Überhaupt haben diesmal die „alten“ Krimis vom letzten Monat Ringelreih gespielt. Auf Platz 2 folgen Jörg Juretzka „Alles total groovy hier“ vom Rotbuch Verlag, um einen Rang also nach oben gerutscht. Und vom 5. auf den 3. Platz hochgearbeitet hat sich John Farrows „Eishauch“ aus dem Knauer Verlag, der so ruhig von den gräßlichsten Morden dahinerzählt, daß einem der Atem stockt, was in den vorherigen Besprechungen, wenn die Krimis das erste Mal auftauchen, nachzulesen ist.
Es sind tatsächlich nur drei neue Krimis, die es in die Maiauswahl geschafft haben. Monika Geier bringt mit „Die Herzen aller Mädchen“, herausgekommen bei Ariadne im Argument-Verlag, einen Krimi aus Deutschland, der nicht in den Hauptstädten der Verbrechen spielt, sondern in der beschaulichen Pfalz, aber nichts Provinzielles hat, was nicht nur an der Verwobenheit mit Darmstadt liegt, sondern am Sujet, wo es in die Antike geht. Oder doch zumindest an die Fetzen heran, die in Form eines Pergaments von Ovid noch vorhanden sind. Dieser Krimi spielt mit Ihnen und Ihren Kenntnissen, nicht denen der Antike, oder dem regionalen Geflecht der vielen kleinen Orte der Gegend allein, sondern eben auch mit ihren Assoziationen, die sich – so Sie Krimileser/in sind – unweigerlich einstellen. Auf Platz Vier.
Auf dem 6. Rang folgt Gianrico Carofiglios „Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land“, bei Goldmann erschienen. Italien ist das Land der erst sanften Verführung, die derartig ausartet, daß ohne Polizei nichts mehr zu regeln ist. Was Hermann Hesse damit zu tun hat? Sein „Demian“ soll eine Rolle spielen. Wir wissen es selbst noch nicht und berichten das nächste Mal ausführlicher. Es sei denn, der Titel ist so schnell verschwunden, wie es neulich leider mit unserem palästinensischen Kommissar passierte.
Neu und auf Platz 9 gelandet ist auch Robert Hültner. Sein Titel „Inspektor Kajetan kehrt zurück“ bei btb, legt schon den Rahmen fest, in dem im Jahr 1928 in München und Zellach das blutige Spiel der Nazis Opfer sucht und findet, aber auch die Polizei ihre obrigkeitsstaatliche Verfassung deutlich zeigt und ein Zeitgemälde entsteht, das uns insgesamt geschichtliche Vorgänge transparenter macht.
Lfd.Nr.
Rang
Vormonat
Titel
1
1
(4)
Roger Smith: Kap der Finsternis
Aus dem Amerikanischen von Jürgen Bürger und Peter Torberg
Tropen, geb., 360 S., 21,90 €
Kapstadt: Überfall, Entführung, Erpressung, Mord. Immer rasender dreht sich das Karussell der Gewalt. Die Welt fliegt ihnen um die Ohren: dem Ex-Knacki und Nachtwächter, dem flüchtigen Ami und seiner Familie, dem frömmelnden Killerbullen. Harte Schnitte. Scharfer Blick auf Südafrikas Metropole des Verbrechens.
2
2
(3)
Jörg Juretzka: Alles total groovy hier
Rotbuch, geb., 224 S., 16,90 €
Irgendwo in Andalusien: Die Ruhrpott-Biker Kristof und Scuzzi suchen 180.000 Euro und ihren Kumpel Schisser. Am Südrand Europas landen sie bei Hippies, in Haschschwaden, Esoteriksäusel und Pillendunst. Und enden beinahe im Meer unter schwimmenden Leichen. Komisch, bös: Noir unter brachialer Sonne.
3
3
(5)
John Farrow: Eishauch
Aus dem Englischen von Friederike Levin
Knaur, TB, 590 S., 8,95 €
Montreal: Der Informant hängt am Fleischerhaken. Die Studentin gelangt ins Machtzentrum der Hells Angels. Emile Cinq-Mars ermittelt fast auf sich gestellt. Wer ist korrupt? Wer übernimmt die Macht? Wer manipuliert ihn? Bombenterror, Folter, Supermachtspielchen. Montreal als Tatort neu entdeckt. Überwältigend gut.
4
4
(-)
Monika Geier: Die Herzen aller Mädchen
Ariadne im Argument-Verlag, TB, 352 S., 11,00 €
Irgendwo in der Pfalz/Darmstadt: Ein Drogist besitzt ein antikes Ovid-Pergament. Ein Toter diktiert einen Roman. Kommissarin Boll verliebt sich in einen Schwindler. Eine Mutter öffnet ein Bombenpaket. Monika Geier treibt ein gerissenes Spiel mit den Krimiklischees der letzten 30 Jahre. Hochgenuss.
5
5
(6)
Oliver Bottini: Jäger in der Nacht
Scherz, geb., 336 S., 14,95 €
Freiburg/Oberrimsingen: Eine Scheune, eine zerschlagene Frau, ein neugieriger, wütender Junge. Ein prügelnder Vater, ein anderer, dessen Tochter verschwand. Männer, denen das Schlagen Spaß bringt. Deutschland 2005. Ein Karussell der Gewalt. Louise Boní zweifelt an den Kollegen: Einer ist Menschenjäger.
6
6
(-)
Gianrico Carofiglio: Die Vergangenheit ist ein gefährliches Land
Aus dem Italienischen von Julia Eisele
Goldmann, geb., 288 S., 19,95 €
Bari/Valencia: Jurastudent Giorgio verfällt dem Charme des Trickbetrügers Francesco. Männerfreundschaft im Machtrausch, subtile Verführung. Alles bewegt sich auf den Abgrund zu. Bis Vergewaltigung die Polizei auf den Plan ruft. Carofiglio mit neuen Tönen und Figuren. „Demian“ lässt grüßen. Erstaunt, mit Respekt.
7
7
(10)
Uta-Maria Heim: Wespennest
Gmeiner, TB, 280 S., 9,90 €
Stuttgart/Schorndorf/Mariabronn/Havanna/Baden-Baden: Ossi Oswald, Ex-Kriminaler, Ex-Spitzel liegt erschossen am RAF-Grab. Das Ländle: Alte Kommunisten, pietistische Kampfbünde, wiedergeborene Katzen, kurz geratene Chefredakteure. 2008 treiben alte Fälle auf. Sprachzauber und Handlungswirr: Heim kann’s.
8
8
(1)
Richard Stark: Keiner rennt für immer
Aus dem Amerikanischen von Nikolaus Stingl
Zsolnay, PB, 288 S., 16,90 €
Massachusetts: Parker tötet einen Spitzel, das ist der Anfang. Beim Versuch, das Geld einer Bank zu rauben, verheddern sich Parker und Kumpel in den Ambitionen der beteiligten Amateure. So wird man nicht reich. Zum Schluss sind hunderttausend Dollar auf seinen Kopf gesetzt. Doch Parker kann man nicht schlagen.
9
9
(-)
Robert Hültner: Inspektor Kajetan kehrt zurück
btb, geb., 288 S., 17,95 €
München/Zellach: 1928. Ex-Polizist Kajetan jagen die Nazis. Den Arbeiter und Kommunisten Lipp Kerschbaumer die Polizei. In Zellach wollen sie über die Berge. Ein Hotelier wird erschlagen, Sündenböcke werden gesucht. Nach langem wieder ein Kajetan-Roman: Ruhiges, genaues Erzählen.
10
10
(2)
Jan Costin Wagner: Im Winter der Löwen
Eichborn, geb., 288 S., 17,95 €
Turku/Helsinki: Über den Tod scherzt man nicht. Wer das tut, ist schnell tot. Ein Gerichtsmediziner, ein Puppenbauer, ein Fernsehmoderator – niedergestochen. Wenn der Himmel einstürzt, treiben die Überlebenden aus der Welt. Kimmo Joentaa kennt sich dort aus und ermittelt zum dritten Mal im Trauerreich.
Vorgestellt wird die KrimiBestenliste wie immer im NordWestRadio am Samstag, 25. April zwischen 8.05 und 9.00 Uhr, erneut am Sonntag, den 26. April 2009 in der „Literaturzeit“ zwischen 15.00 und 16.00 Uhr, wobei der Sprecher der Jury Tobias Gohlis dabei ist. Unter www.arte.tv/krimiwelt gibt es Kommentare des Jurysprechers, Kurzrezensionen der Juroren und weitere Informationen zu Büchern und Autoren, Krimiautoren A-Z genannt.
Bedenkt man, daß rund 800 neue Kriminalromane pro Jahr in Deutschland erscheinen, weiß man, daß kein Leser die alle lesen kann, also auch kein Juror. Deshalb haben sich achtzehn auf Kriminalliteratur spezialisierte Literaturkritiker aus den deutschsprachigen Ländern Schweiz, Österreich und Deutschland zusammengetan und wählen monatlich aus den Neuerscheinungen die zehn Titel aus, die sie als die besten empfinden und von daher den Leserinnen und Lesern empfehlen. Unklar bleibt, wie die monatliche Auslese mit dem Erscheinungsdatum korrespondiert. Würden nur die in dem jeweiligen Monat erscheinenden Krimis berücksichtigt, wäre es zu eng, würde man einen Bestseller Monate mitschleppen, wäre es zu weit.