Berlin, BRD (Weltexpress). Während die Reallöhne in Italien gegenüber 2008 um 8,7 % gesunken sind, prekäre Arbeitsverhältnisse herrschen, die Lebenshaltungskosten steigen, machen die Unternehmen Supergewinne und schütten den Aktionären horrende Dividenden aus. So zahlte der Konzern für Versicherungen und Finanzdienstleistungen Unipol laut seinem am Freitag veröffentlichten Jahresbericht bei einem von 2022 bis 2024 kumulierten Gewinn von 3,8 Milliarden Euro, was ein Anstieg von 28 % war, davon an die Aktionäre satte 2,2 Milliarden Euro Dividenden, was 72 % mehr als im vorherigen Dreijahreszeitraum waren. Das durchschnittliche jährliche Wachstum der Dividende betrug pro Aktie etwa 10 %. Investitionen sind nach einer Erklärung von CEO Matteo Laterza nur in Höhe von 500 Millionen Euro im Technologiesektor vorgesehen. Zu den Säulen der weiteren technologischen Entwicklung rechnete Unipol-Vorsitzender Carlo Cimbri„ das Wachstum von Gewinnen und Dividenden“.
Am selben Tag veröffentlichte die staatliche Nachrichtenagentur „ANSA“ einen Bericht des Statistikamtes ISTAT, der aufzeigte, zu wessen Lasten diese milliardenschweren Dividenden, die Aktionäre ohne auch nur einen Finger krumm zu machen, einstecken, gehen. Auf Kosten von fast 3,5 Millionen Italienern, die nach Berechnungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO in Armut leben müssen oder von Armut bedroht sind. Am Rande der Armut lebten auch schon etwa 10 % der Beschäftigten, die laut Statistiken 8,9 Euro pro Stunde verdienen, wobei der Anteil bei Frauen, jungen Menschen, Personen mit niedrigem Bildungs- und Berufsabschluss höher liegt und viele noch darunter liegen.
Im Januar hatte der Verband der Consumatori errechnet, dass bei einer um 2% angestiegenen Inflationsrate die Mehrpreise für häufig gekaufte Güter, wozu neben Nahrungsmitteln und Getränken auch Verbrauchsgüter des Haushalts, Kraftstoffe und städtische Transportmittel sowie Pflegekosten gehören, für ein Paar mit einem Kind sich jährlichen auf 471 Euro beliefen, darunter 170 Euro nur für Essen und Trinken und 190 für Lebensmittel, Haushalt und Körperpflege. Nach der Abschaffung der geschützten Strom- und Gasversorgung durch die Meloni-Regierung mussten die Verbraucher ab Juni 2024 bei Strom Preissteigerungen von 10 Cent pro kWh 200 bis 300 Euro pro Person mehr zahlen. Bis 2027 wird ein Ansteigen um 15% pro KWh erwartet. Dasselbe gilt für die Gasrechnungen, wo laut einem Bericht des Experten- und Forscherobservatoriums Oipe der Anstieg bei durchschnittlich 8,5 Prozent liegt, in einigen Regionen wie Kalabrien 16,7 Prozent erreicht. Besonders betroffen von den steigenden Lebenshaltungskosten sind schutzbedürftige Menschen, Kinder, Ausländer und vor allem ältere Menschen.
Das Realeinkommen der Familien war bereits 2023 um 1,6 % gesunken, was einem Verlust pro Person von durchschnittlich 500 Euro pro Jahr entsprach. Wobei zu berücksichtigen ist, dass der allgemeine Einkommensrückgang sich aus einer Stagnation bzw. einem Rückgang der Einkommen bei 80 Prozent der Bevölkerung und einem schwindelerregenden Einkommensanstieg bei den reichsten Schichten von 20 Prozent zusammensetzt.
Wenn der Reallohn der italienischen Arbeitnehmer in den letzten fünfzehn Jahren um 8,7 Prozent gesunken ist, bedeute das also, so errechnete das kommunistische Magazin „Contropiano“ auf seinem online portal, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer im Vergleich zu vor fünfzehn Jahren einen Monat weniger Lohn erhält, einen Monat lang unentgeltlich arbeiten muss und sein Gehalt in die Gewinne des „Arbeitgebers“, wie im Falle von Unipol, in die Dividenden der Aktionäre, einfließt.
Die Schuld für die Ausbreitung dieser extremen Armut liegt, so „Contropiano“, direkt bei der Regierung Meloni, die mit der Abschaffung des Bürgergeldes und der Ablehnung eines „gesetzlichen Mindestlohns“ die Armut verschärft hat. Der Generalsekretär der Cgil, Maurizio Landini, führte auf der Plattform der Gewerkschaft „Colelltiva“ an, dass die Regierung nichts gegen die Armut unternimmt, weiterhin keine Einkommen und Gewinne der Unternehmer versteuert, die Löhne nicht erhöht, es keine Kindergärten und kein Recht auf Gesundheitsversorgung gib. Es herrsche eine „Einkommensarmut“. Der Führer des mit etwas 5, 6 Millionen Mitgliedern stärksten der drei großen Arbeiterverbände forderte, das muss „radikal geändert“, ein Mindeststundenlohn eingeführt, die Tarifverträge verlängert werden, um die Kaufkraft wirklich zu schützen. Landini appellierte, dazu verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um die Regierung zu Maßnahmen gegen die Armut zu zwingen.
Anmerkung:
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