Olivenöl, Knochenbrecher, Ölsardine – Serie: Jaén – Unentdecktes im Nordosten Andalusiens (Teil 2/2)

Olivenöl höchster Klasse wird auf dem Cortijo ’El Madroño’ produziert.

Ernte im Öl-Land

Von Ende August bis Anfang Dezember sieht man vielerorts in der Provinz Jaén Männer mit langen Stöcken in den Olivenbaumreihen. Frauen ziehen lange schwarze Netze von Baum zu Baum. Die Männer schlagen mit Stöcken gezielt und gefühlvoll an die Äste, so dass die reifen schwarzblau glänzenden Picual-Oliven auf feinmaschige Netze fallen. Vorsichtig werden sie eingesammelt”¦ In der Ebene rollt ein blauer ’Riesenschmetterling’ durch die Baumreihen, schüttelt den Stamm. Auf die ausgebreiteten Flügel fallen sanft die Früchte. Traditionelles und modernes Ernten laufen dicht beieinander. Es gibt Feinschmecker, die meinen, dass die mit Hand geernteten Oliven schmackhafteres Öl abgeben. Das ist aber vielleicht eine subjektive Meinung. Zweifellos ist aber richtig, dass Ernte und Verarbeitung der Olivern wichtig für die Qualität des Öls sind.

Die Herrschaft vom Cortijo

Wie weiße Tupfer im Silbergrün der riesigen Olivenbaumplantagen wirken die Cortijos, die typischen andalusischen Gehöfte. Ähnlich einer kleinen Festung umgeben dicke alte Mauern Wirtschaftshöfe, Wohngebäude und Garten. Ihre Keller mit konstanter Temperatur nehmen auch heute noch viel Olivenöl auf. Unweit der Stadt Martos liegt im Herzen der Olivenhaine das Cortijo ’El Madroño’ aus dem 19. Jahrhundert (dt. Erdbeerbaum) – neben einem großen Erdbeerbaum mit süßen Früchten. Am Tor warten Isabel und Emilia Rojas Montes, Pilar Alba und Miriam Gutierrez – salopp gesagt die ’Ölbaroninnen’. Sie laden auf dem Cortijo oft Gäste ein. Im historischen Ambiente – im Festsaal, der früher als Pferdestall diente, oder im rustikalen Wohnhof mit Palmen – feiern heute Familien Hochzeiten oder Jubiläen. Das Hauptprodukt bleibt aber das Olivenöl. Isabell gießt eine gold-gelbe Probe auf einen weißen Teller. Das Öl der Picual-Frucht duftet mandelartig, fruchtig und schmeckt mild, mit einem fruchtig-würzigen Abgang. Oliven aus Jaén enthalten außer Vitaminen auch so genannte Antioxydantes, die das Älterwerden bzw. ranzig werden des Öls bremsen. Der fruchtige Geschmack und Vitamine bleiben länger erhalten.

„Olivenöl ist nicht gleich Olivenöl.“, erklärt Isabel. Anbaugebiet, Boden, Olivensorte, Mikro-klima sowie Ernte und Verarbeitung sind die wichtigsten Faktoren für den Geschmack und für die Qualität des Olivenöls. Das Öl muss aus 100prozentig gesunden und ausgewählten Oliven sowie ausschließlich mit mechanischen Verfahren gemahlen werden. Olivenöl mit guter Qualität darf keine Zusatz- oder Konservierungsstoffe enthalten. Will man eine hohe Qualität erreichen müssen die Oliven ausschließlich an Sonnentagen direkt vom Baum geerntet und noch am gleichen Tag gemahlen werden. Zwischen Ernte und Mahlvorgang vergehen maximal drei Stunden. Pressmaschinen dürfen eine konstante Temperatur von 28 bis 30 Grad haben. Gelagert wird das gute Olivenöl bei stets konstanter Temperatur in Tanks. Licht und Luft können das Öl dann nicht mehr beeinflussen.“, versichert Isabell.

Der Grüne Weg

„Dadadas ist aber hohoholprig”¦“, stottert die sonst flüssig sprechende Heidi als sie über die stählerne ehemalige Eisenbahnbrücke fährt. Rustikal hat man hier die starken Holz-bohlen nicht durch Betonplatten ersetzt. Warum auch? Abwechselung muss bei dem überwiegend asphaltierten Rad- und Wanderweg sein”¦ Wo bis 1985 Züge Oliven, Mineralien und Personen transportierten, bewegen sich heute Biker oder Wanderer. Dieser ’Grüne Weg’ – einer von etwa 70 dieser Art in Spanien – verband als Eisbahnstrecke die Städte Jaén und Campo Real in der Provinz Córdoba. Die ’Via Verde del Aceite’ – der Grüne Weg des Olivenöls – führt 55 km über alte Brücken, vorbei an Hügeln mit unzähligen Olivenbäumen, an ehemaligen Bahnhöfen und romantischen Landhäusern. Nach kurzen Wegstrecken kann man auch ’aussteigen’, um in Dörfern oder Städtchen Rast zu machen und sich mit Spezialitäten der Region zu stärken. Selbstverständlich muss Olivenöl dabei sein. ’Migas’ zu deutsch ’Krümel’ hat viele Oliven. Das war früher ein so genanntes ’Arme-Leute-Essen’. Zerkrümeltes, eingeweichtes Brot, Knoblauch, Olivenöl, Speck werden gebraten. Dazu gibt es Sardinen, Paprika und Weintrauben. Nach einer Radtour genau das Richtige”¦

Wandern wo Adler und Knochenbrecher kreisen”¦

Denke keiner, dass in Jaén nur Olivenbäume wachsen. Ein Fünftel der Fläche der Provinz Jaén ist dem Naturpark Sierras de Cazorla vorbehalten. Mit 214-tausend Hektar ist es in zweifacher Hinsicht der größte Naturpark Spaniens und damit fast so groß wie der deutsche Harz. Hinsichtlich der faszinierenden Landschaft, der Tier- und Pflanzenwelt ist Cazorla auch der Größte. Drei Gebirgszüge gehören zu Cazorla. Flüsse entspringen hier, darunter der fünftlängste Fluss Spaniens, der Guadalquivir.

Señor Angel Amores ist von Beruf Naturpark-Ranger. Gern führt er Gäste in den grünen Schatz Spaniens, Während er den Jeep lenkt erzählt er: „In unserem Park gibt es viele Tiere – Mufflon, Hirsch, Wildschwein, Steinbock, Bergziege, Wildkatze und Fischotter. Die EU erklärte Cazorla zum Sonder-Vogel-Schutzgebiet. Hier fliegen verschiedene Eulen, Adler und Geier. Der Bartgeier wurde wieder neu angesiedelt. Dieser Aasfresser ernährt sich vor allem von Knochen. Deshalb wird er auch als ’Knochenbrecher’ bezeichnet. 1.300 Pflanzenarten wurden bisher katalogisiert, darunter auch einige nur hier wachsende. Cazorla ist damit das Gebiet in Spanien mit der größten Pflanzenvielfalt. Das Besondere an Cazorla ist, dass die Menschen nicht ausgeschlossen sind, sondern mit der Natur leben. 23 Gemeinden gibt es im Park. Etwa 91tausend Menschen leben im oder am Naturpark. Es darf sogar mit strengen Auflagen gejagt und geangelt werden. Bereits die Steinzeitmenschen haben sich hier offenbar wohl gefühlt und in Höhlen ihre Malerei hinterlassen. Heute werden diese prähistorischen Kunstwerke von der Unesco geschützt. Vor den 80er Jahren des vorherigen Jahrhunderts wurde dieses Gebiet von der Marine verwaltet. Viel Holz für den Schiffsbau wurde in vergangenen Jahrhunderten geholt – auch für die Schiffe von Kolumbus z. B. für die berühmte ’La Pinta’.“

Der Jeep rollt durch eine 10 km lange Schlucht vorbei an Bächen mit türkisfarbenem klarem Wasser. Plötzlich tritt Angel auf die Bremse, springt aus dem Jeep, baut flink ein Stativ mit Fernrohr auf: „Schaut dort an der steilen 800 m hohen Felswand direkt neben dem Wasserfall, der etwa 200 m in die Tiefe in den Fluss Borosa stürzt, frist eine kleine Wildziegenherde.“ Wer mit einem „Liebesengel“ als Guide reist, der muss Glück haben.

Gesundes Gefühl der Ölsardine

Olivenöl ist gut für innen, aber auch für außen. Das weiß nicht nur in der Region Jaén jeder. Viele Hotels, dazu gehört auch das Hotel Sierra de Cazorla in dem gleichnamigen Städtchen nahe dem Naturpark, bieten Massagen und Körperpflege mit dem gesunden Naturprodukt pur an.

Schwaches Kerzenlicht erhellt sanft den Raum. Schwarzes lockiges Haar versucht sich an den Schultern der schlanken jungen Physiotherapeutin zu halten. Männliche Phantasien werden angeregt”¦ Mit Gesten deutet die junge Maria dem der spanischen Sprache unkundigen Genießer an, was sie zu tun gedenkt. Warmes Olivenöl rinnt auf den männlichen Oberkörper. Es duftet nach frisch gemähtem Gras”¦ Zarte Hände gleiten über den Körper. Nach einer halben Stunde richtet sich der Gast noch wie im Rausch als ’Ölsardine’ in einen weißen Bademantel gehüllt entspannt auf. Der Blick schweift aus dem Panoramafenster hinaus auf die Hügellandschaft von Jaén. Im Hintergrund färbt die untergehende Sonne die Umrisse der Sierra de Cazorla. Ein Genuss: Olivenöl, Ruhe, gesunde Natur…

Service

Anreise: Von Berlin-Tegel nach Granada via Madrid fliegt Iberia zweimal täglich.

Übernachtung: Es gibt Landhäuser, komfortable Ferienhäuser sowie Stadthotels aller Kategorien. Nicht wenige Hotels befinden sich in historischen Gemäuern. Dazu gehören staatlich geführten Paradores in Jaén, íšbeda oder Cazorla oder im Zentrum von íšbeda ein kleiner Renaissancepalast mit typisch andalusischen Innenhof – heute ein gemütliches Familienhotel ’Las Casas del Consul’ mit vielen antiquarischen Möbeln. Die Zimmer in diesen historischen Mauern sind Unikate.

Internet-Information: www.spain.info

Spanisches Fremdenverkehrsamt: Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin; Tel. 030-8826543, Fax 030-8826661, E-Mail: berlin@tourspain.es oder Contact-Center 0180 / 300 26 47 (9 Cent aus dem Festnetz. Aus dem Mobilfunknetz abweichend)

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