlaubt, seine Ausführungen zu einer gemeinsamen Grundlage für das „Kriegs-Jahrhundert“ werden zu lassen. Zumal Herr Präsident Putin seine Darstellung einer grausamen Entwicklung damit verbindet, alle Staaten in diesem Kontext zur Öffnung ihrer Archive nach russischem Vorbild aufzufordern. Noch immer haben wesentliche Akteure der damaligen Entwicklung zentrale Erkenntnisse für weitere Generationen gesperrt und unternehmen nichts, zur Aufklärung ihres Tuns beizutragen. Auch die Aufforderung, Historiker mit der Aufarbeitung dieses „Kriegs-Jahrhunderts“ zu betrauen,verlangt geradezu nach einer globalen Unterstützung. Vor allem deshalb, weil der Herr Präsident der Russischen Föderation diese Überlegung in seinem Text in Bezug setzt zu der Frage, wie der nächste Großkonflikt in unserer Zeit vermieden werden kann und soll.
Mit diesen Ausführungen werden andere geradezu beschämt. Wie soll sich das heutige Deutschland einer historischen Behandlung dieses „Kriegs-Jahrhunderts“ stellen, wenn die relevanten Aktenbestände des deutschen Staates Jahre um Jahre von den westlichen Siegermächten unter Verschluß im Ausland gehalten worden und nur in diesem Zustand an Deutschland zurückgegeben worden sind? Wo finden sich die deutschen Historiker, die Lehrstühle innehaben, die freie Forschung erlauben und nicht durch Fremdmittel an der ihnen zustehenden Freiheit von Forschung und Lehre gehindert werden? Wo ist eine deutsche Bundesregierung und wo eine deutsche Staatsspitze, die sich einer Auseinandersetzung über die von Herrn Präsidenten Putin-ebenso wie vor einigen Wochen durch den französischen Präsidenten Macron-angesprochene Rolle des Rache-Diktats von Versailles 1919 stellen? Der russische Präsident, Herr Putin, stellt sich allen Aspekten der Geschichte. Weder der Herr Bundespräsident noch die Frau Bundeskanzlerin haben sich dem hundersten Jahrestag von Versailles 1919 gestellt.
Scheut man sich in Berlin vor der Erkenntnis: ohne Versailles kein Herr Hitler und ohne Herrn Hitler kein Angriff auf Polen am 1. September 1939? Dabei ist es Herr Präsident Putin, der geradezu Lobeshymnen über die heutige Europäische Union niedergeschrieben hat. Warum nur im Westen Europas Konsequenzen aus dem „Kriegs-Jahrhundert“ in der Kooperation von Staaten ziehen? Warum nicht auch mit denen im östlichen Teil des gemeinsamen Kontinentes, die -auch über einen erschreckenden Blutzoll- mit die Grundlage für die freiheitliche Entwicklung in Westeuropa gelegt haben? Es war doch die Sowjetunion, die die Einheit Deutschlands und das Ende der Teilung Europas möglich gemacht hatte.
Das „ewige Regiment“ und die Parade zum 24. Juni 2020 auf dem Roten Platz in Moskau werden in der nächsten Woche bestimmend sein. Mit seinem Grundsatztext über die Lektionen aus dem Zweiten Weltkrieg hat Herr Präsident Putin einen herausragenden Platz im historischen Gewissen der ganzen Welt eingenommen. Alle anderen werden daran gemessen werden.