Anthroposophen suchen Dialog mit neuen Steiner-Biographen mit universitärem Hintergrund – Serie: Zum 150. Geburtstag von Rudolf Steiner (Teil 1/3)

Sicher hängt diese Offenheit auch damit zusammen, daß die Wirkung vieler Ideen und praktische Anstöße von Rudolf Steiner inzwischen den Geruch des Absonderlichen, des Sektierertums, eines geheimnisvollen Bundes längst verloren haben und Steinersche Erziehungsideale oder Voraussetzungen geistiger und körperlicher Gesundheit heute pragmatisch gelebt werden, so wie andere den Geist, den Körper und die Seele berührende, heute „Philosophie“ genannten Weltideen, die alle nebeneinander und sich eng berührend existieren können, weil die Einsicht, daß der Mensch nicht vom Brot allein lebt, immer dann in Schüben kommt, wenn erstens genug Brot da ist und zweitens die Erkenntnis, daß der nackte Materialismus, noch mehr zu kaufen, noch mehr zu haben, den Menschen nicht glücklich macht.

Dennoch hat das Vorstellen der drei Biographien durch ihre Verfasser vermittelt durch Anthroposophen selbst, eine darüberhinausgehende Bedeutung. Geburtstage gibt es oft, auch Jahresjubiläen mit mehreren Biographien der Geburtstagskinder oder Todestage, aber noch nie hat eine Schopenhauergesellschaft, eine Lisztgesellschaft, eine Kleistgesellschaft – meist gibt es immer mehrere davon – die von außerhalb zusammengetragenen unterschiedlichen Biographien gemeinsam vorgestellt, was im Literatur- und Wissenschaftsbetrieb auch einigermaßen unüblich ist, ist doch dort wie ansonsten im Kapitalismus Konkurrenz angesagt – jeder hat die beste und eindringlichste Biographie! – und nicht ein Miteinander, wie hier in Frankfurt auf dieser Pressekonferenz.

Allerdings erscheinen auch nicht zu jedem Jubilar gleich drei von renommierten Fachwissenschaftlern verfaßte Lebens- und Werkbeschreibungen und so kann man die Vorstellung dieser drei Werke durch ihre Verfasser, vermittelt durch die Anthroposophen auch als gewissen Stolz dieser ansehen, daß der Begründer ihrer Lehre auch außerhalb von dieser heute einen solchen Stellenwert des gesellschaftlichen Interesses findet. Was man auch gleich sagen kann, ist, daß erst das Aufeinandertreffen und miteinander Diskutieren der drei Autoren deutlich macht, daß die jeweiligen Ausgangspunkte und Schwerpunkte der einzelnen Bücher so unterschiedlich ist, daß der Leser Gewinn erhält, wenn er alle drei liest.

Wie sehr wohl die Person Steiners Biographen immer schon gereizt hat, ist ersichtlich, wenn man sich dem kaum überschaubaren Literaturangebot nähert. Das allerdings entstammt in der Regel aus der Anthroposophie besonders zugewandten Autoren oder – selten – auch ihren Hassern. Um so mehr erfreute es Jens Heistermann, den Laura Krautkrämer, Moderatorin für die Medienstelle, als Chefredakteur des „ info 3.Antrohoposophie im Dialog“ zusammen mit den drei Autoren auf das Podium geholt hatte, daß sich heute auch außerhalb der Bewegung so viele für Rudolf Steiner und seine Ideen interessieren. Begründet sieht er es darin, daß alle drei Autoren von den Wirkungen her den Blick auf den Verursacher Steiner legten, dem Iris Radisch in der Zeit vom selben Tage attestiert hatte: Praxistest bestanden.

Denn das geht nicht jedem so, der als Lebensorientierung das Geistige favorisiert und in Verknüpfung mit dem Leben pragmatische Lehren entwickelt, daß diese dann in der Wirklichkeit auch angenommen und erfolgreich ausgeübt werden.

Historiker Helmut Zander, dessen „Rudolf Steiner. Die Biographie“ im Piper Verlag erschienen ist, beantwortete als erster die zwei Fragen an alle, was ihn zu seiner Biographie über Steiner motiviert, was ihn gereizt habe. Er ging auf die ihn interessierende virulente politisch-gesellschaftliche Situation um 1900 als Ausgangspunkt ein, womit er sich schon ausführlich beschäftigt hatte und daß es letztlich das Geburtstagsjubiläum gewesen sei, daß den Termin des Abschlusses bestimmt habe, denn er hätte das lieber erst in zehn Jahren abgeschlossen.

Heinrich Ullrich, Professor für Erziehungswissenschaften an der Universität Mainz“, verneinte als erstes, sein Buch als Biographie falsch zu verstehen. Er selbst hatte schon über die Walldorfschulen dissertiert und am Thema als Erziehungswissenschaftler weitergearbeitet, wobei ihn immer besonders interessiert habe, wie aus dieser pädagogischen Reformbewegung anders als bei anderen aus dieser Zeit keine „versteinerte“ Reformpädagogik entstanden sei.

Die Historikerin Miriam Gebhard, Privat-Dozentin an der Universität Konstanz, gab einerseits biographische Gründe für ihr Interesse an, daß sie nämlich aufgewachsen in einer Psychologenfamilie einen guten Freund aus einer Anthroposophenfamilie gehabt habe, wo an einem bestimmten Punkt die zuvor fruchtbare Diskussion immer endete. Beruflich hat sie sich in ihrer Habilitation mit frühkindlicher Erziehung Anfang des 20. Jahrhunderts beschäftigt, wobei die jeweiligen Menschenbilder als Hintergrund auch die Beschäftigung mit der Walldorfpädagogik eingeschlossen hätten. Beides seien für sie die Schreibmotive gewesen.

Die Beantwortung der zweiten Frage, welche Bedeutung Steiners Ideen nach Meinung der drei Autoren heute noch haben, schieben wir in den zweiten Teil der Serie, in denen die drei Biographien vorgestellt werden. Fortsetzung folgt.

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Info:

www.medienstelle-anthroposphie.de

www.rudolf-steiner.com

Literatur:

Miriam Gebhardt, Rudolf Steiner. Ein moderner Prophet, DVA 2011

Heiner Ullrich, Rudolf Steiner. Leben und Lehre, C.H. Beck 2010

Helmut Zander, Rudolf Steiner. Die Biographie, Piper 2011

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