Zwei Denkmäler und ein verstecktes Museum – Serie: Eindrücke aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten (Teil 5/6)

© WELTEXPRESS, Fotos: Dr. Ronald Keusch

Die Black Hills ist eine kleine Gruppe von Bergen im Nordosten von Wyoming und hauptsächlich im Westen von South Dakota. Sie erstreckt sich über das recht große Gebiet von 6.000 Quadratmeilen, etwa 200 Kilometer lang von Nord nach Süd und 70 Kilometer breit. Ein Drittel ist mit dunklen Nadelbäumen (dark pine) bewachsen, die der Region ihren Namen gab. Die Straße in den Black Hills führt durch Täler und über weite Lichtungen, ein ständiger Wechsel von Wald und Prärie vorbei an Schluchten, die zu Aussichtsplattformen führen. Berge, wie aus dem Bilderbuch oder einer Hollywood-Western-Kulisse. Eigentlich fehlen nur noch die Indianer, die allerdings hier nirgends zu entdecken sind. Aber es ist ihr Land, das ihnen ewig gehörte und ihnen vor mehr als 150 Jahren geraubt wurde.

Die heiligen Berge der Sioux

Die Dakota Indianer, besser als Sioux bekannt, liebten die schwarzen Berge, in denen viele ihrer Mythen spielten und nannten sie Paha Sapa. Sie lebten nicht hier, sondern sie kamen nur in ihre „heiligen“ Berge, um religiöse Handlungen zu vollziehen, ihr Tipi aufzubauen und Büffel zu jagen. Vielleicht wussten sie über die unglaublich reichen Bodenschätze Gold, Silber, Kupfer Bescheid, besonders über das Gold. Aber sie schwiegen darüber. Im Jahr 1868 wurde von der USA-Regierung im Vertrag von Fort Laramie den Sioux die Black Hills zur uneingeschränkten und unbehelligten Nutzung zur Verfügung gestellt. Landabtretungen sollten nur dann möglich sein, wenn mindestens drei Viertel aller erwachsenen männlichen Sioux, die auf Reservatsgebiet leben, dem zustimmen. Dieser Vertrag sollte die Indianer ruhig stellen bei der weiteren Eroberung des amerikanischen Westens. Doch mit der Ruhe war es schon sechs Jahre später vorbei. Im Jahr 1874 entdeckte auf einer Expedition General George Custer Gold in den Black Hills und startete damit den letzten großen Goldrausch in den USA.

Das Rushmore National Memorial

Das berühmte Nationale Memorial Rushmore in den Black Hills feiert in diesem Jahr seinen 70 Geburtstag. Namensgeber ist recht passend der New Yorker Rechtsanwalt Charles Rushmore, der hier Goldschürfrechte erworben hatte. Seit Jahrzehnten ist es ein Anziehungspunkt für US-Amerikaner wie Touristen aus aller Welt und wird offiziell als amerikanisches Symbol für Freiheit, Patriotismus und Demokratie gehandelt. Auf dem gesamten Gelände weht ein Haufen von USA-Fahnen, so wie in Deutschland mit Nationalflaggen derzeit nur die Fußball-WM ausstaffiert wird. Im Jahr 2010 wurden mehr als drei Millionen Besucher registriert. In den Granit der Felsen eingemeißelt sind die 18 Meter hohen Porträts von den vier amerikanischen Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln. Von 1930 bis 1942 hat der Bildhauer Gutzun Borglum die Gesichter der Präsidenten in den Berg gehauen. Eine vom Künstler geplante Halle des Ruhmes wurde nicht verwirklicht, stattdessen teilweise seine Pläne mit einem von 1989 bis 1998 neu erbauten Besucherzentrum realisiert. Von hier schaut man durch große Glasfenster auf die vier Präsidenten. Insgesamt 56 Millionen Dollar wurden für den Bau gespendet, so heißt es. Die Kosten für die Arbeiten von Borglum und seinen Helfern soll zur Hälfte der amerikanische Staat übernommen haben. Ein 30 Minuten Spaziergang führt zum Fuß des Mount Rushmore. Beim Rundgang sieht man mit bloßem Auge, wie raffiniert ein Schatten um das Auge im Gesicht von Roosevelt gelegt ist, so dass der Eindruck entsteht, dass er eine Brille trägt.

Aber der aufmerksame Besucher entdeckt noch etwas anderes, dass wie ein Menetekel unübersehbar das gesamte Monument weitflächig umschließt. Wohin auch der Blick geht, hier stirbt langsam der Wald, hier stirbt Paha Sapa, verursacht durch eine Borkenkäferinvasion. Viele der Nadelbäume haben rötliche Nadeln bzw. haben keine Nadeln mehr, stehen kahl oder sind gebrochen und umgefallen. In einer Ausstellung im Besucherzentrum werden die dramatischen Veränderungen des Waldes dokumentiert am Vergleich von Fotos aus dem Jahr 2005 und 2009.

Crazy Horse ist noch unvollendet

Grade sechs Jahre nach der Eröffnung der nationalen Gedenkstätte Rushmore startete nur 27 Kilometer davon entfernt ein weltweit einmaliges und schier unvorstellbares Projekt. Es trägt den Namen von Crazy Horse, des legendären Indianerhäuptling der Oglala-Sioux.

Atemberaubend sind zunächst die Dimensionen des Denkmals. Wenn das Denkmal mit Sprengstoff, Presslufthämmern und Meißeln irgendwann einmal vollendet ist, wird es eine Höhe von 172 Metern und eine Länge von 210 Metern aufweisen – die weltweit größte Skulptur. Es wird eines fernen Tages Crazy Horse auf einem Pferd mit ausgestrecktem Arm zeigen. Bisher wurde 1998 nach 50 Jahren Arbeit das Gesicht des Häuptlings fertig gestellt.

Ein Denkmal für die Ureinwohner Nordamerikas

Crazy Horse erzählt auch die Geschichte des polnischstämmigen amerikanischen Bildhauers Korczak Ziolkowski, der dieses unvorstellbar gigantische Projekt anfangs allein auf sich gestellt in Angriff nahm. Im Jahr 1948 begann er seine Arbeiten in den Black Hills, nachdem ihm die Sioux ausdrücklich dazu die Legitimation gaben. "Meine anderen Häuptlingsbrüder und ich möchten, dass der Weiße Mann weiß, dass der Rote Mann auch große Helden hat." Das sagte Henry Standing Bear, der Häuptling der Oglala Sioux im Jahr 1939. Doch das Projekt ist mehr als nur Gedenken an den außergewöhnlichen mutigen, bescheidenen und selbstlosen Häuptling Crazy Horse, der mit 35 Jahren unter Parlamentärsfahne von Soldaten ermordet wurde. Korczak will damit all jene Völker ehren, die 400 Jahrhunderte in Nordamerika lebten, bevor der Weiße Mann ins Land kam. Als der Bildhauer 1982 starb, führten seine Frau Ruth und sieben seiner zehn Kinder seine Arbeit in der Crazy Horse Foundation fort. Derzeit ist in Sichtnähe der Skulptur ein großer Ausstellungskomplex mit indianischem Ausbildungszentrum und Museen entstanden sowie ein medizinischen Zentrum und Ausstellungsräume mit Kinosaal. Hier läuft über das Familien-Projekt ein Dokumentarfilm, indem ausdrücklich betont wird, dass Crazy Horse ausschließlich über Eintrittsgelder (derzeit immerhin zehn Dollar pro Person), über die Vermarktung von indianischen Produkten und Spenden finanziert wird. Jedwede Unterstützungsgelder von der USA-Regierung, es gab einige vergebliche Anläufe, werden nach wie vor abgelehnt. An dem Tag, als ich den Film gemeinsam mit zahlreichem Publikum sah, gab es bei dieser Aussage im Film demonstrativen Beifall.

Wird hier das Schicksal der Indianer umfassend und ehrlich gewürdigt? Ich glaube schon und es entsteht auch in anderen Besucherzentren der Eindruck, dass seit den 90er Jahren die Geschichte der Indianer differenzierter behandelt wird als in früher. Crazy Horse steht als ein Symbol für ein anderes Amerika.

Das Imperium in Wall

Unser letzter Ausflugstag mit dem Auto führte in die Badlands. Auf der einstündigen Fahrt begleiteten uns am Straßenrand mindestens 20 große Plakat-Werbungen für den größten Drugstore auf der Welt in dem kleinen Ort Wall. Gründer sind Doroty und Ted Husted, die nach ihrem Studium 1931 mitten in den Badlands einen kleinen Drugstore eröffneten und viele Jahre ohne Kundschaft ein ärmliches Leben führten, aber nicht kapitulierten. Als etwa 60 Meilen entfernt das Nationaldenkmal Mount Rushmore im Entstehen war und erste Besucher auf langen Autotouren anlockte, kamen die beiden in ihrem Drugstore auf die Idee, kostenlos Eiswasser den Autofahrern anzubieten und überall an der Strecke zu plakatieren. Nach einem Jahr mussten sie schon acht Angestellte einstellen. In den kommenden Jahrzehnten ist aus dem kleinen Keimling Drugstore ein regelrechtes Imperium herausgewachsen in einer Mischung aus riesigen Verkaufsflächen, musealen Ausstellungen, Rummelplatz, Cafes und Restaurants. Hier kann man für acht Dollar edle Steine aus einem Sack Geröllsand heraus waschen, aber damit nicht mehr reich werden. Wir sind aber auf der Suche nach einem wenig bekannten etwas versteckt gelegenen Indianermuseum. Im Besucherzentrum der Badlands wird uns auf die Frage der Weg zu der Mahn-, Aufklärungs- und Gedenkstätte exakt beschrieben. Sie trägt den Namen „The story of Wounded Knee“.

Endlose Liste des Unrechts

Die kleine Siedlung „Wounded Knee“ in South Dakota, nur ein paar Dutzend Meilen von der Gedenkstätte hier in Wall entfernt, steht in einer Reihe mit Lidice, Oradour-sur-Glane oder Sabra und Schatila für Orte von Massakern an der Zivilbevölkerung. Im Jahr 1890 töteten Soldaten des 7. US-Kavallerieregiments etwa 250 Männer, Frauen und Kinder der Lakota-Sioux-Indianer in ihrem Zeltlager bei Wounded Knie. Dieses besonders schreckliche Kapitel in der Geschichte der Indianer und der USA wird in ergreifenden, stark emotionalen Texten geschildert. Übrigens jene Soldaten, die bei diesem Schlachten durch Gegenwehr getötet wurden, erhielten einen Orden für Tapferkeit, den Lincoln im Bürgerkrieg gestiftet hatte.

Doch die Gedenkstätte bleibt nicht bei diesem Massaker stehen. Sie nimmt es zum Anlass, sachlich und zugleich erschütternd das vielfältige Unrecht aufzulisten, dass den Indianern, von Seiten der US-Regierungen, der US-Armee und der ins Land eindringenden Massen an Siedlern angetan wurde.

Auf einem Bildschirm laufen ohne Unterbrechung Jahreszahlen mit Orten, wo Verträge mit Indianern durch die US-Regierung rechtswirksam abgeschlossen und dann gebrochen wurden. Eine schier endlose Kolonne von Daten. Dazu ein Zitat vom Häuptling Red Cloud der Oglala Lakota-Indianer: “Sie machten uns viele Versprechen, mehr als ich mich erinnern kann – aber sie hielten keines bis auf eines: Sie versprachen, unser Land zu nehmen und sie nahmen es.“

Der Landraub beschäftigt bis in die nahe Gegenwart die USA. Nach Klagen der Indianerstämme vor dem höchsten Gericht der USA, dem US Surpreme Court, den Diebstahl der Black Hills rückgängig zu machen, entschied das Gericht im Jahr 1980, eine Ausgleichszahlung von 105 Millionen Dollar den Indianerstämmen auszuzahlen. In einer Befragung lehnten Dreiviertel der Indianer dieses Urteil mit dieser Entschädigung ab. Im Jahr 2002 ist diese Summe, die auf einem gesperrten Bankkonto liegt, auf 500 Millionen Dollar angewachsen.

Die den Indianern zugewiesenen Reservate bestanden meist aus unfruchtbarem Land, die Lebenskultur der Indianer wurde missachtet, Dürreperioden und Seuchen rotteten die Indianer systematisch aus. Auch die Morde an Symbolgestalten des Widerstandes der Indianer wie Crazy Horse oder Sitting Bull mit seinen Söhnen und Frauen, wird chronologisch nachgezeichnet. Die Mörder aus den Reihen der Rock Indian Police Force handelten im Auftrag von James Mc Loughlin, dem Agenten der Rock Reservation.

Noch im Jahr 1973 forderte eine Besetzung des Ortes von Wounded Knee zwei Tote unter den Demonstranten. Die Entscheidungen der Gerichte und vieles mehr sind eine offene Rechnung in der USA-Gesellschaft, die noch zu begleichen ist.

Am Eingang des Museums erhält jeder Besucher eine „Friedens-Feder“ als versöhnliche Geste. Doch den meisten Besuchern wird es wie dem Autor gehen. Die unzähligen Verbrechen an den Ureinwohnern machen wütend und unversöhnlich.

Anschließend führte unser Weg weiter durch den Naturpark der Badlands, wo Wind und Regen über die letzten 35 Millionen Jahre diesen Teil der Prärie mit seinen Bergzügen so erodierte, dass unsagbare Schönheit an Formen und Farben entstanden. An diesem Tag entstanden die schönsten Fotos der gesamten Tour.

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