Liebe kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen – Über Nebenwirkungen von Liebe und ihrer Abwesenheit im neuen Roman der Chilenin Elizabeth Subercaseaux

Nahuel begegnet in dieser Szene auf Seite 26 des neuen Romans von Elizabeth Subercaseaux seiner großen Liebe Juliette. Eigentlich ist sie seine zweite große Liebe, denn die erste hat er bereits zu Grabe tragen müssen, wie wir im Laufe des Buches erfahren werden. Überhaupt wird viel gestorben und verlassen in „den Geliebten“. Auf etwa 150 Seiten erfahren wir die Vorgeschichte zweier Schicksalsstränge, die gegen Ende des Romans zueinander finden. Durch zwei Verbrechen, die sich an einem Tag in verschiedenen Teilen der Welt abspielen werden und tragische Auswirkungen auf unser kleines Figurenensemble entwickeln sollen. Gleich ist den zunächst verwirrend parallel erzählten Geschichten die Ausgangssituation; ein Mann lernt eine andere Frau kennen, hat eine Affäre und muss sich eines Tages entscheiden. Zwischen der Geliebten und der Ehefrau. Der chilenische Weinhändler Nahuel zerreibt sich zwischen seiner Frau Elisa und der Französin Juliette, der amerikanische Anwalt Joshua muss seiner Geliebten Quinn oder seiner Frau Alexa den Laufpass geben. An einem Herbsttag im Jahre 1999 kulminieren die Gewissensnöte der Männer gleichzeitig, und die furchtbaren Stunden brechen an”¦

Elizabeth Subercaseaux, die 1945 in Chile geborene Ururenkelin Robert Schumanns, hat wieder einmal gezaubert. Stilsicher und dramaturgisch perfekt steuert sie ihr gutes Dutzend Protagonisten durch Glückszustände und Alpträume, erzählt ebenso viele Lebensgeschichten und die der chilenischen Diktatur gleich mit. Elemente der Kriminal-Literatur schleichen sich in die Handlung ein und bereichern das an sich brutale Gegenüber von verbotenen Affären und Frömmigkeits-Hudelei, welches vor allem die ländlichen Gegenden Chiles noch heute prägt. Ein Ashram in Indien dienen als Schauplatz, ein Dorf in der Provence, eine Stadt in Pennsylvania, das Landgut Quillota in Chile und dessen Hauptstadt selbst, Santiago.

Elizabeth Subercaseaux, seit dem Erscheinen ihres ersten Romans Eine Woche im Oktober 1999 in ihrer Heimat eine gefeierte Bestsellerautorin, wird seit 2007 auf Deutsch verlegt. Nun liegt uns dieser dritte Roman vor, der sich gegenüber dem letzten Buch  Eine fast perfekte Affäre (2010) noch gesteigert hat. Die Sprache der späten Autorin ist reich und pointiert – und kongenial ins Deutsche übertragen! – ihre Plots scheinen umgehend verfilmbar montiert, ihr Figuren-Ensemble ist differenziert und glaubhaft dargestellt. Dennoch bleibt anzumerken, dass die Vielzahl der erschütternden Schicksalsschläge, die ihr Personal durchleiden muss, übertrieben wirkt. Leider hat Subercaseaux zu dick aufgetragen und die Wirkung dadurch abgeflacht. Der Roman ist spannend und ergreifend, aber doch zu märchenhaft gewalttätig, um wahr zu sein.

Elizabeth Subercaseaux, Die Geliebten, Roman, Aus dem Spanischen von Maria Hoffmann-Dartvelle, 269 S., Pendo Verlag, München Zürich, September 2011, 17,99 €

Vorheriger ArtikelOne Night im „Bombay“ – Ein indisches Restaurant in der Berliner Friedrichstraße
Nächster ArtikelFahrradfahren mit dem sprechenden Kopf – Veilchen als Gemüse – Zwei Annotationen