Die Maschinerie läuft und läuft und Dan Brown läuft mit – Serie: Die Frankfurter Buchmesse 2009 (Teil 1/3)

Impression von der Frankfurter Buchmesse 2009.

Seit am Dienstag Messechef Juergen Boos zusammen mit dem Vorsteher des Deutschen Börsenvereins erst auf der völlig überfüllten Pressekonferenz das diesjährige Konzept der Buchmesse – dessen Gastlandauftritt China schon viele Gemüter bewegte und viele Zeitungen vollschrieb, vergleiche unsere Links – vorstellte und dann zusammen mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel und mit dem stellvertretenden chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping die 21. Frankfurter Buchmesse nach dem Krieg eröffnete, worauf sich die Eröffnung des chinesischen Pavillons anschloß, ist die Maschinerie auch öffentlich angelaufen, in der sich bis Freitag ausschließlich Fachvertreter tummeln – wobei man bei manchen schon überrascht ist, wie sie zu Fachvertretern mutieren – , bevor dann am Wochenende das allgemeine Publikum einfallen darf, das mit dem Verkauf der Bücher ein zusätzliches Schmankerl hat, auf die Buchmesse zu strömen.

Eigentlich sind auch wir Vertreter des stillen Lesens und des auf der Buchmesse Herumschauens, was uns in die Augen fällt, wozu man dann immer wieder nicht kommt, weil man ein bekanntes Gesicht statt des gesuchten Buches erspäht, was einfach gegenseitige Worte erzwingt, und ist man fertig, kommt schon das nächste bekannte in das Blickfeld”¦aber das sind Eingeweihtenprobleme und damit keine richtigen, also, obwohl wir eigentlich solchen Vermarktungsstrategien, Bücher wie Kartoffeln in Hungerzeiten anzubieten – was ja für Bücher bedeutet, daß erst eine künstliche Armut hergestellt wird, in der der Hunger nach diesem Buch erst in die Menschen eingebrannt wird, der dann vom Verlag nach und nach gestillt wird, bis es da ist: das Buch – obwohl wir also solche Vermarktungsstrategien nicht mögen, muß man dem Lübbe Verlag mit seiner Dan-Brown-Maschinerie schon aus sportlichen Gründen Tribut zahlen.

Über eine Stafette sind am Buchmessenmittwoch, dem ersten Messetag, die gerade fertiggestellten Bände auf den Stand gelangt. Die Stände selbst werden ja an den Vortagen errichtet und nach und nach mit Büchern bestückt, aber hier geschah dies vor den Augen des Fachpublikums. Alle Verlagsangestellten – und das sind viele – und Chef und Chefin des Familienbetriebes waren mit schwarzen T-Shirts mit dem Aufdruck des neuen Thrillers „Das verlorene Symbol“ angetan und gaben die frisch gelieferten Bücher weiter, die nun an dem immer sehr aufwendigen Stand in Halle 3.0 viele der Regale füllen. Kommt man mit der Chefin ins Gespräch erfährt man noch mehr. Im Krieg würde man Generalstabsarbeit zu dem sagen, was seit Erscheinen der englischen Ausgabe von Lübbe geradezu perfekt inszeniert worden ist.

Daß das schnelle Erscheinen, kaum vier Wochen nach dem Original in Amerika, auch damit zu tun hat, daß viele des Englischen mächtig sind und sich eine englische Ausgabe gespeichert haben, ist wohl auch ein Grund dafür, daß man die Übersetzungsarbeit auf zwei Wochen beschränkt hat, dafür dann aber für die 528 Seiten gleich sechs Übersetzer beschäftigte. Das wollen wir beim Lesen dann einmal überprüfen, wie und ob man das noch merkt. Aus einer Lektoratsarbeit an einem Buch, wo nur zwei aus dem Englischen übersetzten, wissen wir noch das Grauen, das eintritt, wenn der eine einen Originalbegriff mit dem einen richtigen Wort und der andere es mit dem anderen richtigen Wort übersetzte. Wenige, die der Deutschen Sucht, sich mit Primitivenglisch hervorzutun, wissen, daß das Englische eine höchst schwierige Sprache ist, weil sein Vokabelreichtum durch die Verschmelzung von Romanischem und Keltischem/Germanischem/Angelsächsischem und dann noch auf der europäischen Basis des Griechischen und Römischen eine Vielzahl von Differenzierung der Begriffe mit sich brachte, daß – so denken wir – die Übersetzer zuvor sich auf einige Übersetzungswörter im vorhinein geeinigt hatten, wenn die 1, 2 Millionen (!) Exemplare am 14. Oktober auch in die Buchhandlungen gelangt sind. Das ist unglaublich viel für eine Erstauflage, aber Dan Browns „Sakrileg“ hat es bisher auf fünf Millionen geschafft.

Die Messe besteht aus so vielem mehr. Und sie vereint Gegensätze, die alle Produkte des menschlichen Geistes sind. Wenn er sich äußern darf. Dazu trug das Gastland China viel bei. Im Vorfeld hatte es erregte Debatten um Zensur, aber auch um den höflichen und korrekten Umgang mit den Vertretern eines Gastlandes gegeben. Die Bundeskanzlerin ging bei der Eröffnung darauf ein wenig wie eine Grundschullehrerin ein. Sie sprach etwas aus ad usum delphini, in dem sie ihre Erwartung formulierte, daß alle schön brav seien und es hier auf der Buchmesse keine Tabus geben dürfe, weil gerade die Literatur er Freiheit des Wortes bedürfe. Wie im letzten Jahr schon der türkische Präsident an den offenen Worten des Redners Orhan Pamuk vorbei das Eröffungspublikum ansprach, hielt auch der chinesische Repräsentant seine Rede ohne jegliche Erwiderung auf die Vorredner. In ihr zeigte er sich stolz auf die Entwicklung Chinas als eines traditionellen Buchlandes, das zudem heute von einer breiten vielfach privat organisierten Verlegerlandschaft getragen, sich der Welt öffne. In dieser Welt erwartet er gegenseitigen Respekt und ein Voneinanderlernen, statt sich gegenseitig auszuschließen.

Staatsschriftsteller Mo Yan – am Rande des Symposiums, an dem er tragend teilnahm, erfuhr man, daß er wie einige andere mit militärischen Ehren belegt dadurch Staatssalär erhält – hatte mit dem Feld der westlichen und fernöstlichen Literatur und einem Vergleich ihrer Differenz, vor allem aber ihrer Gemeinsamkeiten ein angenehmes Thema erwählt und die beiden Buchmessenvertreter Gottfried Honnefelder und Juergen Boos sprachen erneut an, daß die Buchmesse ein Ort des offenen Meinungsaustausches sei, aber weder ein Schiedsgericht sei, noch die Uno, die internationale Konflikte zu lösen hat – was ihr ja auch selten gelingt, meinen wir dazu. Auch die Hausherren, Ministerpräsident Koch und Oberbürgermeisterin Petra Roth begrüßten, ab dann aber kamen die dran, deretwegen die Buchmesse veranstaltet wird. Die diesmal rund 400 000 Bücher, die von 7300 Ausstellern nach Frankfurt gebracht wurden. Exakt sind es übrigens 59 weniger Aussteller, bei wiederum 100 beteiligten Ländern, was eigentlich sensationell ist, wenn man bedenkt, wie in Zeiten der Krise anderswo Messen zusammenbrachen.

Aber allein eine Zahl wie 400 000 Bücher zeigt, daß es unmöglich ist, eine Buchmesse angemessen zu würdigen. Wir können daher nur auffordern, sich selbst ein Bild von den Büchern zu machen, denn so wie jeder Mensch ein eigener Mensch ist, ist dies auch jedes Buch. Es kommt darauf an, wie das zufällige Zusammentreffen von Mensch und Buch, oder das gezielte, ausgeht, damit der Sinn dieser Messe, die ethische, bildungsbeflissene, lesehungrige und verkaufsfördernde Motive vereint, aufgeht. Die Geschäfte allerdings werden woanders gemacht. Da gibt es an den Verlagsständen so kleine Kojen, wo die Rechtebesitzer sich tummeln. Recht an Büchern, das zu teuren oder günstigen Rechten an Übersetzungen führt, das ist hier die Frage. Aber die meisten davon finden Sie in Halle 6.2.

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