Zauberkrug, Geheimbund und Flamenco – Serie: Jaén – Unentdecktes im Nordosten Andalusiens (Teil 1/2)

Der Künstler Juan Martinez Villacañas will tönerne Zeitdokumente der Geschichte für die Zukunft schaffen.

Wie Perlen liegen auf diesem Teppich romantische Städte mit viel Geschichte: Da wäre die Provinzhauptstadt Jaén mit der aus arabischer Zeit geprägten Altstadt, der Festung und den historischen Arabischen Bädern, aber auch mit der stolzen christlichen Renaissance-Kathedrale. Die Kleinstädte Baeza und íšbeda tragen wegen ihres in Europa nahezu einzigartigen komplett erhaltenen Renaissance-Stadtkerns den Unesco-Weltkulturerbe-Titel. Es sind die einzigen Städte in Spanien mit reinem Renaissancestil.

Der magische Krug

In der Ladenwerkstatt der Kunsttöpferei ’Tito’ direkt am zentralen Rathausplatz des Renaissance-Städtchens íšbeda ertrinkt der Besucher in der Fülle an Keramik von Juan Martinez Villacañas und seinem Sohn Pablo. Auf dem Fußboden, auf Tischen und in Regalen bis zur Decke stehen die zerbrechlichen Kunstwerke. „Ich suche nach vergessenen Trends und Techniken, denn ich will Zeitdokumente aus Ton schaffen und mit modernen Akzenten für die Zukunft erhalten.“, erzählt der Meister. Seit der Jungsteinzeit wird am Ort des heutigen íšbeda getöpfert, denn hier gibt es hochwertige Tone. Verschiedene Kulturen haben keramische Spuren hinterlassen, die Iberier, die Mauren, die Spanier der Renaissance oder des Barock”¦ Mit Kupferoxyd grün gefärbte Gefäße entsprechen der maurischen Zeit. Kobaltblaue Ornamente oder gelb-ocker sind die bevorzugt gewählten Farben für Krüge, Karaffen, Teller, schlanke Essig-, Öl- oder Weinflaschen oder Duftgefäße durchbrochen nach maurischer Art. „Das Kobaltblau der Renaissance ist zum Beispiel so ein wieder entdecktes, getöpfertes Zeitdokument.“, plaudert Meister Tito lächelnd. So erlebt die spanische Renaissance eine Renaissance.

Lächelnd gießt der 70jährige aus einem bauchigen Krug Wasser. Das Besondere daran ist, dass er sichtbar kein Wasser in diesen magischen Krug gegossen hat, das Wasser aber nicht aufhört aus dem Krug zu fließen. Zauberei?! Juan klärt auf: “Der Krug steht in einer Wasserschüssel, aus der er über einen hohlen Henkel Wasser nach dem Archimedischen Prinzip ansaugt wird. ’Chupacharkos’ (dt. gesaugtes Rinnsal) sagen wir dazu. Im heißen Sommer Andalusiens haben die Menschen – wenn Bäche nur noch als Rinnsal fließen – mit dem Krug trinkbares Wasser unverschmutzt aufnehmen können. Wir haben den Krug einfach in das flache Wasser gestellt”¦“

Geheimbund hinter grauer Mauer

Es wird Abend im verträumten Städtchen Baeza. Die Sonne vergoldet mit ihren letzten Strahlen die eigentlich weißen Renaissance-Fassaden aus behauenem Stein. Gleich hinter dem alten Stadttor nach Jaén empfängt ein kleiner Platz mit Löwen-Brunnen aus der Römerzeit und Renaissance-Häusern mit prachtvoller Fassade die Besucher. Das schönste Haus ist die so genannte ’Alte Fleischerei’, die auch als Justizsaal diente. Heute werden im Erdgeschoss Touristen informiert. Ein Schelm wer Böses dabei denkt”¦ Durch eine lange schmale Straße mit Palästen und Bürgerhäusern führt der Weg zur Kathedrale. Auffällig ist eine hohe graue Mauer überragt von einem Feigenbaum. „Das Grundstück hinter der hohen Mauer gehört Opus Dei”¦“, haucht Begleiterin Maria verhalten. Da denkt man an mythische Geschichten dieses mit Geheimnissen umwitterten, katholisch ausgerichteten Geheimbundes, der sich auch für politische Macht interessiert.

Flamenco – Aiiiii

Was wäre Andalusien ohne Flamenco?! „Flamenco ist Gesang, Gitarrenmusik, Tanz und vor allem andalusisches Lebensgefühl aus dem Innersten heraus… Flamenco ist ein Mix aus Kraft, Gefühl und Geist. Versteht ihr!“ Esmeralda vom Tourismusamt verzieht dabei das Gesicht, als ob sie jeden Moment den legendären Flamenco-Schrei „Aiiiii!!!“ ausstoßen wolle.

Der Tanzsaal des Restaurants ’El Marqués’ in der Altstadt von íšbeda ist ein Geheimtipp. Wochentags sind hier zumeist spanische Gäste. Die Vicente Fernandez Company bietet künstlerische Spitzenleistung mit viel Leidenschaft. Die Tänzer Vicente und Rosario Valero, sind auch Flamenco-Lehrer. Sie tanzen zur Musik von David dem Sänger und José dem Gitarristen.

Der Gitarrist schlägt sein Instrument hart an. Die schwarz betuchten Männer – Sänger und Tänzer – klatschen den Rhythmus. Rosario – sie könnte auch Carmen heißen – mit dem langen zusammengesteckten schwarzen Haar geschmückt mit einer Lila-Tüllblume streckt ihren schlanken langen Körper. Der Körper zuckt. Die Tänzerin hebt die lilafarbenen Rüschen am Unterteil des Kleides. Der harte schwarze Holzboden bebt… durch die feurigen Flamencoschritte in Duo und in Solo. Die Gitarren und die Sänger, das Hämmern der Schuhe auf dem Boden, das Klatschen verbunden mit Anfeuerungsrufen des Ensembles werden stärker. Die Luft beginnt zu ’brennen’. Da ist – der legendäre Schrei mit schmerzvollem Gesicht: „Aiiiii!“ Die Gefühlsschraube bewegt sich im rhythmischen Tempo rasend vorwärts. Schmerz, Lust und Schweiß spritzen in den Raum… Die Tänzer steigern sich zur Ekstase. Geboten wird eine sportliche und künstlerische Spitzenleistung! Nach einer Stunde explodierendes Temperament, der Erschöpfung nahe… Das Bravo des Publikums stimuliert zum da Capo… Die andalusische Seele liegt offen präsentiert von Stars ihres Fachs und nicht von einer colorierten Touristenfolklore.

Service

Anreise – die günstigste Verbindung: Von Berlin-Tegel nach Granada via Madrid fliegt Iberia zweimal täglich.

Übernachtung – Es gibt Landhäuser, komfortable Ferienhäuser sowie Stadthotels aller Kategorien. Nicht wenige Hotels befinden sich in historischen Gemäuern. Dazu gehören staatlich geführten Paradores in Jaén, íšbeda oder Cazorla oder im Zentrum von íšbeda ein kleiner Renaissancepalast mit typisch andalusischen Innenhof – heute ein gemütliches Familienhotel ’Las Casas del Consul’ mit vielen antiquarischen Möbeln. Die Zimmer in diesen historischen Mauern sind Unikate.

Internet-Information  www.spain.info

Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin; Tel. 030-8826543, Fax 030-8826661, E-Mail: berlin@tourspain.es oder Contact-Center 0180 / 300 26 47 (9 Cent aus dem Festnetz)

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