Mit seiner berühmten arabesken Graphikfolge der Zeiten (1805/1807) sowie den Gemälden "Der Kleine" und "Der Große Morgen" (1808/1809) gelang es Runge, für das zyklische Naturverständnis der Romantik kongeniale Ausdrucksformen zu finden. Seine Farbenlehre wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder mitreflektiert, und auch in der Gattung des Porträts leistete Runge Bedeutendes. So stellt die Werkgruppe der Selbstbildnisse ein eindringliches Zeugnis seiner Selbstbefragung dar.
Mit seinen Kinderdarstellungen, insbesondere dem Gemälde der Hülsenbeckschen Kinder (1805), begründete Runge einen neuen Blick auf das kindliche Individuum in der Kunst. Neuland betrat er schließlich auch mit seiner Idee eines Gesamtkunstwerks. So war Runge von der Idee beseelt, die Künste von Dichtung, Malerei und Musik in einem architektonischen Raumzusammenhang zu vereinen. Mit diesem Streben nach einer Erneuerung der Kunst fungierte er zu seiner Zeit für viele Künstler als Identifikationsfigur.
Runges Vielseitigkeit dokumentieren in der Ausstellung darüber hinaus seine fragilen Scherenschnitte – Meisterwerke in Naturgenauigkeit und Abstraktion.
Eine wesentliche Facette der Ausstellung bildet neben dem künstlerischen Werkprozess zugleich das Ringen des Visionärs um die endgültige Umsetzung seiner Ideen. Von der ersten Skizze bis zum fertigen Gemälde bekommt der Besucher den Eindruck, Runge bei der Arbeit über die Schulter blicken zu können. Der Schaffensprozess erweist sich dabei als Schlüssel zu Runges Bild- und Kunstverständnis.
Neue Erkenntnisse über Runges Arbeitsweise verspricht ein von der Philipp-Otto-Runge-Stiftung gefördertes Projekt, das der maltechnischen Untersuchung seiner Gemälde gewidmet ist. Im Zuge dessen wurden einige Hauptwerke Runges erstmalig gründlich analysiert. Die Ergebnisse werden ebenfalls in der Ausstellung dokumentiert.
Der bedeutende Teil des Rungeschen OEuvres zählt zu den Beständen der Hamburger Kunsthalle.
Durch die Einbeziehung von Leihgaben aus internationalen Museen und privaten Sammlungen wird es nun möglich, das ganze Panorama seines Schaffens zu zeigen: „Kosmos Runge“ vereint 35 Gemälde, über 200 Zeichnungen sowie 50 Scherenschnitte und Schattenrisse. Darunter sind einige Zeichnungen, die bisher als verschollen galten bzw. unbekannt waren.
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Ausstellung: Bis 13. März 2011 in der Galerie der Gegenwart
Katalog: Zur Retrospektive erscheinen ein umfangreicher Katalog und zusätzlich ein Band, der die Vorträge des Runge-Symposiums vom Oktober 2009 in der Hamburger Kunsthalle versammelt. Beide Publikationen sind in den Museumsshops und unter www.freunde-der-kunsthalle.de erhältlich (Katalog: 408 Seiten, 40 Euro; Symposiumsband: 360 Seiten, 34 Euro) oder können im Buchhandel erworben werden.
Die Ausstellung wird im Anschluss in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung München (13. Mai bis 4. September 2011) präsentiert.
Kontakt: Hamburger Kunsthalle, Glockengießerwall, D-20095 Hamburg, Tel. (040)428131204, www.hamburger-kunsthalle.de
Tipp: Besuchen Sie fünf Museen mit nur einem Ticket. Der Kunstmeilenpass: ein Besuch in jedem Haus, inklusive aller Ausstellungshighlights, nur 29 Euro. www.kunstmeile–hamburg.de