Waghalsiges Unternehmen – Technische Dominanz bei „Sein oder Nichtsein“ im Deutschen Theater

Es entstand der Eindruck, Rafael Sanchez habe mit seiner Inszenierung vor allem zeigen wollen, was der Apparat des Deutschen Theaters hergibt. Das war beeindruckend und sehenswert.

Nebenbei gab es auch noch ein Stück zu sehen: „Sein oder Nichtsein“ von Nick Whitby nach dem Film von Ernst Lubitsch.

Das Schauspielensemble wirkte ein bisschen verloren inmitten der übermächtigen technischen Aktionen, und obwohl temporeich und pointensicher agiert und gesprochen wurde, kamen die leisen Momente, von denen das Stück lebt, eher schwächlich über die Rampe.

Weil die Tragik, das Grauen und die Angst zu wenig deutlich wurden, konnte sich auch die groteske Komik nicht entfalten.

Dennoch war die Vielschichtigkeit in der Inszenierung von Rafael Sanchez sehr wohl angelegt, und es gab Momente, in denen erkennbar war, dass durchaus kein seichtes Lustspiel gegeben wurde.

So ist Jörg Gudzuhn als Gruppenführer Erhardt bei aller Tumbheit und absurden Widersprüchlichkeit ein gefährliches, mörderisches Subjekt. Wenn Joseph Tura (Bernd Moss) von Erhardt als falscher Professor Silewski entlarvt wird, dann ist das wirklich erschreckend, und die Panik, die Bernd Moss zum Ausdruck bringt, hat eine völlig andere Qualität als die Verzweiflung, die den eitlen Schauspieler Tura befällt, wenn er befürchtet, zu alt zu sein, um den Hamlet zu spielen.

Auch Maren Eggert als Maria Tura lässt die unterschiedlichen Handlungsebenen deutlich werden. Die attraktive Maria Tura spielt riskant mit dem Feuer bei ihrem Flirt mit dem aufrechten polnischen Fliegeroffizier Sobinsky (Christoph Franken). Bei Gruppenführer Erhardt setzt Maria Tura ebenfalls ihren verführerischen Charme ein, und ihr Spaß auch an diesem Spiel ist nicht zu übersehen, obwohl sie weiß, dass der Einsatz hier ihr eigenes und das Leben vieler Anderer ist.

Der Film von Ernst Lubitsch entstand 1942, zu einer Zeit, als das nationalsozialistische Deutschland die ganze Welt bedrohte. Dieses Terrorregime lächerlich zu machen, war damals ein Mittel gegen die lähmende Angst vor den Ungeheuern. Wie gefährlich und zugleich befreiend es zu der Zeit war, Witze über Hitler und die Nazis zu machen, wird im Film wie auch in der Bühnenfassung immer wieder thematisiert.

Das Remake des Filmstoffs muss sich mit dem heutigen Publikum auseinandersetzen, für das der Nationalsozialismus Geschichte und Lachen über Hitler schon lange kein Tabu mehr ist. Kaum ein Comedian lässt sich die Chance entgehen, mit einer Hitlerparodie einen garantierten Heiterkeitserfolg zu erringen.

Bei der Premiere im DT wurde Jürgen Huth sofort bei seinem Auftritt als Bronski im Hitler-Kostüm, noch ehe er irgendetwas gesagt oder getan hatte, von einem Teil des Publikums mit dröhnendem Gelächter empfangen.

Eben dieser Teil des Publikums war es auch, der die gesamte Vorstellung mit fröhlichem Ablachen begleitete und sich durch die tragischen und erschreckenden Momente in seiner ausgelassenen Stimmung nicht beeinträchtigen ließ.

Reaktionen dieser Art, durch die der Eindruck der Premiere verzerrt wurde, waren so wohl nicht voraussehbar.

Es ist jedoch zu erwarten, dass die Aufführung sich in der Folge einspielen wird und das sehr gute Schauspielensemble sich nicht nur gegen die Übermacht der Technik behaupten, sondern auch die in der Regiekonzeption vorhandene Doppelbödigkeit und Ernsthaftigkeit des Stücks stärker zum Ausdruck bringen kann.

"Sein oder Nichtsein" von Nick Whitby nach dem Film von Ernst Lubitsch hatte am 20.11. Premiere am Deutschen Theater Berlin. Weitere Vorstellungen: 27. und 29.11. sowie 02., 04., 23. und 31.12.2009.

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